Augsburger Allgemeine (Land West)
Wird nie mehr an der Uhr gedreht?
Ganz Europa diskutiert über das Ende der Sommerzeit. Wie es Menschen im Augsburger Land sehen, die damit befasst sind
Landkreis Augsburg Für den Kutzenhauser Gemeinderat Franz Bossek stellt die Zeitumstellung zweimal im Jahr eine Gängelung der Bürger dar. Die Menschen seien genervt und auch die Wissenschaft bestätige schon lange, dass die Umstellung keine nennenswerten Vorteile bringe. „Die Einführung war eine politische Entscheidung, die Abschaffung ist es auch“, sagt Bossek, der vergangenes Jahr im Augsburger Land mit der Forderung nach einem Ende der Zeitumstellung für die Grünen in den Bundestagswahlkampf zog.
Schon lange zu den Gegnern der unsinnigen Zeitumstellung zählt nach eigenem Bekunden der CSUEuropaabgeordnete Markus Ferber (Bobingen). Er setzt auf die noch bis 16. August laufende Online-Umfrage der Europäischen Kommission, die auf riesiges Interesse stößt. Ferber: „Die Chancen stehen nun gut, dass die 1980 eingeführte Sommerzeitregelung zurückgenommen wird.“
Deren Gegner verweisen oft auf gesundheitliche Aspekte. Der Hausarzt und Ärztesprecher Jakob Berger aus Meitingen gibt ihnen recht: „Die Umstellung der Uhr führt zu einem gestörten Biorhythmus und damit zu einem erhöhten Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle. Hinzu kommen Schlaf- und Konzentrationsstörungen. Dies ist besonders für Kinder problematisch.“Er spricht sich klar für eine dauerhafte Winterzeit aus: „Die innere Uhr eines jeden Menschen entspricht nämlich der Winterzeit. So erholt der Schlaf vor Mitternacht auch mehr als der danach.“Aber auch eine dauerhafte Sommerzeit würde der Arzt akzeptieren. „Solange die Umstellung wegfällt und der Biorhythmus nicht mehr gestört wird, ist bereits einiges gewonnen. Vor allem Kinder profitieren davon.“
Auch Sigrid Puschner, Rektorin an der Mittelschule Gersthofen, bevorzugt die Winterzeit: „In der Pubertät zum Beispiel stellt sich der Schlafrhythmus um. Man geht später schlafen und steht ungern früh auf. Die Sommerzeit ermuntert, spät ins Bett zu gehen. Gleichzeitig geht die Sonne eine Stunde später auf und erschwert damit das Aufwachen. Dies wirkt sich auf die Konzentration der Schüler aus.“
Dieser Meinung schließt sich Iris Eberl, stellvertretende Direktorin des Paul-Klee-Gymnasiums in Gersthofen, an: „Meiner Überzeugung nach fällt es den Schülern im Winter leichter aufzustehen. Sie sind wacher und konzentrierter im Unterricht.“Die Politik sei nun in der Pflicht, die Interessen der Kinder zu vertreten und diese zu schützen, sagt die frühere CSU-Bundestagsabgeordnete.
Als man die Sommerzeitregelung 1980 auf EU-Ebene einführte, war einer der wichtigsten Argumente die erhoffte Energieeinsparung im Sommer. Fast 40 Jahre später lasse sich nun sicher sagen, dass die Ersparnisse nur sehr gering und auch noch von der geografischen Lage des jeweiligen Landes abhängig seien, räumt die EU-Kommission ein.
Allerdings scheint sich auch manches Gegenargument überholt zu haben. So gab es anfangs in der Landwirtschaft Bedenken, dass frühere Melk-und Futterzeiten den Biorhythmus der Tiere durcheinanderbringen.
Markus Peters, Pressesprecher des Bayerischen Bauernverbands sagt aber: „Seit Einführung der
Auf dem Bauernhof regiert die Technik. Und der ist die Uhrzeit egal
Melkroboter in den Kuhställen oder der automatisierten Fütterung in den Schweineställen hat die Zeitumstellung für die Landwirtschaft an Bedeutung verloren.“Bauern und Tiere hätten immer mehr getrennte Tagesabläufe. Peters: „Ob am Ende die Zeitumstellung bleibt oder es nur noch Winter- beziehungsweise Sommerzeit gibt, ist zumindest für uns kein kriegsentscheidendes Thema mehr.“
Klar ist: Falls die Zeitumstellung wegfällt, soll am Ende jedes Land nochmals für sich entscheiden dürfen, ob entweder die Sommer- oder die Winterzeit bleiben soll.
Nach Bosseks Einschätzung sind die meisten Menschen in Deutschland jedenfalls Anhänger der Sommerzeit – er würde für sie sogar ein besonderes Opfer bringen: „Bevor eine dauerhafte Winterzeit eingeführt wird, soll eher die halbjährige Sommerzeit beibehalten werden. Ich zumindest würde dann lieber die Zeitumstellung in Kauf nehmen, bevor die Sommerzeit ganz verschwindet“