Augsburger Allgemeine (Land West)
Fans gehen auf Distanz
Wieso sich zwischen Mannschaft und Anhängern eine immer größere Lücke auftut
Berlin Wer einen Blick auf die Webseite des offiziellen Fanklubs der Nationalmannschaft „powered by Coca Cola“wirft, stößt früh auf eine Anzeige des DFB-Fanshops: „Tanktops im Urban Style“werden dort prominent beworben, 10 Euro für Damen, 12 Euro für Herren – und: „exklusiv für Fanklub Mitglieder“. Der Fan als Kunde: Das ist nach dem frühen WM-Aus in Russland auch einer der größten Kritikpunkte am Deutschen FußballBund (DFB).
„Die Mannschaft“nennt sich die Nationalelf im Marketingsprech seit 2015. Hinzu kamen Slogans wie „#BestNeverRest“(etwa: Die Besten lassen nie nach), zusammen mit Mercedes, und „#ZSMMN“(zusammen). Aber: „Ein Marketingslogan kann immer nur so gut sein, wie er mit Leben gefüllt wird“, sagt Pierre Hatje vom Unternehmen Impact & Emotions, das den Erfolg der „#ZSMMN“-Kampagne untersucht hat, dem Magazin horizont.net. Das Ergebnis der Befragung von 400 repräsentativ gewählten Fußballfans demnach: Nur jeder Fünfte verstand, was die Buchstabensammlung überhaupt heißen sollte, nur jeder Vierte bewertete die Kampagne positiv. Der Spott ließ dagegen nicht lange auf sich warten: Aus „#ZSMMN“machten mehrere Medien nach dem Ausscheiden schnell den „ZSMMNbruch“. Viele Anhänger ärgern sich ernsthaft über den Trend zur immer größeren Show abseits des Platzes. Sie fühlen sich nicht mehr als respektierter Teil des Ganzen. „Der DFB war wohl noch nie so weit weg von den Fans, wie er es heute ist“, sagt Jochen Grotepaß von der Fan-Organisation Unsere Kurve.
„Der Kern der deutschen Fans, der früher die Stimmung in den Stadien ausgemacht hat, ist in den letzten 10 bis 15 Jahren gebröckelt“, sagte Michael Gabriel sogar schon, als Deutschland noch Chancen auf die K.-o.-Runde hatte. Das Unverständnis macht zumindest auch vor den überzeugtesten Fans nicht halt. Von „Marketing-Blabla“ist in den Kommentaren auf der Facebookseite des Fanklubs Nationalmannschaft die Rede und von der „Nationalmannschaft & Co. KG“. Allerdings: Auch viele Worte des Zuspruchs und Treueschwüre sind dort zu lesen. Über allem dürfte letztlich immer der sportliche Erfolg stehen. Denn schon bei der WM 2014 hatte der DFB mit „#AnEurerSeite“einen eigenen Hashtag, die populäre Werbeaktion „Der 4. Stern für Deutschland“von Mercedes begann sogar schon 2010. Die Kritik blieb damals jedoch weitestgehend aus. Der Unterschied: Deutschland spielte begeisternden Fußball.