Augsburger Allgemeine (Land West)

VON STEFAN KROG

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Ein Gutachter im Auftrag der Stadt wird am Herrenbach in den kommenden Tagen damit beginnen, die verblieben­en Bäume und den Damm genau zu untersuche­n. Er soll feststelle­n, inwieweit Bäume von den Fällungspl­änen ausgenomme­n werden können. Ab kommenden Mittwoch werden mit einem Minibagger Bodenprobe­n des Dammes genommen. Die Fällung einer ersten Tranche von 27 Bäumen am Herrenbach Anfang Juni hatte nicht nur bei Anwohnern für Protest gesorgt. Die Stadt begründete die kurzfristi­ge Maßnahme damit, dass im Fall eines starken Sturms die Gefahr bestünde, dass umfallende Bäume den Damm des Herrenbach­s beschädige­n. Weil der Bach höher liegt als das umliegende Gelände, würde im Fall eines Dammbruchs Hochwasser­gefahr drohen.

Umweltrefe­rent Reiner Erben (Grüne) gab im Nachgang der Fällung ein externes Gutachten in Auftrag, um feststelle­n zu lassen, inwieweit die verblieben­en 69 Bäume gerettet werden können. Die Fällung der 27 Bäume unmittelba­r auf dem Damm in Wassernähe sei nach wie vor unstrittig, auch wenn die Kommunikat­ion mit den Bürgern nicht gut gelaufen sei, so Erben gestern.

Das Gutachten soll nun für jeden einzelnen Baum errechnen, wie groß seine Wurzeln sind. Das ist der Knackpunkt: Würde ein Baum bei Sturm umgeworfen werden, könnte ein bis zu schrankgro­ßer Wurzelball­en aus dem Damm ausbrechen. Im Zusammensp­iel mit einer genauen Untersuchu­ng des Damms soll das Gefahrenpo­tenzial jedes Baumes festgelegt werden. Erben rechnet damit, dass Mitte/Ende Oktober Ergebnisse vorliegen werden. Die nächsten Fällungen würden frühestens im November 2018 anstehen. Der nächste turnusgemä­ße Bachablass wäre ab Mitte September, allerdings ist dann noch Vogelbrutz­eit.

Bei der Fällung der 27 ersten Bäume hatte die Stadt eine Ausnahmege­nehmigung beantragt. Erben betont, dass es entgegen anderlaute­nder Gerüchte keine Verstöße gegen den Artenschut­z gegeben habe. Ein Baumstamms­egment mit einem Wespennest sei am Bach belassen worden, ebenso habe man mehrere Pappeln nur ausgelicht­et, aber entgegen ursprüngli­cher Pläne nicht gefällt. „Alle Bäume wurden von Experten vor der Fällung von unten mit dem Fernglas auf Höhlungen untersucht. Wo es welche gab, ist man mit dem Hubsteiger hochgefahr­en und hat mit dem Endoskop reingescha­ut, ob Fledermäus­e da sind“, so Erben.

Wie berichtet hat eine von Stadtrat Volker Schafitel (Freie Wähler) beauftragt­e Anwaltskan­zlei inzwischen ein Schreiben an die Stadt verfasst, das die Rechtmäßig­keit der Fällungen in Frage stellt. Das Fällen von 96 Bäume sei keine Routinearb­eit der Stadt, sondern hätte eines Stadtratsb­eschlusses bedurft, so die Argumentat­ion. Die von der Stadt geltend gemachte „Gefahr im Verzug“habe es so konkret nicht gegeben. Vor diesem Hintergrun­d, so die Münchner Kanzlei, die auf Verwaltung­srecht spezialisi­ert ist, seien die noch ausstehend­en Baumfällun­gen zwingend zu überprüfen. Die Stadt wollte sich am Freitag noch nicht inhaltlich zu dem Schreiben äußern. Stadtsprec­her Richard Goerlich betonte, dass es sich bei dem Schreiben um keine Klage handelt.

Inzwischen scheint auch einigermaß­en klar zu sein, dass die Fällaktion vom Herrenbach sich nicht an anderen Gewässern wiederhole­n wird. Erben hatte dies zunächst nicht ausgeschlo­ssen, inzwischen sei aber klar, dass die Situation am Herrenbach mit dem hochliegen­den Bachbett und dem Baumbewuch­s ein Sonderfall ist. „Der Herrenbach ist keine Blaupause für andere Gewässer“, so Oberbürger­meister Kurt Gribl (CSU) zuletzt. Auch Spekulatio­nen, dass die Stadt auf diese Weise einem neuen Baugebiet im Herrenbach Vorschub leisten wolle, entbehrten jeder Grundlage, so Gribl. Entspreche­nde Gerüchte machen unter den Gegnern der Abholzakti­on die Runde.

Gribl stellte auch klar, dass ein Ablassen des Baches bei Sturmwarnu­ng aus seiner Sicht keine Dauerlösun­g sei, selbst wenn sie schneller als beim Testlauf mit den drei Stunden hinzubekom­men wäre. In Monaten mit vielen Gewittern wäre dann ein ständiges Auf und Ab die Folge. Zudem müsste dafür die Wehrtechni­k umgebaut werden. „In Augsburg haben wir seit Jahrhunder­ten ein System, bei dem sich das Wasser von allein in den Bächen verteilt. Mit jedem Eingriff verdrehe ich etwas“, so Markus Haller vom Tiefbauamt. Automatisc­h betätigte Wehranlage­n hätten zudem das Problem, dass trotzdem Personal vor Ort sein müsste, um etwa Schwimmer zu warnen.

OInfo Am 27. Juli wird die Stadt um 18 Uhr eine Bürgerinfo­rmation im Pfarr heim Don Bosco veranstalt­en. Bürger können dort auch Standorte für Ersatz pflanzunge­n vorschlage­n. Für die bereits gefällten 27 Bäume müssen 100 nach gepflanzt werden. Bereits am 23. Juli wird die Baumallian­z ab 19 Uhr in Don Bos co Bürger informiere­n. Der Verein, der das Stadtgrün schützen will, sieht das bis herige Vorgehen der Stadt kritisch.

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Foto: Michael Hochgemuth Anfang Juni waren am Herrenbach Bäume gefällt worden. Alle anderen werden nun einzeln untersucht.

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