Augsburger Allgemeine (Land West)
In dieser Straße soll die Luft sauberer werden
Die Karlstraße hat seit Jahren ein Problem mit zu hohen Stickoxid-Werten. Nun hat die Stadt mehrere Konzepte zur Luftreinhaltung entwickelt. Die Stadtwerke suchen Testkunden für ein neues Mobilitäts-Angebot
Die Überlegungen der Stadt, wie sie die Schadstoffbelastung in der Luft der Augsburger Innenstadt senken will, werden konkreter: Bis kommenden Dienstag muss das Umweltamt einen Masterplan mit Maßnahmenpaket zur Senkung des Stickoxidwerts beim Bund abgeben – das ist Voraussetzung, um Fördergelder aus dem eine Milliarde schweren Diesel-Topf von Bund und Autoindustrie zu bekommen. Inzwischen habe man 20 Maßnahmen zusammengestellt, die etwas bringen können, so Stefan Klein vom Umweltamt. Unter anderem ist geplant:
● Intelligente Ampeln, die den Verkehrsfluss verstetigen sollen. An der Karlstraße, wo die Grenzwerte für Stickoxid überschritten werden, wurde die Ampelschaltung bereits geändert. Für die Haunstetter Straße liegt schon ein Konzept in der Schublade.
● Parkleitsystem, das den Parksuchverkehr in der Innenstadt vermindert.
● Ausbau der Park and ride Plätze, um Autoverkehr aus dem Umland aus der Stadt herauszuhalten und Pendler in der Stadt zum Umsteigen auf die Tram zu bringen.
● Mehr Radverkehr, um den Anteil des Autos am Mobilitätsmix zu senken. Ein Thema sind drei neue vollautomatische Fahrrad-Parkhäuser.
● Urbane Logistik, etwa Paket- und Warenlieferung mit dem Lastenrad oder dem Elektro-Fahrzeug statt mit dem Lieferwagen.
Momentan ist ein Büro, das die Stadt berät, noch dabei, auszurechnen, welche Maßnahmen welche Schadstoffreduzierung zur Folge hätten. „Daraus ergibt sich dann eine Priorisierung, was man zuerst anpackt“, so Umweltreferent Reiner Erben (Grüne). Im Masterplan wird die Stadt auch darauf hinweisen, dass eine Hardware-Nachrüstung alter Dieselautos eine kurzfristig sehr effektive Maßnahme wäre. Allerdings liege dies nicht im Zuständigkeitsbereich der Stadt, so Klein. Gleiches gelte für den Wunsch, alle Bahnstrecken rund um Augsburg zu elektrifizieren, um Diesel-Triebwagen überflüssig zu machen, und die Nahverkehrsgleise auszubauen.
Selbst anpacken will die Stadt die Förderung der Elektromobilität. Nachdem die Stadt bereits einen Plan beschlossen hat, das Ladestellen-Netz auszubauen (wir berichteten), stehen weitere Überlegungen an. In Neubaugebieten könnten Mobilitätsstationen eingeplant werden, wo es diverse Sharing-Angebote (vom Auto über E-Roller bis zum E-Rad) gibt, in der Innenstadt könnten Parkplätze für Elektroautos und Lastenräder entstehen, für Bürger könnte die Anschaffung eines E-Lastenrades bezuschusst werden, wie es etwa in München der Fall ist.
Zudem planen die Stadtwerke, ihr stationäres Carsharing (die Autos müssen zu festgelegten Standorten zurückgebracht werden) um ein sogenanntes Free-Floating-Modell zu erweitern. Die Nutzer erfahren via Smartphone, wo das nächste Elektroauto am Straßenrand steht und können es nach der Nutzung woanders abstellen.
Zudem sollen Bus, Tram, Carsharing und Leihrad besser miteinander verzahnt werden. Wie berichtet planen die Stadtwerke eine Mobilitätspauschale, bei der Kunden für einen Festpreis ein Abo bekommen und zudem Carsharing und Leihräder in einem gewissen Kontingent nutzen können. In einem ersten Schritt suchen die Stadtwerke jetzt 50 Testkunden, die das Angebot ab 1. Oktober für ein Jahr nutzen wollen. Der Preis: 75 Euro pro Monat. Dafür gibt’s ein Nahverkehrsabo in den Zonen 10 und 20, die Nutzung des Carsharings mit bis zu 30 Stunden pro Monat (ohne Kilometerbegrenzung) und das Ausleihen von Fahrrädern (pro Fahrt bis zu einer halben Stunde; mehrere Fahrten pro Tag sind möglich). Ziel der Testphase, so die Stadtwerke, sei es, Erkenntnisse über das Nutzungsverhalten zu gewinnen. Speziell die Frage, wie häufig das Carsharing tatsächlich genutzt wird, dürfte ausschlaggebend dafür sein, wie der spätere Preis der Mobilitätspauschale ausfällt, wenn sie für alle Kunden freigegeben wird (mehr Infos unter: www.sw-augsburg.de/ mobil-flat).
Wie berichtet steht die Stadt unter Druck, weil der Grenzwert für Stickoxid an der Messstation in der Karlstraße überschritten wird. Auch für mehrere andere Straßen wurde eine Überschreitung der Grenzwerte errechnet. Im vergangenen Jahr wurden in der Karlstraße 44 Mikrogramm im Jahresmittel gemessen, erlaubt sind 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. „An einem Fahrverbot sind wir bisher nur deswegen vorbeigeschrammt, weil die Überschreitung nicht hoch ist und weil wir Maßnahmen auf den Weg gebracht haben, um die Belastung zu senken, etwa die Erdgasbusse bei den Stadtwerken“, so Umweltreferent Erben. Kurs der Stadt ist es, ein Fahrverbot zu vermeiden und auf Alternativen zu setzen. Ohnehin ist der Schadstoffgehalt in der Luft seit Jahren sinkend. Der Umweltverband „Deutsche Umwelthilfe“, der mit Klagen in anderen Städten Druck für Fahrverbote macht, ist in Augsburg bisher nicht tätig geworden.
OAusstellung Am Mittwoch, 25. Juli, gibt es ab 15 Uhr im Fürstenzimmer II des Rathauses eine Posterausstellung, die Inhalte des Masterplans näher vorstellt. Um 17 Uhr gibt es eine kurze Präsentati on. nichts gewonnen. Papier macht noch keine saubere Luft. Der Plan lebt davon, dass die darin festgesetzten Einzelmaßnahmen Realität werden.
Inwieweit Augsburg hoffen darf, großzügig Fördermittel aus Berlin zu bekommen, ist aber offen – es gibt Städte, in denen der Bund angesichts höherer Schadstoffwerte weitaus mehr Handlungsbedarf erkennen wird. Entscheidend ist auch, wie beherzt die Stadtregierung die Maßnahmen angeht. Sie wird selbst Geld in Projekte stecken müssen. Und jeder im Masterplan festgesetzte Punkt muss später noch einzeln vom Stadtrat beschlossen werden, bevor es an die Umsetzung geht. Das wird Zeit kosten.
Möglicherweise sind die Schadstoffwerte bis dahin durch die ohnehin ständig laufende Flottenverjüngung des Pkw-Bestands unter den Grenzwert gefallen. Umsonst ist der Masterplan aber nicht: Vieles, was drinsteht, gibt die Richtung vor, wie Mobilität der Zukunft sein muss, unabhängig von der Stickoxid-Diskussion.