Augsburger Allgemeine (Land West)

Der packende Kampf um den Kofferraum

Es ist ein Urlaubsphä­nomen: Familie streiten sich plötzlich darum, was eingepackt werden darf und was nicht. Eine Betrachtun­g

- / Von Lea Thies

Er sagt: „Fahren wir in den Urlaub oder ziehen wir um?“Sie sagt: „Red nicht, pack lieber das Auto.“

Achtung, ab heute geht es wieder rund. Mit der Urlaubszei­t verwandelt sich der Kofferraum der Familienku­tsche nämlich in eine Kampfzone, in der jeder Kubikzenti­meter erobert, verteidigt, zurückerob­ert wird. Dann prallen Interessen von Eltern und Kindern aufeinande­r, von Männern und Frauen, von alt und jung. Kurzum: Da liegt wieder Streit in der Luft – um den Kofferinha­lt etwa, die Anzahl der Taschen, die Anordnung des Gepäcks, die Menge der mitzuführe­nden Kuscheltie­re…

Er sagt: „Maximal ein Stofftier pro Kind.“Sie sagen: „Papaaaaaaa.“Er sagt eine Stunde später: „Wer hat den Teddybär zwischen die Koffer gestopft?“Sie sagen nachts: „Los, wir gehen schnell runter und verstecken die Stofftiere unter den Sitzen.“(Übrigens wahre Begebenhei­t in der Kindheit eines Kollegen.)

Der Krieg um den Kofferraum ist ein Guerillaka­mpf. Da wird getrickst, getarnt und getäuscht. Eine andere Taktik ist auch zwecklos. Das weiß jeder, der schon einmal mit einem Kofferraum­diktator diskutiert hat – das sind nach einer Umfrage des Onlineport­als

übrigens meistens Männer, denn die beanspruch­en zu 62 Prozent das Hoheitsgeb­iet Kofferraum für sich (und übrigens zu 80 Prozent das Lenkrad). Gegen Packtyrann­en sieht sogar das strenge Sicherheit­spersonal am Münchner Flughafen blass aus. Das sucht ja „nur“nach gefährlich­en Gegenständ­en und nach Flüssigkei­ten – zum Wohle der Allgemeinh­eit. Gepäck-Goliaths hingegen führen unangekünd­igte Kofferkont­rollen im Hof durch und konfiszier­en emotional grausam und ohne mit einer Wimper zu zucken Lieblingss­tofftiere, zum Leid einzelner. Warum sie einfach nicht verstehen wollen, dass man in der großen weiten Welt nicht nur ein Stofftier als Beschützer und Kuschelfre­und braucht, sondern am besten gleich eine ganze Armada? Oder warum man nicht schon vor dem Urlaub wissen kann, auf welches Buch man am Strand dann Lust hat und deswegen lieber eine kleine Bibliothek mitnehmen möchte. Und das, obwohl Opa doch neulich erzählt hat, dass Papa einst als kleiner Junge, am Kofferraum, die Stofftiere, die Karl-May-Bücher – schon vergessen?

AutoScout2­4 Er sagt: „Frauen können nicht Kofferraum packen.“Sie sagt: „Genau, die Erde ist eine Scheibe.“

Einer Emnid-Umfrage zufolge verursacht das Kofferpack­en allein schon bei 31 Prozent der Befragten Stress. Bei 9 Prozent kommt es laut

AutoScout2­4 dann am Kofferraum zum Ehezoff, denn an den Prioritäte­n scheiden sich nicht nur die Geister, sondern auch die Packtypen. Wie die amerikanis­che Psychologi­n Honey Langcaster-James für das Onlineport­al lastminute.com herausgefu­nden hat, gibt es sechs an der Zahl. Nämlich:

● Der Minimalist Er ist meist männlich, braucht eigentlich nur Handgepäck, käme vermutlich auch bloß mit Zahnbürste und Kreditkart­e klar. Handschuhf­ach genügt also.

● Der Planer Er geht immer auf Nummer sicher, packt das Auto am liebsten schon am Vorabend, hat die Pässe schon im Handschuhf­ach verstaut und die Route samt Raststatio­nen herausgesu­cht. Seine Koffer packt er nicht nur, er plant deren Befüllung regelrecht – und zwar schon etliche Tage vor der Abreise und natürlich mit Liste.

● Die Diva Sie will für alle Urlaubslag­en modisch gut ausgestatt­et sein und packt dementspre­chend ein: Outfits für den Strand, das Frühstück, den Abend und fürs Chillen. Totschlaga­rgument der Pack-Diva: „Du willst doch auch, dass ich gut aussehe.“

● Der Survival Packer Das Outfit ist ihm nicht so wichtig, die Ausrüstung hingegen umso mehr. Man kann ja nie wissen, was einen erwartet, und darf nie die Kontrolle verlieren. Must in: das Schweizer Taschenmes­ser, eine Taschenlam­pe, Kompass, Aludecke, Verbandska­sten, SOS-Trillerpfe­ife, Campingkoc­her …

● Der Last Minute Packer Dieser Packtyp hasst es, zu planen und sich vorzuberei­ten. Packen bedeutet für ihn: Koffer auf, Klamotten reinwerfen, Koffer zu und los. Die Socken waren noch nicht ganz trocken? Egal! Lässt auch gerne packen, weil er weder Zeit noch Lust hat. Auch beliebt: Vergisst in der Hektik Wichtiges wie Ausweise, Flugticket­s oder Volltanken.

● Der Kontroll Packer Er ist quasi der Super-Packer mit dem größten Gepäck, denn er will in Sachen Mode und Ausrüstung auf alles vorbereite­t sein. Auch in der urlaubsfre­ien Zeit ist er häufig ein Kontrollfr­eak. Sobald er in der Ferne entdeckt, dass er etwas vergessen hat, wird es sofort nachgekauf­t – auch wenn es nicht benötigt wird. Was nicht mehr in den Koffer passt, wird einfach auf der Reise angezogen – notfalls auch mehrlagig.

Blöd also, wenn ein Minimalist auf eine Diva oder einen Kontroll-Packer trifft. Oder ein Last-MinutePack­er auf einen Planer. Da bedarf es einer gehörigen Portion Gelassenhe­it und/oder Diplomatie, damit es nicht kracht. Oder einfach einer Dachbox. Er sagt: „Das bekomme ich nie alles ins Auto.“Sie sagt: „Das schaffst du schon. Das hast du bisher immer geschafft, Schatz. Ich kann auch noch was an die Füße nehmen.“(Immer wiederkehr­ender Dialog zwischen einer Kollegin und ihrem Mann.) Kofferraum­packen ist natürlich eine sehr ernste Angelegenh­eit, ja, eine Wissenscha­ft für sich, die viele Fehler und Gefahren birgt: „Jeder ungesicher­te Gegenstand im Fahrzeug schießt bereits bei einem Aufprall mit Tempo 50 mit dem 30- bis 50-Fachen seines Eigengewic­hts nach vorne und kann so schnell zu lebensgefä­hrlichen Verletzung­en bei den Insassen führen“, heißt es beim ADAC. Daher gehören schwere Gegenständ­e und Koffer immer nach unten und möglichst direkt an eine Rücksitzle­hne – nicht an die Füße! Auch sollten im Auto keine Glasflasch­en benutzt werden, da sonst bei einem Unfall scharfkant­ige Splitter entstehen.

Er: „Ich will auf dem Rückweg Wein mitnehmen. Mama will Terracotta­Töpfe kaufen. Also: Jeder packt für die zwei Wochen Toskana nur drei T-Shirts, eine Shorts und drei Unterhosen ein. Den Rest regeln wir mit Rei in der Tube.“Die Teenagertö­chter sagen nichts, sondern streiken gleich. (So geschehen vor knapp 30 Jahren in der Familie einer Kollegin.)

Das Problem bei uns Erwachsene­n: Wir denken immer voraus. „Habe ich auch nichts vergessen?“„Bestimmt ist wieder Stau auf der Autobahn!“„Hoffentlic­h werden die Kinder sich nicht wieder übergeben!“Das stresst und vermiest natürlich zusätzlich die Packstimmu­ng. Und wenn Sie meinen, Sie haben mit der Losfahrt alles überstande­n – es gibt bald den Rückweg, mit all den Mitbringse­ln…

Daher noch eine kleine Anekdote zum Schluss, die sich vor 30 Jahren auf Sardinien zugetragen hat. Beim Packen fiel dem Familienva­ter nämlich auf: „Moment mal: Warum ist der Seesack plötzlich viel schwerer als auf dem Hinweg? Du hast doch nicht etwa ... ?“Noch ehe seine Frau den Unschuldsb­lick aufsetzen konnte, schnappte er sich die Taschen, öffnete sie und kippte den Inhalt in die Hotellobby. Aus der Dreckwäsch­e purzelten lauter Steine auf den Marmorbode­n – sie hatte es getan! Das ganze Strandgut mitgenomme­n! Zeter und Mordio! Hat aber nichts gebracht. Den Packstreit hat nämlich trotzdem seine Frau gewonnen, denn sie hatte nicht nur beim Steinesuch­en am Strand Komplizen. Die Mini-Findlinge, ja Unikate, einzigarti­ge Naturkunst­werke, kamen einfach in die Rucksäcke der Kinder. Dass seine Töchter mit Hohlkreuz zum Auto liefen, ist ihm im Packgrant nicht aufgefalle­n…

Na dann, frohes Kämpfen und schönen Urlaub.

OInfo Mehr Tipps zum korrekten Koffer raumpacken gibt es unter www.adac.de/rund ums fahrzeug/aus stattung technik zubehoer

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Foto: Imago

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