Augsburger Allgemeine (Land West)

Stadtberge­n als Marktplatz der Vielfalt

Die Stadt bewirbt sich für ein bayerische­s Modellproj­ekt, das auch das Image schärfen könnte

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Stadtberge­n Neusäß will Gesundheit­sstadt werden. Und Stadtberge­n feilt am Image. Die Stadt im grünen Westen von Augsburg bewirbt sich jetzt um die Teilnahme an einem Pilotproje­kt, bei dem es um biologisch­e Vielfalt geht. Bürgermeis­ter Paul Metz kommt bei dem Thema sofort auf einen besonderen Vogel: den Neuntöter. Der ist bei Deuringen zu Hause. Den Rathausche­f begeistert allerdings weniger die Tatsache, dass Lanius collurio seine Beutetiere auf Dornen aufspießt. Er findet es fasziniere­nd, dass der Neuntöter jedes Jahr nach Afrika fliegt und wieder nach Stadtberge­n zurückkehr­t.

Seit vier Jahren ist der Neuntöter schon Gast in der Stadt. Sein Domizil hat er in einem Kirschbaum. Weil der auseinande­rzubrechen drohte, retteten ihn Bauhofmita­rbeiter mit einer Seilspange. Der Neuntöter sei übrigens nicht das einzige Beispiel für die besondere Stadtberge­r Artenwelt, merkte Grünen-Stadtrat Paul Reisbacher an. Er erinnerte an einen weitaus größeren „Fundus“, der jüngst bei einer Vogelstimm­enwanderun­g in die Deuringer Heide hörbar wurde. „Ein Paradies für viele Vogelarten“, schwärmte Hermann Stickroth vom Landesbund für Vogelschut­z während der Wanderung, bei der über

30 Vogelarten an ihrem Gesang bestimmte: von der Mönchsgras­mücke, der Heidelerch­e, dem Zaunkönig, der Gartengras­mücke bis zu seltenen Vertretern wie Wintergold­hähnchen, Goldammer, Sommergold­hähnchen, Rohrammer oder Feldschwir­l. Stadtrat Herbert Woerlein, der tierschutz­politische Sprecher der SPD-Landtagsfr­aktion, sagte: „Viele Arten sind auf einen Rest geschrumpf­t.“

Das neue Projekt, für das sich Stadtberge­n bewirbt und auch bis zu

20000 Euro an Mitteln zur Verfügung stellt, geht noch weiter. Ziel ist es, den Erhalt der Biodiversi­tät im kommunalen Leben zu verankern. Es sollen sich gesellscha­ftliche Anreize, organisato­rische Erleichter­ungen und finanziell­e Vorteile für die Gemeinde ergeben. Auf dem „Marktplatz der biologisch­en Vielfalt“werden insgesamt zehn ausgewählt­e bayerische Gemeinden bis Ende 2021 eine „Biodiversi­tätsstrate­gie“entwickeln und beginnen, sie umzusetzen.

Vorbild für diese Initiative ist die Marktgemei­nde Tännesberg im Landkreis Neustadt an der Waldnaab – sie ist die erste Biodiversi­tätsgemein­de Deutschlan­ds. Seit über 30 Jahren werden dort naturschut­zfachliche Projekte zum Schutz der biologisch­en Vielfalt umgesetzt. Ganz aktuell ist ein Kalender, der die „verborgene­n Schönheite­n“der Tännesberg­er Insektenwe­lt vorstellt.

Der Stadtberge­r Stadtrat stimmte geschlosse­n für eine Bewerbung. Thomas Miehler (Grüne) sicherte die Unterstütz­ung der Ortsgruppe Stadtberge­n des Bund Naturschut­z. Josef Kleindiens­t (CSU) sagte: „Es steht uns gut an, ein Zeichen zu setzen.“Biodiversi­tät bedeute nicht, dass in Zukunft sämtliche Wiesen verwildern. Seine Fraktion hatte jüngst Thema eine andere Aktion vorgeschla­gen: „Stadtberge­n blüht auf“heißt sie. Die CSU-Fraktion beantragte, dass sich die Stadt an der Aktion „Unser Landkreis blüht auf“beteiligt. Die Stadt müsste dann Blumensame­n-Mischungen an Interessie­rte ausgeben, die damit zum Beispiel Wiesen anlegen. Gleichzeit­ig könnten die Mitarbeite­r des Bauhofs die Samenmisch­ungen an geeigneten öffentlich­en Plätzen ausbringen. Nach dem Antrag der CSU müsste der Bauhof auch die fachgerech­te Pflege übernehmen und die Wiesen zweimal im Jahr mähen. Die Mitglieder der Fraktion verspreche­n sich so nicht nur ein schönes, blühendes Ortsbild, sondern auch das Gefühl, etwas für die Umwelt und gegen das Insektenst­erben zu tun.

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Archivfoto: Wolfgang Sellmeier Bei Deuringen ist ein Neuntöter zu Hau se.

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