Augsburger Allgemeine (Land West)
Gemeldet wird viel, gelöscht nur ein Bruchteil
Betreiber legen Zahlen zu Hass im Netz vor. Warum sie bei Facebook so niedrig sind
Würzburg/Berlin Sind Hass und Hetze in den sozialen Medien weniger geworden, seit der Gesetzgeber Facebook, Twitter und Co. verpflichtet hat, offenkundig rechtswidrige Inhalte selbstständig von ihren Seiten zu löschen oder zu sperren? Die Netzwerke haben erste Zahlen vorgelegt, gleichwohl lässt sich die Frage nur schwer beantworten. Die Zahl der Beschwerden über nicht gelöschte Kommentare beim Bundesamt für Justiz ist jedenfalls gering: 568 waren es statt der erwarteten 25 000.
Seit Jahresbeginn gilt das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG). Es schreibt auch sogenannte Transparenzberichte der Netzwerkebetreiber vor. Aus den ersten geht hervor, dass Twitter im ersten Halbjahr 2018 knapp 265000 vermeintlich rechtswidrige Kommentare gemeldet wurden, gut zehn Prozent seien gelöscht worden. Bei Youtube galt dies für 27 Prozent der 215 000 beanstandeten Posts.
Gering fallen die Zahlen bei Facebook aus – hier muss allerdings anders als bei Youtube und Twitter ein eigenes Online-Formular ausgefüllt werden. 1704 Inhalte wurden so gemeldet, die meisten laut FacebookAngaben wegen Beleidigung, übler Nachrede, Verleumdung und Volksverhetzung. Jeder Fünfte wurde gelöscht oder gesperrt.
Während das Bundesjustizministerium kritisiert, der Beschwerdeweg bei Facebook sei zu kompliziert, erklärt das Unternehmen die geringen Meldezahlen damit, dass bereits die eigenen Gemeinschaftsstandards ein konsequentes Vorgehen gegen Gewalt und Hass im Netz vorsähen. Weltweit habe man im ersten Quartal dieses Jahres 2,5 Millionen Inhalte entfernt, knapp 40 Prozent dank technischer Hilfe wie Filter-Software. Zahlen für Deutschland nennt der Bericht nicht.
Hauptthemen der Beschwerden sind nach Angaben des Bundesamtes für Justiz das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Beleidigungsdelikte. Die Beschwerden seien „durchweg substanziiert“, sagt das BfJ, das selbst keine Löschung durchsetzen kann. Bußgelder sind nur vorgesehen, wenn ein Netzwerk seine „Organisationspflichten“systematisch verletzt. Bislang habe man noch keine verhängt, so eine Sprecherin.
Für die Kritiker gefährdet das Netz-DG die Meinungsfreiheit. Der Würzburger Rechtsanwalt und Facebook-Kritiker Chan-jo Jun, der bisher die Internetseite facebookrecht.de betrieben hat, fürchtet, dass zu großzügig gelöscht wird. Das Gesetz abzuschaffen, sei aber keine Lösung. Die Seite im Internet gibt er auf, um einem möglicherweise langwierigen und teuren Rechtsstreit mit Facebook aus dem Weg gehen zu können. Das Unternehmen hatte sich in seinen Markenrechten verletzt gefühlt und Jun abgemahnt.