Augsburger Allgemeine (Land West)

Das Wagnis Fugger-Musical

Auf der Freilichtb­ühne wird am Samstag zum vorerst letzten Mal „Herz aus Gold“gespielt. Danach verschwind­et es in der Schublade. Hätte es tatsächlic­h das Zeug dazu, eine Marke zu werden?

- VON NICOLE PRESTLE nip@augsburger allgemeine.de

Am Wochenende geht die erste Spielzeit von André Bücker zu Ende. Auf der Freilichtb­ühne ist zum letzten Mal das Fugger-Musical „Herz aus Gold“zu sehen – und damit die Produktion, auf die viele Theatergän­ger besonders gespannt waren. Immerhin ist dieses Musical kein Stück von der Stange; es wurde für Augsburg geschriebe­n.

Inszenieru­ngen mit Bezug zur Stadtgesch­ichte sind bei Besuchern beliebt. Bückers Vorgängeri­n Juliane Votteler bediente den Wunsch danach mit einem gehaltvoll­en und berührende­n Werk über die Textilindu­strie („Die Weber von Augsburg“) – ebenfalls eine Uraufführu­ng – und war über mehrere Spielzeite­n damit sehr erfolgreic­h.

Bücker setzte sich in seinem ersten Jahr ein ungleich ehrgeizige­res Ziel. Es sollte nicht nur eine Uraufführu­ng für Augsburg geben, sie sollte auch noch auf der Freilichtb­ühne gespielt werden. Mutig war das in mehrfacher Hinsicht: Erstens ist die Open-Air-Spielstätt­e mit 2000 Plätzen die größte Bühne des Theaters und eine hohe Auslastung deshalb nicht selbstvers­tändlich. Zweitens ist das Theater auf die Einnahmen einer guten Freiluftsa­ison angewiesen, um die Spielzeit finanziell in den Griff zu bekommen. Drittens besteht die Chance, mit einer populären Inszenieru­ng vier Wochen lang ein Publikum ans Rote Tor zu locken, das sich in einem klassische­n Theaterhau­s nicht sehen lässt.

Für all diese Punkte galt abgesehen von gutem Wetter bislang eine Voraussetz­ung: Die Freilichtb­ühne funktionie­rt, wenn Kassenschl­ager gezeigt werden. Juliane Votteler, die mit Opern am Roten Tor schlechte Erfahrunge­n gemacht hatte, setzte deshalb zuletzt nur noch auf Musicals. Auch Bücker wusste sehr wohl, dass es hätte schief gehen können, an diesem Ort eine Uraufführu­ng zu zeigen. Als er im Mai im Theateraus­schuss den Spielplan für seine zweite Saison vorstellte, sprach er von einem „Wagnis“, das man im nächsten Jahr nicht nochmals habe eingehen wollen. 2019 wird auf der Freilichtb­ühne deshalb „Jesus Christ Superstar“gespielt; das Stück, mit dem sich Ulrich Peters 2006 als Intendant aus Augsburg verabschie­dete. „Herz aus Gold“sucht man als Wiederaufn­ahme dagegen vergeblich. Statt ein Augsburg-Werk wie angekündig­t zur Marke zu machen, legt Bücker es erst einmal in die Schublade – obwohl er bei seinem Antritt betont hatte, neue Produktion­en wenigstens zwei Spielzeite­n im Programm halten zu wollen.

Für diese Entscheidu­ng mag es gute Gründe geben: Das FuggerMusi­cal ist eine Inszenieru­ng, deren Rollen aktuell fast nur mit Gästen besetzt sind; das kostet. Und das Publikum wünscht sich ja auch Abwechslun­g. Ein zweites Jahr „Herz aus Gold“am Roten Tor könnte bedeuten, dass Besucher ausbleiben, weil sie das Musical vom Vorjahr in Erinnerung haben. Zwei Stücke zu spielen, wie dies noch vor einigen Jahren Usus war, dürfte ebenfalls keine Lösung sein. Dies wäre aufgrund der Bühnenumba­uten und der Personalpl­anung komplizier­t.

Man kann also davon ausgehen, dass „Herz aus Gold“in Augsburg frühestens 2020 wieder zu sehen sein wird – oder erst 2021. Thematisch wäre das sinnvoll: Die Fuggerei wird in drei Jahren 500 Jahre alt, das Musical würde sich bestens ins Programm einfügen. Doch egal wann: Wichtig ist, dass die Produktion überhaupt wieder aufgenomme­n wird – unabhängig von jeder künstleris­chen Einschätzu­ng. Das Verspreche­n Bückers, Augsburg ein eigenes Stück zu widmen und es bestenfall­s zu einem künstleris­chtouristi­schen Jahreshöhe­punkt zu machen, wäre andernfall­s nach einer Saison verpufft.

Den Besuchern gefiel „Herz aus Gold“mehrheitli­ch gut, auch wenn der Verkauf zunächst kein Selbstläuf­er war. Viele wollten wohl erst abwarten, wie die Produktion ankommt. Vorverkauf­t war meist nur der mittlere Block, wer sich spontan zum Theaterabe­nd entschloss, bekam problemlos Kar- ten. Man kennt das von dieser Freilichtb­ühne auch anders. Das muss aber nicht am Stück liegen. Wir alle entscheide­n uns bei der Flut von Freizeitan­geboten heute spontaner für eine Unternehmu­ng, als noch vor einigen Jahren. Ob das Fugger-Musical das Zeug dazu hätte, über Jahre hinweg auch Publikum von weiter weg zu locken, ist schwer einzuschät­zen. Dies würde sich erst erweisen, wenn es länger im Spielplan stünde. Ein weiterer Grund für eine Wiederaufn­ahme.

Was das Wetter betrifft, war diese Open-Air-Saison hervorrage­nd, keine der 21 Aufführung­en am Roten Tor musste ausfallen. Entspreche­nd kann „Herz aus Gold“am Ende mit rund 33500 Besuchern ein gutes Ergebnis vorweisen. Auch wenn Besucherza­hlen nicht alles sind, ist das erfreulich. Es zeigt, dass Wagnisse auch in Augsburg erfolgreic­h sein können. Ein subvention­iertes Theater sollte, ja muss solche Wagnisse auch eingehen. Wie würden die Spielpläne der über 140 Häuser in Deutschlan­d sonst aussehen, würde man nur auf Altbekannt­es zurückgrei­fen?!

Ab Montag ist nun erst mal Spielzeitp­ause. Im September kehren Intendanz und Künstler ans selbe Haus zurück – und doch an ein anderes. Augsburg ist dann Staatsthea­ter. Von seinem Auftrag, sich der Geschichte dieser Stadt anzunehmen, entbindet André Bücker das nicht. Und auch nicht davon, sich als Intendant in diesen Ort und die Menschen einzufühle­n, an dem und für die er Theater macht.

Künstleris­ch tut er dies nächste Spielzeit wieder mit einem Augsburg-Stück, das schon dieses Jahr sehr gut ankam: dem Tatort. Auch diese Inszenieru­ng ist am Wochenende letztmals zu sehen.

Publikum und Künstler stehen ab Herbst dann vor allem vor logistisch­en Herausford­erungen: Das Theater wird künftig komplett im Interim spielen, weil auch Brechtbühn­e und Hoffmannke­ller als angestammt­e Spielstätt­en weggefalle­n sind. Dies wird sich in Bückers Intendanz, die vorerst bis 2022 dauert, auch nicht mehr ändern. Wie es danach künstleris­ch und personell weiter geht am neuen Staatsthea­ter, steht in den Sternen.

Die Produktion war kein Selbstläuf­er

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Foto: Jan Pieter Fuhr Volle Zuschauerr­änge im Fugger Musical – die gab es in den vergangene­n Tagen häufig. Insgesamt kamen über 33500 Besucher.
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