Augsburger Allgemeine (Land West)
Die Bücherei im Dinkelscherber Bahnhof ?
Der Kindergarten im Pfarrzentrum soll größer werden und will die Räume der Gemeindebücherei nutzen. Die SPD-Fraktion hält nichts von einem Umzug. Vorteile gibt es aber, wie ein Beispiel aus Unterfranken zeigt
Dinkelscherben Es ist ein ganz anderer Ansatz: Die Bücherei kommt dorthin, wo es die meiste Bewegung im Ort gibt – an den Bahnhof. Diese Idee hat vor Jahren die fränkische Gemeinde Veitshöchheim im unterfränkischen Landkreis Würzburg umgesetzt. Dort zog die Einrichtung in einen denkmalgeschützten Bahnhof. Jetzt überlegen die Dinkelscherber Marktgemeinderäte, ob auch ihre Gemeindebücherei in den Bahnhof könnte.
Dort steht derzeit das Erdgeschoss zur Verfügung. Im ersten und zweiten Stock kommen anerkannte Flüchtlinge unter. Im Pfarrzentrum, wo sich die Gemeindebücherei derzeit befindet, könnte es eng werden. Die Kirchenverwaltung möchte den Kindergarten St. Anna am Auer Kirchweg erweitern: Im Pfarrzentrum soll eine fünfte Gruppe eingerichtet werden. Außerdem sollen im Erdgeschoss ein Gymnastikraum und eigene Sanitärräume für die Kinder eingebaut werden. Eventuell könnte das Pfarrzentrum auch noch einen Aufzug bekommen. Der Marktrat hatte diesem Vorhaben im Januar zugestimmt – unter der Bedingung, dass das Landratsamt Augsburg den Bedarf anerkennt und die Wirtschaftlichkeit gegenüber Alternativen geprüft wird. Dies sei auch nötig, um staatliche Fördergelder zu bekommen, betont Bürgermeister Edgar Kalb. Die Diözese will die Baumaßnahmen mit 25 Prozent bezuschussen.
Als Alternativstandorte für die Bücherei brachte Tobias Mayr (CSU) die Schule und den Rathausstadel ins Gespräch. Die SPD-Fraktion im Marktgemeinderat regte eine Diskussion über die Bücherei am Bahnhof an. In ihrem Antrag macht die SPD deutlich, dass für sie der Standort Bahnhof nicht ideal erscheint. Wörtlich heißt es: „Für Kinder ist er viel schwerer zu erreichen als der bisherige. Es wird darauf hinauslaufen, dass vermehrt mit dem Auto gefahren wird, denn die Zentralität der Bücherei ist einer der Faktoren, warum sie so gute Ausleihzahlen hat. Nach der Kirche schnell in die Bücherei, diese Möglichkeit wäre dann nicht mehr gegeben. Genauso wenig könnten die Kindergartenkinder von St. Anna über die Treppe fußläufig in die Bücherei gelangen – so wie bisher.“Laut SPD sei auch zuerst einmal zu klären, ob sich eine Kindergartener- laut Annette Luckner nicht auch auf dem freien Areal am Pfarrzentrum umsetzen ließe.
In der jüngsten Sitzung des Gremiums schilderte die neue Büchereileiterin Gabi Kuen, was sie von den Plänen hält. Sie sei zuerst entsetzt gewesen, als sie davon gehört hatte. Doch nach einer Fortbildung, bei der sie sich mit Kollegen darüber ausgetauscht hatte, kam sie dem Thema wieder näher. „Es kann ein Vorteil sein, wenn die Bücherei an ein belebtes Zentrum kommt“, sagte Kuen. Und ganz klar: „An einem Ort ohne Leben hat eine Bücherei nichts zu suchen.“
Was für eine Bücherei am Bahnhof spricht, wäre die Barrierefreiheit. Die werde auch bei Zertifizierungen immer wieder abgefragt. Im Bahnhof hätte die Einrichtung auch etwa 25 Quadratmeter mehr Platz, was für ein zusätzliches Café sprechen würde. Ein Parkplatzproblem wie am alten Standort würde außerdem der Vergangenheit angehören. Außerdem müsste die Gemeinde keine Miete mehr bezahlen – ihr gehört der Bahnhof. Gemeinderat Albert Zott sagte, dass mit dem Bahnhof auch „neue Kundschaft“akquiriert werden könnte.
Die gibt es auch in Veitshöchheim am Main – das Beispiel im Landkreis Würzburg kam in der Sitzung des Gemeinderats zur Sprache. Dort übernahm die 10 000-EinwohnerGemeinde das alte Bahnhofsgebäude, als eine Schnelltrasse gebaut wurde.
Durch die neue Lage hätten sich dann im Lauf der Zeit die Mitglieweiterung derzahl und auch die Ausleihen verdoppelt, berichtet die stellevertretende Leiterin Yvonne Bräunig. „Die Bücherei im Bahnhof ist ein Vorzeigeobjekt geworden. Sie wird mittlerweile super angenommen.“Immer wieder kämen laut Bräunig auch Touristen, die sich freuen und sagen: „Es gibt so viele Bahnhöfe, die vergammeln.“