Augsburger Allgemeine (Land West)
Echte Gestalter können viel mehr
Die Absolventen der Hochschule präsentieren verblüffende Abschlussarbeiten. Oft verbinden sie dabei virtuelle und reale Welt. So spielerisch die Arbeiten aussehen, sind es doch innovative Projekte für die Praxis
Ironie könnte man aus dem Titel ihres Computerspiels heraushören, wenn man die Vorgeschichte kennt. Den „Sprung ins Ungewisse“(A Leap in the Dark) wagen Vanessa Heilmaier und Franziska Bacherle mit ihrer gemeinsamen Masterarbeit im Fach Interaktive Mediensysteme. Die beiden Absolventinnen der Hochschule locken den User in ein Geisterhaus, das noch zahlreiche Spuren der Vorbesitzer zeigt. Zeitebenen lassen sich wechseln, aber Achtung: Mitunter verschließt eine gläserne Wand den Ausgang. Ein Geist in Form einer schwarzen Wolke ist der Gegner, dessen Geheimnis der Spieler enträtseln muss. Töne und Licht sorgen für eine gruslige Stimmung. Und „es ist schwieriger, als wir gedacht haben“, weiß Franziska Bacherle. Beide Frauen hoffen, mit ihrer Abschlussarbeit beruflich zu punkten. Nach dem Bachelor mussten sie von Agenturen, bei denen sie sich bewarben, hören, sie hätten noch keine Projekte vorzuweisen. Also setzten sie noch drei Semester bis zum Master drauf.
Insgesamt 80 Absolventen entließ die Fakultät für Gestaltung der Hochschule im Sommersemester.
Eine der größeren Werkschauen der Designer
Am Samstag war laut Dekan Daniel Rothaug „eine der größeren Werkschauen der letzten Jahre“zu besichtigen. Auffallend viele herausragende Arbeiten seien dabei, unterstrich Rothaug. Alle beantworten auf ihre Art die provokante MottoFrage „Was ist Design?“. Heute bekomme man ja den Eindruck, jeder könne Design hervorbringen. Die Studenten fassen es spöttisch in Wortketten wie „Raubkopie. Ironie. Anarchie.“und „Bauhaus. Kaufrausch. Austausch.“
Studierte Gestalter können mehr. Jakub Ehm macht es einem nicht leicht, zwischen Realität und Virtualität zu unterscheiden. Er lässt eine Biene um eine Blüte schwirren, sie landet und prompt fällt ein Wassertropfen auf sie. Die Blume auf dem Stängel und der grüne Rasen sind Hardware, die Biene und der Tropfen nur eine Projektion. Beide wirken täuschend real zusammen.
Vier Wasserhähne reiht das Team von Jessica Moll, Benedikt Köhler, Stefan Mayr und Lukas Woyte auf. Wer an ihnen dreht, erhält die vier Dimensionen der Welterbe-Wasserkunst-Bewerbung Augsburgs zu sehen. Aus der Quelle steigt perlend das Nass nach oben, eine kräftige Strömung treibt ein Wasserrad an. Einen kompletten Messestand hat das Bachelor-Quartett realisiert. Dabei waren 3-D-Software und „echte“Skulpturen miteinander zu synchronisieren, so Jessica Moll. Das habe viel Zeit beansprucht. Dazu kam der passende Sound verschiedener Wassergeräusche.
Daniela Grabner, die zum Spaß bereits ein „Augsburger Wimmelbuch“illustriert hat, betritt in ihrer Masterarbeit ein ganz anderes Terrain („man ist nicht immer lustig drauf“). In der Graphik-Novel „Dort“erzählt sie vom dunklen Doppelgänger des Menschen und simuliert den Rollentausch des Egos mit seinem Schatten. Die in Tusche in schwarz-weiß erzählte Geschich- te verzichtet auf Worte und packt mit plastischen Oberflächen: buschiges Haar zum Hineingreifen und jeden Grashalm im Rasen.
Auf die expressive Plakatkunst besann sich Franziska Binzer. Zu Aspekten der Arbeitssicherheit findet sie eindringliche Darstellungen: Das Krokodil beißt den Gebeugten in den Rücken, aus dem zerrissenen Handschuh ragen Bohrer, den rollenden Bürostuhl verkleben rotweiße Bänder als Leiter-Ersatz. „Solche Plakate warnen viel auffälliger vor den lauernden Gefahren“, meint sie. Eliza Ranglova animiert im zunehmend digitalen Schulalltag fürs Handgemachte. Ihre Sets aus Papieren und Heften laden zum fliegenden Wechsel vom Tablet zum Bleistift ein. Alles ist nachhaltig, sogar wiederverwendetes Druckpapier inspiriert zu eigenen Geschichten. Schrift mal anders probiert Paul Christ aus. Seine variable Typografie reagiert spielerisch auf Gesichtsausdruck und Geräusche, dunkle Töne verbreitern die Buchstaben, helle Töne verengen sie. Die Arbeit könnte als verblüffendes Display in einem Bahnhof die Leute informieren und unterhalten.