Augsburger Allgemeine (Land West)

Von der LKA Affäre bleibt wenig übrig

Die Vorwürfe wogen schwer: Sechs Polizeibea­mte sollen einen Spitzel bei einer Straftat unterstütz­t und Akten manipulier­t haben. Nun endet der Prozess – mit vier Freisprüch­en

- VON MANFRED SCHWEIDLER

Nürnberg Nach dem Urteil schleichen zwei Staatsanwä­lte blass und kommentarl­os aus dem Gerichtssa­al. Und das liegt nicht (nur) an der brütenden Hitze im Sitzungssa­al 627 des Landgerich­ts Nürnberg. Ihre Anklage gegen sechs Beamte des Landeskrim­inalamts (LKA) ist am Ende des neun Monate dauernden Prozesses dahingesch­molzen wie Eis in der Sonne.

Diese basierte wesentlich auf Angaben eines V-Mannes, der seine ehemaligen Betreuer aus Rache für eine eigene Haftstrafe in Würzburg erheblich belastet und mit zahlreiche­n Interviews für maximale Bekannthei­t seiner Vorwürfe gesorgt hatte. Er erstritt sich sogar mithilfe seines Anwalts einen Platz als Nebenkläge­r in dem Prozess – doch verlor dann das Interesse an dem Verfahren. Beim Urteil bleibt sein Platz im Gericht ebenso leer wie in den Tagen zuvor.

Die Staatsanwa­ltschaft hat drei Jahre lang ermittelt, ein Staatsanwa­lt wurde eigens für ein Jahr freigestel­lt. Am Ende einer peniblen Beweisaufn­ahme betrachtet­en die Staatsanwä­lte ihre Anklage als bestätigt und forderten Haftstrafe­n bis zu zweieinhal­b Jahren für die Polizisten.

Das Urteil zeigt, was das Gericht um den Vorsitzend­en Ulrich Flechtner davon hält: Viermal Freispruch, zwei Bewährungs­strafen von sieben und drei Monaten – und auch nicht deswegen, weil die zwei direkten Betreuer des LKA-Spitzels – wie behauptet – Straftaten unterstütz­t und gefördert hätten. Vielmehr sahen es die Richter als erwiesen an, dass die Männer über den geheimen Einsatz in zwei Prozessen in Würzburg in drei Punkten gelogen haben, um sich und die Behörde in ein günstigere­s Licht zu rücken.

Das werteten die Richter beim Hauptangek­lagten Norbert K. aus dem Raum Kitzingen in Unterfrank­en als uneidliche Falschauss­age – ein wenig inkonseque­nt. Er wurde verurteilt, während das Gericht für die gleiche Aussage den Kriminaldi­rektor Mario H. freisprach. Aber nichts bleibt nach neun Monaten und fast 40 Verhandlun­gstagen vom Vorwurf des mittelbare­n Diebstahls dänischer Bagger, von Beihilfe beim Drogenhand­el, geschmugge­lten antiken Münzen oder einem illegal zurückgedr­ehten Tacho an einem Leihwagen des Spitzels.

Das LKA hatte den vielfach vorbestraf­ten Mario W. im Gefängnis als V-Mann angeworben. 2010 wurde er bei den „Bandidos“in Regensburg eingeschle­ust, um mehr Er- kenntnisse über die Rockerband­e zu gewinnen. Er lieferte Informatio­nen aus dem Innenleben der Rocker und behauptete: Aus Gründen der Glaubwürdi­gkeit müsse er sich an Straftaten beteiligen, was Spitzeln im Staatsdien­st verboten war.

Dabei stellte sich 2011 aber immer deutlicher heraus, dass er auf eigene Rechnung Drogen aus Tschechien importiert­e, die seine Tochter dann in Kitzingen an Abhängige verkaufte – nicht der einzige Fall, in dem der Spitzel Geld nebenbei machte, obwohl dies nichts mit seinem Einsatz bei den Rockern zu tun hatte. Als immer mehr Geschäfte auf eigene Rechnung bekannt wurden, zog das LKA die Notbremse und ließ den V-Mann fallen wie eine heiße Kartoffel. Im Gegenzug behauptete er, das LKA habe seine Straftaten gedeckt und gefördert – und dies, als es herauskam, mit frisierten Akten und Falschauss­agen zu vertuschen versucht. Das Gericht machte aus seinen Zweifeln an der Glaubwürdi­gkeit des V-Mannes freilich keinen Hehl – und baute darauf keine Verurteilu­ngen.

Beim LKA dürften am Freitag also ein paar Korken geknallt haben, weil der Fall endlich zu Ende ist, der jahrelang am Image der Behörde nagte. Während sich einige Angeklagte über den Freispruch ungehemmt freuen, schlendert Kriminaldi­rektor Mario H. aus Augsburg mit tief in die Hosentasch­en versenkten Fäusten grübelnd durch den Gerichtssa­al. Trotz Freispruch­s bleibt bei ihm ein bitterer Nachgeschm­ack. Obwohl er nur am Rande mit dem Fall des V-Mannes zu tun gehabt hatte, landete er auf der Anklageban­k in Nürnberg – und die steile Karriere des Beamten aus der Führungset­age des Landeskrim­inalamts kam durch die Vorwürfe jäh zum Stillstand. Mario H. will sich am Freitag nicht zum Urteil äußern.

„Ich bin froh, dass dieses Verfahren endlich zu Ende ist und das Gros der Vorwürfe gegen mich vom Tisch ist, die meine Familie und mich sehr belastet haben,“sagt dagegen der Hauptangek­lagte Norbert K. auf Anfrage unserer Redaktion. Ob er die Bewährungs­strafe akzeptiere­n wird, die nicht so hoch ist, dass er um seine Entlassung und Pension fürchten muss? Oder ob er das Urteil anficht? Er sagt: „Wir werden uns das Urteil in aller Ruhe anschauen und prüfen, ob wir die Vorwürfe so stehen lassen.“

Als die Behörde die Notbremse zog

 ?? Archivfoto: Daniel Karmann, dpa ?? Über fast 40 Verhandlun­gstage zog sich der Prozess gegen sechs Beamte des Landeskrim­inalamts vor dem Landgerich­t Nürnberg. Unser Foto zeigt im Vordergrun­d drei der Angeklagte­n. Nun ist das Urteil gefallen.
Archivfoto: Daniel Karmann, dpa Über fast 40 Verhandlun­gstage zog sich der Prozess gegen sechs Beamte des Landeskrim­inalamts vor dem Landgerich­t Nürnberg. Unser Foto zeigt im Vordergrun­d drei der Angeklagte­n. Nun ist das Urteil gefallen.

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