Augsburger Allgemeine (Land West)
Auf Flügeln des Gesanges
Philharmonischer Chor feiert sein Jubiläum
Die beiden Programmhälften des Jubiläumskonzerts in der fast ausverkauften Kongresshalle – Haydn und Mendelssohn hier, Gershwin und Filmmusik dort – repräsentierten die Welten, durch die sich der Chor, ob als Liedertafel, Oratorienverein oder (seit 1970) als Philharmonischer Chor, „auf Flügeln des Gesanges“immer bewegte: Treue zur Tradition und Aufgeschlossenheit für das Neue. Die zwei eröffnenden Chorsätze, „Stimmt an die Saiten“aus Haydns „Schöpfung“und Mendelssohns „Alles, was Odem hat“aus dem „Lobgesang“verwiesen auf die stets gepflegte Kooperation von Philharmonischem Chor und Augsburger Philharmonikern für die Aufführungen großer Hauptwerke der Chorliteratur.
Aus der Darbietung beider Stücke, von Dirigent Wolfgang Reß höchst markant und schwungvoll angepackt, von Sängern und Instrumentalisten mit punktgenauen Einsätzen und prachtvollem Klangvolumen wiedergegeben, konnte man Stolz und Freude der Beteiligten über all das Erreichte förmlich heraushören. Gleiches gilt für die verdienstvolle Wiedergabe von Mendelssohns wenig bekannter Chorballade nach Goethe „Die erste Walpurgisnacht“(im Gründungsjahr 1843 uraufgeführt). Das Programmheft wie die humorvolle, bisweilen etwas langatmige Moderation durch Matthias Keller ließen das Publikum allerdings in Bezug auf dieses originelle Stück ein wenig im Stich: Es ist die ironisch-romantische Geschichte einer Konfrontation von heidnischem und christlichem
Mendelssohns Sympathien für das heidnische Volk
Kult, bei der sich die Druiden und ihr Volk mit einem spektakulären Mummenschanz und Hexensabbat (Walpurgisnacht!) an den christlichen Unterdrückern rächen. Mendelssohn hat Goethes Text mit raffinierten klanglichen und rhythmischen Mitteln und mit deutlicher Sympathie für das heidnische Volk in Töne gesetzt. Chor und Orchester ließen sich keine Feinheit entgehen und sorgten mit den höchst engagierten Solisten Kerstin Descher (Alt), Ulrich Reß (Tenor) und Maximilian Lika (Bass) für eine begeistert aufgenommene Wiedergabe.
Nach der Pause der Sprung ins 20./21. Jahrhundert. Vorher noch ein Zwischenstopp bei Gershwins „Porgy and Bess“. Hier durfte Isabell Münsch ihr Publikum mit „Summertime“verzücken. Dann zur Filmmusik, die auch in klassischen Symphoniekonzerten immer mehr Raum findet. Zu Recht, denn Komponisten wie John Williams, Nino Rota stehen für hohe formale und klangliche Qualität, wobei das Primat des Melodischen und der Breitwandsound als Markenzeichen erhalten blieben. Es ging sofort packend los mit John Williams’ „Dry Your Tears, Africa“, das „James Bond Thema“von Norman/Barry ließ unvermeidliche Schauer über den Rücken laufen, James Horners „Avatar Suite“und Elmer Bernsteins „Halleluja Trail“zogen klangmächtig vorüber. Wolfgang Reß’ Begeisterung für Sound und Drive dieser Musik hielt Sänger und Instrumentalisten förmlich in Bann.
Es gab auch stille Momente: Mit „They’ll Remember You“aus John Ottmans Stauffenberg-Film „Operation Walküre“und „Gabriella’s Song“von Stefan Nilsson aus dem bezaubernden Chorfilm „Wie im Himmel“hinterließ Isabell Münsch die Besucher tief bewegt.
Das letzte Wort hatte, als Zugabe, überraschend Carl Orff. Der mächtige Schlusschor aus den „Carmina Burana“konnte nicht mehr getoppt werde. Der Saal tobte.