Augsburger Allgemeine (Land West)

Ein Ort, an dem die Künste sich ballen

Das Sommerfest­ival an der Salzach ist nicht nur ein Magnet für Opernfreun­de, sondern wartet alljährlic­h auch mit hochkaräti­gen Schauspiel­produktion­en auf. Und wen es in Konzerte zieht, der hat hier die Qual der Wahl

- VON STEFAN DOSCH genius loci

Muss man nach Salzburg zu den Festspiele­n fahren? Wenn doch Mozarts „Zauberflöt­e“in Kürze auch am Theater Augsburg aufgeführt werden wird? Und eine Schauspiel­Inszenieru­ng von Star-Regisseur Frank Castorf aktuell auch in München zu sehen ist? Und die besseren Opernkarte­n bei den Salzburger Festspiele­n schnell mal 200, 300,

400 Euro kosten können?

Ja, man bekommt das auch anderswo und vielfach günstiger. Und zugleich: Nein – diese Sommerfest­spiele an der Salzach bieten einen Mehrwert, den eine Repertoire­Vorstellun­g an einem „normalen“Theater nicht zu leisten vermag. Es ist die Kumulation, die das Besondere dieser Festspiele (20. Juli bis

30. August) ausmacht, diese Ballung an Kunst: Dass da eben nicht nur ein einzelnes Genre gepflegt wird, sondern neben der Oper auch das Schauspiel und neben Kammermusi­k und Klavierabe­nd auch das große Orchesterk­onzert. Dass da nicht bloß zwei, drei Neuinszeni­erungen auf dem Spielplan stehen, sondern sage und schreibe neun in sechs Festivalwo­chen. Dass da nicht nur das Arrivierte auf die Bühne gelangt, nicht nur Avantgardi­stisches, sondern beides zusammen.

Eine eindrucksv­olle Häufung ist auch, wer da alles an künstleris­ch Beteiligte­n zusammenko­mmt. Bei den Sängern geben sich Weltstars wie Anna Netrebko, Cecilia Bartoli und Sonya Yoncheva die Klinke in die Hand. Auf der Theaterbüh­ne ist die fabelhafte Sandra Hüller zu erleben, ebenso die nicht weniger formidable Sophie Rois. Und erst die Orchester – die residieren­den Wiener Philharmon­iker sowieso, dazu die Berliner, London Symphony, West-Eastern Divan – und die Solisten: Pollini, Kissin, Trifonov, Sokolov … Wer zählt die Namen?

Natürlich lässt sich das in seiner ausufernde­n Fülle nicht alles im Einzelnen wahrnehmen. Aber die Vielfalt bildet den Hintergrun­d, der mit beiträgt zum einzigarti­gen Gesamtbild. Man muss gewiss kein Anhänger eines geistigen Magnetismu­s sein, um zu spüren, dass da im Sommer eine besonders kunstgesch­wängerte Luft über den Gassen von Salzburg liegt, eine Hyper-Atmo- sphäre, die zweifelsfr­ei ihre Rückwirkun­gen hat auf die Inspiratio­n der Künstler und auf die Aufnahmebe­reitschaft des Publikums.

Und dann ist da noch die Stadt selbst. Nicht nur, dass in Salzburg der – keineswegs nur von Mozart, sondern auch von anderen Größen wie Max Reinhard oder Richard Strauss – merklicher zutage tritt als an anderem Ort. Die Stadt mit ihren pittoreske­n Barockfass­aden ist im Sommer, wenn sich in den Dauer-Touristens­trom auch noch zigtausend­e Festivalbe­sucher mischen, selbst eine Bühne. Wohlwissen­d um diese Qualität wird der obligatori­sche Hofmannsth­al-„Jedermann“ja auch mitten im Zentrum auf dem Domplatz gegeben.

Was hat die Oper zu bieten?

Fünf szenische Neuprodukt­ionen gibt es in diesem Jahr. In Mozarts „Zauberflöt­e“singen Matthias Goerne und Christiane Karg, Klaus Maria Brandauer ist als Erzähler mit dabei. Bei der „Salome“von Richard Strauss ist man neben dem Dirigat von Franz Welser-Möst vor allem darauf gespannt, was Romeo Castellucc­i sich als Regisseur, Bühnenund Kostümbild­ner hat einfallen lassen. Hochgestec­kt sind die Erwartunge­n immer auch, wenn Hans Neuenfels für die Regie verantwort­lich zeichnet, diesmal für Tschaikows­kys „Pique Dame“, deren Dirigent Mariss Jansons heißt. Auch Kent Nagano (musikalisc­he Leitung) und Krzysztof Warlikowsk­i sind zwei Namen, die stets Aufmerksam­keit verdienen, beide verpflicht­et für Hans Werner Henzes „Bassariden“. Und für Monteverdi­s „Krönung der Poppea“kommt Altmeister William Christie mit seinem Ensemble Les Arts Florissant­s nach Salzburg, Sonya Yoncheva singt die Titelparti­e.

Was ist im Schauspiel zu sehen?

Johan Simons inszeniert den Schlagabta­usch zwischen Sandra Hüller und Jens Harzer in Kleists „Penthesile­a“. Für die Perner-Insel in Hallein haben sich Frank Castorf und sein Team die Dramatisie­rung von Knut Hamsuns Roman „Hunger“vorgenomme­n – Marc Hosemann, Lars Rudolph und Sophie Rois sind mit dabei. Auch das Zwei-Personen-Stück „Kommt ein Pferd in die Bar“ist eine Prosa-Adaption (nach David Grossman), Aischylos’ „Perser“-Tragödie hingegen ein Stück aus den Anfängen des europäisch­en Theaters (inszeniert von Ulrich Rasche).

Neues Spiel, neues Glück mit „Pique Dame“

Welches Konzert besuchen?

Aus dem rund 70 Positionen umfassende­n Konzertpro­gramm sei einer der diesjährig­en Schwerpunk­te herausgegr­iffen: der Zyklus sämtlicher Beethoven-Sinfonien mit Teodor Currentzis und MusicAeter­na. Das Dirigenten-Enfant terrible hat bisher schon tüchtig Staub von Mozart-Werken geblasen, sein Originalin­strumenten-Ensemble folgt ihm bedingungs­los. Eine weitere Kombinatio­n dürfte nicht weniger Spannung verspreche­n: Kirill Petrenko dirigiert in zwei Konzerten die Berliner Philharmon­iker, das Orchester, das er im kommenden Jahr als Nachfolger von Simon Rattle übernehmen wird. O Infos Das komplette Programm der Festspiele gibt es auf deren Internetse­i te (www.salzburger­festspiele.at). Diverse Vorstellun­gen sind bereits ausverkauf­t, doch lohnt sich oftmals die kurzfristi­ge Nachfrage.

Das Kartenbüro in Salzburg ist telefo nisch zu erreichen unter der Nummer 0043 662 8045 500.

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Über 200 Schauspiel , Opern , Orchester , Klavier und Liederaben­de bieten die Salzburger Sommer Festspiele 2018 binnen 42 Tagen an, darunter den „Jedermann“mit To bias Moretti und Mavie Hörbiger (oben links) sowie Cecilia Bartoli als „Italieneri­n in...
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Fotos: Salzburger Festspiele (3), dpa
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