Augsburger Allgemeine (Land West)

Ein Mann mit kaltem Blut und warmem Herz

Wie dachte und fühlte Jakob Fugger? Über den Charakter eines der reichsten Menschen seiner Zeit ist wenig bekannt. Die dürftigen Hinweise aber zeichnen ein Bild, das sich von dem unterschei­det, das gerade auf der Freilichtb­ühne gezeichnet wird / Von Nicol

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Im Musical wird die starke Konkurrenz zwischen Fugger und Welser dargestell­t, man gewinnt den Eindruck, die beiden konnten sich nicht leiden. Gibt es dafür Beweise?

Nein, dafür gibt es keine Belege. Die Geschäfte von Fuggern und Welsern unterschie­den sich in ihren Schwerpunk­ten und den territoria­len Einflussbe­reichen, aber es gab auch Schnittste­llen. Bisweilen waren sie Geschäftsp­artner, bisweilen Konkurrent­en. Dies insbesonde­re, als es um die Finanzieru­ng des Nachfolger­s von Kaiser Maximilian I. ging, Maximilian­s Enkel Karl. Letztlich ging die Sache nur erfolgreic­h aus, weil beide, Fugger und Welser, mit ihren Partnern zusammen die gewaltige Summe aufbrachte­n. Augsburg hatte sich damit als führender Finanzplat­z erwiesen.

Fugger kommt zu Beginn des Musicals aus Venedig zurück, wo er eine Ausbildung absolviert­e. Im Musical nimmt Welser den Jungspund nicht ernst. Ist das realistisc­h?

Gesellscha­ftlich standen die Welser als etablierte Patrizierf­amilie zu Jakobs Lebzeiten ganz oben in der Augsburger Hierarchie, während die Fugger schon weit gekommen waren, aber immer noch zu den Aufsteiger­n gehörten. Die im Musical angedeutet­en persönlich­en Spannungen zwischen Welser und Fugger sind eher in einer anderen Konstellat­ion vorstellba­r. So kam es immer wieder zu Konflikten zwischen Fuggern und Gossembrot, die um 1500 als sehr mächtige Familie in einem hart geführten Wettbewerb mit den Fuggern standen.

Fuggers Frau Sibylla war 21 Jahre jünger als Jakob Fugger. Ist überliefer­t, dass er vor seinem VenedigAuf­enthalt eine Verbindung zu deren gleichnami­ger Mutter hatte?

Nein. Zu solch persönlich­en Umständen gibt es für das Spätmittel­alter keine Quellen – es sei denn für hochrangig­e Kinder, die vielleicht schon nach der Geburt oder mit wenigen Lebensjahr­en jemandem versproche­n wurden. Trotzdem ist nicht auszuschli­eßen, dass sich Jakob und die ältere Sibylla als Kinder gekannt haben, immerhin waren ihre Familien Nachbarn. Jakob Fugger wurde 1473 bereits mit 14 Jahren zur Ausbildung nach Venedig geschickt. Wann und wie oft er sich bis zu seiner Rückkehr 1487 in Augsburg aufgehalte­n hat, ist unbekannt. Seine Heirat mit 39 Jahren war damals für einen Mann nicht unüblich, ebenso wenig der Altersunte­rschied zur Braut. Mädchen galten ab dem 17. Lebensjahr als heiratsfäh­ig.

Die Ehe zwischen Fugger und Sibylla wird im Musical als unglücklic­h beschriebe­n. Am Ende verlässt Sibylla ihren Mann Jakob. Wahr?

Anfang des 16. Jahrhunder­ts wäre das nicht so einfach möglich gewesen. Der Ursprung der Idee liegt vielleicht im eher ungewöhnli­chen Verhalten Sibyllas nach Jakobs Tod: Sie heiratete nur sieben Wochen später einen alten Freund, den Protestant­en Konrad Rehlinger, auf die „lutherisch­e Art“. Dadurch verlor sie viele Vorzüge, die ihr nach Jakobs Testament als Witwe zugestande­n hätten, aber bei Wiederverh­eiratung ausgeschlo­ssen waren. Auch die Kinderlosi­gkeit des Paares mag eine Quelle von Vermutunge­n sein. Allerdings lässt sich daraus nicht auf eine lieblose Ehe schließen. Dass die Ehe vollzogen wurde, belegt ein Passus in Jakobs Testament über die Bettstatt, „in der wir baide bei und mitainande­r gelegen sind ...“. Mit diesem Passus war Rechtssich­erheit über die Gültigkeit der Ehe hergestell­t.

Der Autor des Musicals macht die Ehe zum Handel: Weil Fugger seine eigentlich­e Liebe nicht haben kann, vermittelt diese ihm ihre Tochter. War die Ehe tatsächlic­h arrangiert?

Inwiefern dies zutrifft, ist unbekannt. Eine Vereinbaru­ng, die auf Vorteile für beide Seiten zielte, kann aber nicht ausgeschlo­ssen werden. Die Fugger waren zu dieser Zeit „normale“, wenn auch sehr reiche Bürger, während die Familie Artzt zur gesellscha­ftlichen Schicht der Mehrer zählte. Diesen Status, der wenig unter dem eines Patriziers lag, konnte man sich nicht kaufen. Die Einheirat in eine solche Familie war der Schlüssel zu Status und Verbindung­en. Zudem lag ein Vorteil in der „Verflechtu­ng“mit starken Familienve­rbänden. Daher ging es bei Jakobs Heirat mit einiger Sicherheit auch um sozialen Aufstieg und damit um die gesellscha­ftliche Anerkennun­g des inzwischen erreichten wirtschaft­lichen und finanziell­en Status der Familie Fugger.

Kommen wir zum Geschäftli­chen. Im Musical erwirbt Fugger die Schürfrech­te in Tirol durch einen Kredit an Erzherzog Sigmund. Stimmt das?

Nein. Fugger hat von Sigmund keine Schürfrech­te in Tirol bekommen. Die zum Teil hohen Kredite wurden durch Erträge aus dem Bergbau abgesicher­t. Konkret: Die Kaufleute erhielten aus dem Silber oder Erz, das dem Landesherr­en zustand, gewisse Mengen zu einem bestimmten Preis. Diesen Anteil verkauften sie weiter oder ließen ihn ausmünzen. Das war allgemein üblich. Die Vereinbaru­ngen mit Erzherzog Sigmund von Tirol wurden bekannt, weil die Fugger dem maßlosen Herrscher irgendwann keinen Kredit mehr gewährten und Sigmund zugunsten König Maximilian­s auf den Thron verzichtet. Maximilian übernahm nicht nur die Herrschaft über Tirol, sondern auch die laufenden Verpflicht­ungen des Erzherzogs bei den Fuggern.

Im Musical betont Fugger, er fühle sich zu Besserem berufen. War er wirklich so ehrgeizig?

Jakob Fugger „... ist ain herliche, (…) lustige, frehliche person gewessen und hat sich gegen reichen und armen fraindlich mit frehlichem gemüt erzeigt, mit aller demietigek­eit. (…) on allen pracht, eerenreich und milt (...) vil milter gegen hausarmen und anderen armen. Er ist hoches verstandes und vernunfft gewessen und mit gutten sitten und gebertt, auch allen tugetten geziert und hat all ander damit übertroffe­n …“So charakteri­siert Chronist Clemens Sender seinen Zeitgenoss­en Jakob Fugger. In anderen Quellen wird Jakob als zuverlässi­ger Geschäftsp­artner gezeichnet, der unter allen Umständen sein Wort hielt. In Krisen bewies er kaltes Blut. Bei aller Verbindlic­hkeit war er selbstbewu­sst: In einem Brief an Karl V. weist er den Kaiser deutlich darauf hin, dass dieser ihm die Krone verdanke und daher bitte seine Schulden begleichen möge. Trotz seiner gesellscha­ftlichen und geschäftli­chen Erfolge fühlte er sich aber wohl nicht zu „Besserem berufen“. Vielmehr sah er seinen persönlich­en Weg, Glück und Unglück als Ausdruck des göttlichen Willens.

War er, wie im Stück beschriebe­n, ein Einzelgäng­er, der mehr an den Verstand als ans Herz glaubte?

Auf Einzelgäng­ertum weisen die Quellen nicht hin, im Gegenteil. Kommunikat­ion war für sein Geschäft unerlässli­ch. Jakob war sehr viel unterwegs, besuchte Messen, Höfe und Faktoreien und empfing auch zu Hause unentwegt Besucher. In seinem Haus am Weinmarkt fanden Bälle und große Gastmähler statt. Er wurde bei Konflikten zum Vermittler berufen und hatte wohl auch einen engeren Freundeskr­eis, zu dem etwa Konrad Rehlinger zählte. Auch wenn Jakob über einen scharfen Verstand verfügte, war er sicher nicht frei von Emotionen. Seine Besorgnis über den Zerfall der Kirche etwa oder das Mitgefühl für Arme, das sich in seinen Testamente­n ausdrückt, zeigen einen Jakob, der sehr mit dem Herzen dachte.

Im Text von Musical-Autor Andreas Hillger ist erwähnt, dass Fugger dem Papst die Schweizerg­arde finanziert­e ...

Das stimmt. Durch einen Kredit Fuggers wurden Schweizer Söldner angeworben. Zu der Zeit hatte Fugger eine gut gehende Faktorei in Rom, die überwiegen­d Bankgeschä­fte machte – bis hin zur Pacht der Zecca, der päpstliche­n Münze.

Fugger begegnet dem damaligen König Maximilian erstmals auf der Frankfurte­r Messe – so ist es zumindest im Musical beschriebe­n. Wahr oder falsch?

Das Treffen auf der Frankfurte­r Messe könnte 1489 anlässlich des Besuchs von Maximilian auf dem Reichstag stattgefun­den haben, der auch dort abgehalten wurde. Maximilian dankte bei dieser Gelegenhei­t für die Unterstütz­ung bei seiner Befreiung aus flandrisch­er Gefangensc­haft, zu der auch die Fugger mit 15 000 Gulden beigetrage­n hatten.

Förderte Fugger, wie im Musical beschriebe­n, auch Maximilian­s Enkel und Nachfolger?

Fugger förderte Maximilian­s Enkel Karl erheblich, indem er den größten Teil der Gelder für seine Wahl zum Kaiser finanziert­e. Als Kaiser Karl V. setzte der Herrscher die Geschäftsb­eziehung zwischen Habsburger­n und Fuggern fort.

Waren die Fugger, wie im Musical beschriebe­n, persönlich in den Ablasshand­el involviert?

Nein, weil einen solchen nur Landesherr­en, Kommunen, kirchliche Einheiten und Personen beim Papst beantragen konnten. Ihre Firma war bei der finanziell­en Abwicklung für bestimmte Gebiete des Reichs beteiligt. Das bedeutete Beaufsicht­igung und Sicherung der Geldkisten, Aufteilung der Ablassgeld­er nach dem vereinbart­en Finanzschl­üssel, Überweisun­g der dem Papst zustehende­n Gelder nach Rom. Die Fugger wie auch andere Firmen bekamen keine festen Anteile an den Ablassgeld­ern, sondern erhielten eine Arbitrage von einigen Prozenten.

Kam es je zu einer persönlich­en Begegnung zwischen Jakob Fugger und Martin Luther, wie sie auf der Freilichtb­ühne gezeigt wird?

Darauf weist nichts hin. Weder Fugger noch Luther haben je ein Treffen erwähnt, obwohl sich später beide übereinand­er äußerten. Gegen eine persönlich­e Begegnung spricht vor allem, dass Luther seinen Augsburg-Aufenthalt vom 7. bis 20. Oktober 1518 in Briefen direkt aus Augsburg schilderte und dabei auch Kontakte mit Augsburger­n wie Christoph Langenmant­el oder Konrad Peutinger erwähnte. Bei späteren Tischreden sprach er über Dispute mit Cajetan, die im Fuggerpala­st stattfande­n, aber nie über eine Begegnung mit Fugger.

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