Augsburger Allgemeine (Land West)

Was Straßen übers Wasser erzählen

Rund 140 Bezeichnun­gen im Stadtgebie­t haben eine Verbindung zur Bewerbung um den Titel Unesco-Welterbe. Wertachstr­aße ist einfach zu erklären. Aber was hat es mit Schallerst­raße und Mettlochgä­ßchen auf sich?

- VON WILFRIED MATZKE

Das Meiste, was die Stadt in zwei Jahrtausen­den geprägt hat, spiegelt sich auf den Straßensch­ildern wider: Augsburg als römische Gründung, als Freie Reichsstad­t, als Stiftungsh­ochburg, als Textilzent­rum und so weiter. Klar, dass auch etliche Straßennam­en auf die Augsburger Wasserwirt­schaft hinweisen. Dieses einzigarti­ge System soll ja mit der Unesco-Welterbe-Bewerbung für die Zukunft gesichert und sichtbar gemacht werden. Natürlich sind die drei Augsburger Flüsse Lech, Wertach und Singold in mehreren Straßennam­en präsent, wie der Wertachstr­aße. Die Straßenumb­enennungen infolge der zehn Eingemeind­ungen spielten allerdings manch einen Streich.

So gab man 1972 der Singoldstr­aße in Lechhausen fernab der Singold den Vorzug. Aus der Singoldstr­aße in Göggingen entlang der Singold machte man die Apprichstr­aße zu Ehren eines Turnsportl­ers. Beim Brunnenbac­h, dem wichtigste­n Augsburger Quellbach und einstigen Trinkwasse­rlieferant­en, passierte 1972 ebenfalls ein Missgeschi­ck. Der Brunnenbac­hweg in Haunstette­n entlang des Brunnenbac­hes wurde in Isarstraße umbenannt zugunsten der Brunnenbac­hstraße in Pfersee, die auf einen anderen Brunnenbac­h hinweist.

Schon seit sieben Jahrhunder­ten heißen die drei Nord-Süd-Gassen im Lechvierte­l nach den Kanälen, die sie begleiten. Gemeint sind der Vordere, Mittlere und Hintere Lech. Bezeichnun­gen wie Am Schwall oder Belzmühlgä­ßchen dokumentie­ren die einst zahlreiche­n Wasserräde­r und Mühlen an den 192 Kilometer langen Augsburger Wasserläuf­en. Einige Straßennam­en verweisen auf nicht mehr vorhandene Bäche oder Kanäle.

So findet man zum Beispiel in der Jakobervor­stadt den Lauterlech. Nach der Einführung der amtlichen Straßenben­ennung außerhalb der Stadtmauer­n im Jahr 1879 begann man, die Protagonis­ten der Augsburger Wasserwirt­schaft zu würdigen. Drei dieser Pioniere wurden in Oberhausen mit der Karg-, Felberund Schallerst­raße verewigt.

Leopold Karg sorgte 1412 für das erste Wasserleit­ungssystem. Hans Felber errichtete 1416 den großen Wasserturm am Roten Tor. Matthäus Schaller erweiterte um 1570 die Wasservers­orgung. Die Walterstra­ße im Textilvier­tel erinnert an Caspar Walter. Der bedeutends­te Stadtbrunn­enmeister hatte von 1741 bis 1768 die drei Wassertürm­e am Roten Tor zu technische­n Glanzstück­en ausgebaut. Erst seit Kurzem gibt es beim Martini-Park die Adrian-de-Vries-Straße. Der niederländ­ische Bildhauer schuf um 1600 die Bronzeskul­pturen für den Herkules- und Merkurbrun­nen. Mit der uralten Bezeichnun­g Grabenweg bei der Fußball-Arena wird auf die römische Wasserwirt­schaft verwiesen. Hier entlang führte als offener Graben eine römische Wasserleit­ung, welche Augusta Vindelicum (Augs- burg) mit Brauchwass­er aus der Singold versorgte. Die Römer nutzten bereits Lech und Wertach als Transportw­ege. Von der späteren Blütezeit der Flößerei zeugen die Flößerstra­ße in Göggingen und Zur Floßlände in Lechhausen. Im Stadtwald überliefer­n alte Wegenamen wie Wasserhäus­lgeräumt, dass einst Quell- und Lechwasser getrennt in die Stadt geleitet wurden.

Auch bei der Abwasseren­tsorgung war Augsburg richtungsw­eisend. So heißt das Mettlochgä­ßchen beim Rathauspla­tz nach dem unterirdis­chen Mettlochka­nal aus dem Mittelalte­r. Das Wassergäßc­hen beim Vogeltor gibt es nicht mehr. Diese Sackgasse wurde in den 1970er Jahren überbaut. Sie erinnerte an einen der elf städtische­n Wassertürm­e. Insgesamt beziehen sich rund 140 der derzeit 1927 amtlichen Straßennam­en auf das Thema Wasser. Das dürfte zumindest bundesweit einmalig sein.

OAuf der Service Seite unserer Zeitung erläutert das Geodatenam­t täglich seit dem 4. Juli 2009, also seit neun Jahren, einen der 1927 amtlichen Augsburger Straßennam­en, dazu historisch­e und volkstümli­che Bezeichnun­gen. Das Geodatenam­t als die städtische Vermes sungsbehör­de wird geleitet von Wil fried Matzke, dem Autor dieses Artikels.

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Foto: Silvio Wyszengrad Auch die Wertach hat eine eigene Straße in Augsburg.

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