Augsburger Allgemeine (Land West)
Kleiner Biber auf großer Reise
Ein Tier kommt in einem Lechkanal nicht gegen den Strom an und wird von der Feuerwehr gerettet. Er landet erst in einer Klinik, dann im Tierheim – und wird nun nach Schottland gebracht. Wie es dazu kam
Irgendwann im Lauf der kommenden Monate wird ein Biber aus Augsburg in England ankommen. Wahrscheinlich im November, sagt der Wildbiologe Gerhard Schwab. Schwab lebt in Niederbayern und setzt sich für ein ungestörtes Zusammenleben von Mensch und Biber ein; manchmal zieht er auch selber Tiere groß.
Ab und an vermittelt er auch welche nach Großbritannien, etwa nach Schottland. Dort kamen Biber in freier Wildbahn nach Auskunft des „Scottish Wildlife Trust“bis 2009 nicht mehr vor, also siedelte man Tiere zum Beispiel aus Bayern an. Auch in England gibt es ein solches Wiederansiedlungsprojekt.
Zunächst aber zurück zum Augsburger Biber. Wie der in Großbritannien landen wird, ist eine längere Geschichte, die am Montagvormittag mit einem Anruf bei der Augsburger Feuerwehr beginnt. Passanten sehen, wie ein kleiner Biber im Vorderen Lech in der Altstadt vergeblich und allein gegen die Strömung anzukämpfen versucht. Die Feuerwehrleute holen das Tier nach Auskunft von Sprecher Friedhelm Bechtel schließlich mit einem Kescher aus dem Wasser.
Die erste Station der Biber-Odyssee ist eine Tierklinik. Untersuchung. Mit dem Biber scheint mittlerweile soweit alles in Ordnung zu sein. Ihn in Augsburg wieder auszusetzen, ist allerdings eine delikate Angelegenheit, wie Richard Weiß berichtet, Biberfachmann in der Unteren Naturschutzbehörde der Stadt. Der Biber sei von seiner Familie getrennt worden. Wenn man ihn nun irgendwo in Augsburg aussetze, sei die Wahrscheinlichkeit hoch, dass dort eine andere BiberFamilie ihr Revier habe – und es gegen das Tier verteidige. Die richtige Familie zu finden, sei unmöglich.
„Jungbiber müssen direkt in ihre Familie zurückgegeben werden“, sagt auch Gerhard Schwab, der von Weiß kontaktiert wird, als das Tier bereits in seiner zweiten Station angekommen ist: dem Augsburger Tierheim. Der Biber, sagt Geschäftsführerin Sabrina Gaßner, sei etwa ein Jahr alt und ein reizendes Tier. Zu jung, dass man ihn hier hätte auswildern können. Da Biber geschützte Tiere sind, besteht eine Meldepflicht – „und dann geht alles seinen Gang“, sagt Gaßner. Was in dem Fall heißt, dass der städtische Beauftragte Weiß kontaktiert wird. Der meldet sich bei Gerhard Schwab, zuständig für das Bibermanagement in Südbayern, weil er weiß, dass der schon einige solcher Tiere vermittelt hat. Und so wird der Biber schließlich am Mittwoch im Tierheim abgeholt, kommt zunächst in der Nähe von Deggendorf unter, von wo aus Gerhard Schwab ihn nach England in ein Freigehege vermitteln wird.
Kleiner Biber, große Reise. Nach Auskunft der Feuerwehr kommt es öfter vor, dass die Beamten von Bürgern gerufen werden, um einen Biber zu retten. Wie man sich verhalten soll, wenn man im Stadtgebiet auf ein solches Tier trifft? Sich den Bibern nicht nähern, sagt ein Jäger, der von dem Fall gehört hat. „Die Tiere flüchten, wenn sich Menschen nähern – und lassen ihre Jungtiere zurück.“Auch Richard Weiß von der Unteren Naturschutzbehörde sagt, man soll Jungtiere eher in Ruhe lassen – zumindest, wenn sie sich noch irgendwo festhalten können. Oft würden sie am nächsten Tag von den Alttieren abgeholt. Junge Biber, die ihre Familie verloren haben, kämen allein aber oft nicht durch.
Im Zweifelsfall soll man sich an die Behörde wenden.