Augsburger Allgemeine (Land West)
Der Grandseigneur des Schlagers
Michael Holm hat sich mit „Tränen lügen nicht“unsterblich gemacht. Auch morgen, an seinem 75. Geburtstag, tritt er auf. Ein Künstler, der vielschichtiger ist, als viele denken
Weilheim Es ist, wie es ist: Eine gefühlte Hälfte der deutschen Bevölkerung findet den deutschen Schlager einfach nur bräsig, blöde, dämlich, nervtötend. Die andere Hälfte schreit Hurra und ist textsicher. Vor allem bei einem Titel, bei dem man auch objektiv betrachtet nicht umhinkommt, ihn legendär zu nennen: „Tränen lügen nicht“. Mit diesem Titel machte sich ein gewisser Lothar Bernhard Walter, besser bekannt als Michael Holm, 1974 in der Schlagerwelt endgültig unsterblich. Am Sonntag wird er 75 Jahre alt.
Man ist gern geneigt, Schlagerinterpreten mental für Magerkandidaten zu halten. Und tut damit wahrscheinlich den meisten unrecht – bei Michael Holm wäre es gar ein kapitaler Fehler. Der gebürtige Stettiner, der in Erlangen aufwuchs, Abitur machte und in West-Berlin Jura studierte, hat bis heute fast
1000 Lieder geschrieben. Seine erste Single „Ich will Dich immer wieder küssen“erschien schon 1961, als
18-Jähriger und Mitglied des Duos „Missouris“.
Doch der echte Durchbruch – bereits als Solokünstler – gelang ihm
1969 mit „Mendocino“, das in diesem Jahr die meistverkaufte Single in Deutschland wurde. Michael Holm verfolgte damals ein Konzept, dem viele deutsche Interpreten folgten. Einen ausländischen Titel nehmen, mit deutschem Text versehen – und ab in Dieter Thomas Hecks
damit. Keiner machte das so intelligent wie Michael Holm. „Tränen lügen nicht“beispielsweise war im Original ein Instrumentalstück, komponiert von dem Italiener Ciro Dammicco. „Wart’ auf mich“(1975) war im Original der Welthit „Tornero“von I Santo California. Und „Musst Du jetzt gerade gehen, Lucille“(1977) hatte zuvor die US-Country-Legende Kenny Rogers bekannt gemacht.
Aber Michael Holm schrieb auch für andere Interpreten. So stammt der Text des Schlagerknallers „Fiesta Mexicana“von Rex Gildo ebenfalls aus seiner Feder. Holm schrieb zudem etwa für Peter Maffay und Howard Carpendale. Des Weiteren trat er als Produzent auf – etwa bei Ingrid Steegers Single mit dem flotten Titel „Franz-Josef, nimm die weg“(1979) – gut, das war sicherlich nicht die Sternstunde von Holms Produzententätigkeit. Jedenfalls war er aber von 1962 bis 1982 mit 21 eigenen Titeln in den Charts notiert. Mit der englischen Version von „Tränen lügen nicht“– „When a child is born“– landete er sogar in den amerikanischen Billboard-Charts.
Michael Holm hat aber noch eine ganz andere musikalische Seite, die hierzulande kaum bekannt ist. Nach einer sechsmonatigen Rundreise durch Südamerika gründete er 1979 mit dem Keyboarder Kristian Schultze, der zuvor Mitglied bei Klaus Doldingers Jazzrock-Band „Passport“war, das New Age-Musikprojekt „Cusco“.
Interessanterweise sang Michael Holm dabei nicht (Cusco ist eine Instrumentalband), sondern er kom-