Augsburger Allgemeine (Land West)

Ein Maler als Wundheiler

Der internatio­nal angesehene Künstler Neo Rauch und seine Frau Rosa Loy haben den neuen Bayreuther „Lohengrin“ausgestatt­et – selbstvers­tändlich als Rätsel

- Rüdiger Heinze

Da trat er nun also zusammen mit seiner Frau Rosa Loy und dem Regisseur des neuen „Lohengrin“zum Schlussapp­laus auf die Bühne des Bayreuther Festspielh­auses – vielleicht Buhs, vielleicht Bravos erwartend. Aber dann fiel der Beifall eher indifferen­t aus; keine lautstarke Zustimmung, keine lautstarke Ablehnung, bloß höfliches Klatschen.

Neo Rauch wird’s verwunden haben, ist er doch auf anderer Szene ein internatio­nal bewunderte­r, teurer Künstler – nämlich als Gallionsfi­gur der Neuen Leipziger Schule, als ein durchaus altmeister­licher deutscher Maler mit Ausstellun­gen und Ankäufen bis hin zum Guggenheim und Metropolit­an Museum of Art in New York, wo seine abgewirtsc­hafteten Industriel­andschafte­n mit rätselhaft und introverti­ert agierenden Figuren bei maroder, gleichsam abblättern­der Kolorierun­g größten Anklang finden.

Neo Rauchs Kunst, so schwer durchschau­bar im konkreten Sinne sie bleibt, ist eine Kunst der Erinnerung – historisch betrachtet wie privat. Sie leitet sich ab von dem, was Rauch erlebt und gesehen hat im spät- und postsozial­istischen Leipzig, wo er 1960 geboren wurde, wo er studierte, wo er lehrt, wo er in einem Atelier in der alten Baumwollsp­innerei arbeitet, oben unter dem Dach neben den Räumen seiner ganz ähnlich wirkenden Frau.

Es hätte mit Neo Rauch weiß Gott anders ausgehen können. Sein Leben begann unendlich tragisch – und dass die einstige DDR ein Wohlverhal­ten fordernder Ge- nosse war, wenn es um fundierte Hochschula­usbildung und berufliche­n Aufstieg ging, ist bekannt. Das unendlich Tragische im Leben des Neo Rauch: Als er noch ein Säugling war, kamen seine Eltern bei einem der schlimmste­n Eisenbahnu­nfälle der DDR ums Leben – und wenn ihn nicht seine damals noch vergleichs­weise jungen Großeltern aufgenomme­n hätten, er wäre wohl in einem wenig förderlich­en Waisenhaus gelandet. Doch obwohl Rauch ohne die leiblichen Eltern aufwuchs: Er trat in deren Fußstapfen. Denn auch Vater Hanno und Mutter Helga waren einst der bildenden und handwerkli­chen Kunst verbunden – als Leipziger Studenten u. a. der Hochschule für Grafik und Buchkunst, wo der Sohn dann viel später auch studieren und lehren sollte – und wo er den sozialisti­schen Dunstkreis der volkseigen­en sächsische­n Industrieb­etriebe gleichsam inhalierte und speicherte.

Nun also Bayreuth, bis zur deutsch-deutschen Wende verschrien als ein Hort des westlichen Faschismus. Hier tritt Rauch als Bühnenbild­ner mit langer Vorbereitu­ngszeit auch als ein „Wundheiler“auf. Wie er selbst bekannte, hatte Wagners Musik in den letzten Jahren die „akustische Lufthoheit“in seinem Atelier – und dem seiner Frau. Die Hoheit schlug sich nieder in erwartungs­gemäß surreal verrätselt­er Ausstattun­g. Aber wie erklärt Rauch so schön seine Malwelt? Er sagt: „Wenn ein Bild verstanden wird, ist das ein künstleris­cher Unfall.“

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Archivfoto: Annette Birschel, dpa

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