Augsburger Allgemeine (Land West)
Gericht: Schlechte Presse kein Kündigungsgrund
Es herrscht ein juristischer Kleinkrieg um eine Wohnung in einem Mehrparteienhaus in der Ulmer Straße, das der Eigentümer zu einem Hostel machen will. Die letzte Mieterin hat nun erneut recht bekommen. Der Fall war kurios
Die Berichterstattung war kritisch und für die Firma Bavaria Vermögens-Consulting und Verwaltungs GmbH vielleicht nicht besonders vorteilhaft. Aber war sie deshalb ein Kündigungsgrund für die einzige verbliebene Mieterin eines Hauses in der Ulmer Straße, das dem Münchener Unternehmen gehört?
Die Bavaria hatte der Mieterin Zsuszanna Palffy-Wood im Februar dieses Jahres gekündigt und, als die Frau über ihre Anwältin Julia Starke dagegen vorging, Räumungsklage beim Amtsgericht eingereicht. Die Mieterin habe die Berichterstattung verschiedener Fernsehformate „aktiv gefördert“und die jeweiligen Redaktionen mit „gezielten FehlInformationen versorgt“, was die gegenseitigen Treuepflichten verletzte, so lautete verkürzt zusammengefasst der Kündigungsgrund. Die Firma sei als skrupellose Bauträgerin dargestellt worden, die Menschen wegen Geldgier aus Wohnungen verjage. Das Amtsgericht entschied nun: Für eine Kün- digung reicht das alles nicht. Die Klage wurde abgewiesen.
Einer der Punkte des umfangreichen und ausführlich begründeten Urteils: Zum einen seien die Äußerungen der Mieterin in den jeweiligen Beiträgen wahr oder noch von der Meinungsfreiheit gedeckt, die einen weitgehenden grundrechtlichen Schutz genieße, zum anderen habe die Frau auch nicht in der Hand gehabt, wie die jeweiligen Beiträge gestaltet werden. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Bavaria jeweils Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben worden und ein Punkt ja unstrittig sei: Die Firma habe der Mieterin im November 2017 Heizung und Wasser abgestellt, obwohl ihr das per gerichtlicher Entscheidung nicht erlaubt war. Erst im Dezember einigten sich die Parteien über die Reparaturarbeiten im Haus, ebenfalls vor Gericht, so wie in dem Fall mittlerweile so ziemlich alles von Anwälten oder Richtern geklärt werden muss.
Die Fronten sind ziemlich verhärtet. Das Unternehmen will das Haus, in dem einstmals mehrere Mietparteien wohnten, zu einem Hostel umbauen. Dazu hatte sie den Bewohnern schon im November 2016 gekündigt. Zsuzsanna PalffyWood wehrte sich juristisch und bekam recht. Nachdem unsere Zeitung schließlich im Januar darüber berichtet hatte, dass die letzte Mieterin im Haus phasenweise in einer Wohnung ohne Gas und Wasser leben musste, griffen Fernsehformate wie die Sendung „Brisant“und das Magazin „Explosiv“das Thema auf. Um insgesamt vier Fernsehbeiträge drehte sich nun die erneute Verhandlung vor dem Amtsgericht, die in dem Komplex die zweite Räumungsklage war, die juristisch abgeschmettert wurde.
Für Presseorgane war der Zivilprozess also über den reinen Mietstreit hinaus nicht uninteressant. Dass Medien wie unsere Zeitung über Streit zwischen Immobilieneigentümern und Mietern berichten, ist wahrlich kein Einzelfall – ebenso wenig, dass dabei manchmal harte Worte von der einen oder der anderen Seite fallen und in die Berichterstattung einfließen. Das trifft gene- rell zu, ist in beliebten Großstädten wie Augsburg aber von erhöhter Relevanz, da hier Konflikte zwischen Immobilieneigentümern und Bewohnern aufgrund des angespannten Mietmarktes keine Ausnahme sind. Wäre es ein naheliegender Kündigungsgrund, wenn Mieter sich in Medien auch mal in deut- licher Wortwahl über Vermieter beschweren, würde das eine Berichterstattung zu solchen Themen zumindest erschweren.
Eine generelle Linie, heißt es vom Amtsgericht auf Anfrage, könne man aufgrund eines Urteils in einem Räumungsklageverfahren nicht ziehen; es komme immer auf den Einzelfall an. Es lasse sich aber sagen: Klagen mit der Begründung wie in dem vorliegenden Fall seien äußerst selten – falls es sie in Augsburg zuvor überhaupt schon einmal gegeben habe. Zumindest ein weiteres ähnliches Urteil lässt sich finden, es stammt vom Amtsgericht Hamburg-Wandsbek und aus dem Jahr 2005. Auch das Gericht kam damals zu dem Schluss, dass ein Mieter sich kritisch gegenüber seinem Vermieter äußern durfte; dessen Räumungsklage wurde abgewiesen.
Wie es nun in der Ulmer Straße weitergeht, ist indes unklar. Selbst wenn die Bavaria der letzten Mieterin prompt erneut kündigte, dürfte sie aufgrund der Kündigungsfrist wohl mindestens bis zum Frühjahr 2019 im Haus bleiben.