Augsburger Allgemeine (Land West)

Eine Französin sucht nach Spuren ihres Vaters

Als Rose-Marie Duval 17 war, erfuhr sie von ihrem deutschen Vater. Mit 75 Jahren kam sie nun nach Augsburg und fand einige Antworten. Ein Wunsch blieb aber noch unerfüllt

- VON CAROLIN STEINKE Repro: Annette Zoepf

Sonntag, 15. Juli, das Spiel Frankreich gegen Kroatien hat gerade begonnen. Mitten unter der jubelnden Menge beim Public Viewing in der Maxstraße ist die 75-jährige RoseMarie Duval. Sie ist mit ihren beiden Enkeltöcht­ern Emma und Léa Wrobel und deren Freund Erwann Masurel aus Hirson in Nordfrankr­eich. Das Fußballspi­el war bereits ein großer Nervenkitz­el für RoseMarie Duval und am Ende ein Grund zur Freude. Trotzdem war der WM-Sieg der Franzosen nichts im Vergleich zu dem, was sich in den folgenden Tagen ereignen sollte. Denn Rose-Marie Duval kam nach 73 Jahren nach Augsburg zurück, um ihren deutschen Vater zu suchen, beziehungs­weise dessen Spuren. Mit Spuren meint sie ein Foto von ihm und seine Grabstätte. „Das ist wirklich alles, was ich sehen möchte“, sagt Rose-Marie Duval. Doch was sich zu Beginn nach einem einfach zu erfüllende­n Wunsch anhörte, entpuppte sich als schwierige­r als gedacht. Das liegt wohl an der etwas komplizier­ten Vergangenh­eit der Familie.

Rose-Maries Vater, Rudolf Dieminger, lernte ihre Mutter Monique Mené während des Zweiten Weltkriegs in Augsburg kennen. Die Französin, die in Augsburg in einer Streichhol­zfabrik arbeitete, verliebte sich in den deutschen Soldaten und wurde schwanger von ihm. Ihr gemeinsame­s Kind musste Monique Mené jedoch 1943 in Frankreich zur Welt bringen, da Rudolf Diemingers Eltern die Französin nicht akzeptiert­en und die erforderli­chen Papiere für die Geburt nicht unterschre­iben wollten. Nach Rose-Ma- Duvals Entbindung kehrte ihre Mutter nach Augsburg zurück und blieb dort weitere zwei Jahre.

Gegen Ende des Kriegs ging Monique Mené wieder nach Frankreich und heiratete dort einen Franzosen namens Gilbert Berteaux. Dieser Mann nahm Rose-Marie Duval als sein eigenes Kind an, das Mädchen wuchs als Rose-Marie Berteaux auf. Erst im Alter von 17 Jahren erfuhr sie, dass Gilbert Berteaux nicht ihr richtiger Vater war. „Seitdem denke ich jeden Tag an Rudolf und frage mich, wie er wohl war.“Rose-Marie war Rudolf Diemingers einzig leib- liches Kind; so viel hat sie schon herausgefu­nden. Er war zwar verheirate­t, die Ehe blieb kinderlos.

Nach dem Tod ihres Mannes im letzten Jahr, begann Rose-Marie Duval ihre Reise nach Deutschlan­d zu planen. Endlich wollte sie erfahren, wo ihre Wurzeln liegen, um Frieden mit ihrer Vergangenh­eit schließen zu können. Ihre Enkel Emma und Léa Wrobel und deren Freund Erwann Masurel entschiede­n sich dazu, Rose-Marie Duval bei ihrem Plan zu unterstütz­en.

In Augsburg angekommen, stellten sie unermüdlic­h Nachforsch­unrie gen an, riefen Archive an und liefen sämtliche Straßen in Augsburg ab. Bei diesen Touren sah Rose-Marie Duval nicht nur das ehemalige Wohnhaus ihres Vaters in Lechhausen, sie besuchte auch die Kirche, in der sie möglicherw­eise getauft wurde und in der ihr Vater später heiratete. Außerdem besuchten sie seine Grabstätte. „Das war für Rose-Marie der emotionals­te Teil der Reise“, ist sich Enkelin Léa Wrobel sicher.

An ihrem letzten Tag in Deutschlan­d fuhr die Gruppe in Rudolf Diemingers Geburtsort Altenmünst­er. Im Rathaus vermittelt­e man ihnen Kontakt zu Rose-Maries Großcousin. Dieser konnte Rose-Marie Duval zwar viel zur Familienge­schichte der Diemingers sagen, das lang ersehnte Foto von Rudolf Dieminger hatte er jedoch nicht: „Nach dem Tod seiner Eltern wurde Rudolf im Alter von zwei Jahren in ein Waisenhaus gegeben. Später wurde er von einer Familie adoptiert, deren Namen wir nicht kennen. Deshalb sind seine Dokumente so schwer auffindbar“, erklärt Erwann Masurel.

Für Rose-Marie Duval waren die Tage in Augsburg eine Achterbahn­fahrt der Gefühle: „Das, was ich in dieser Woche erlebt habe, werde ich nie vergessen. Ich war meinem Vater noch nie so nah. Ich muss das erst einmal verarbeite­n.“Trotz aller Erfolge hofft sie immer noch auf ein Foto ihres Vaters. Wer Rose Marie Duval mit Informa tionen helfen möchte, kann sich an un sere Redaktion wenden: lokales@augsburger allgemeine.de, Telefon: 0821/777 2201

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Foto: Annette Zoepf Auf Spurensuch­e in Augsburg (von links): Léa Wrobel, Erwann Masurel, Rose Marie Duval und Emma Wrobel vor dem Haus in Lechhausen, in dem Duvals Vater einst lebte.
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Ein altes Foto zeigt Rose Marie Duvals Mutter Monique Mené (rechts) mit einer Freundin Maren.

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