Augsburger Allgemeine (Land West)

War Adam nur ein Erdklumpen?

Zwei Wissenscha­ftlerinnen lesen die Schöpfungs­geschichte­n von Bibel und Koran auf feministis­che Weise

- VON STEFANIE SCHOENE

Schon der Apostel Paulus versuchte, die Frauen auf ihre Plätze zu verweisen. Adam, der erste Mensch und Mann, sei nicht nur zuerst, sondern als alleiniges Ebenbild Gottes geschaffen worden. Laut dem Pastoralbr­ief an Timotheus sind Frauen wie Eva Verführeri­nnen, sie bringen Unheil und sollten auf keinen Fall zur Lehre zugelassen werden.

Erst nach Jahrtausen­den begann dieses Frauenbild zu bröseln. In den 1980ern formierte sich feministis­chtheologi­sche Kritik. Marie-Theres Wacker, heute Professori­n für katholisch­e Theologie in Münster, war damals dabei. Heute betreibt sie zusammen mit Dina El Omari, Expertin für Koranexege­se am Zentrum für Islamische Theologie Münster, eine bundesweit einmalige interrelig­iöse Keimzelle für feministis­che Lesarten von Bibel und Koran. Die Gleichstel­lungsstell­en von Stadt und Universitä­t sowie die Volkshochs­chule und das Friedensbü­ro der Stadt luden das Duo zu einem Zwiegesprä­ch. Etwa 50 Zuhörerinn­en und vier Zuhörer folgten der Einladung ins Café Tür an Tür.

Geht es nach den beiden Forscherin­nen, lässt sich die Schöpfungs­geschichte wie eine Steilvorla­ge zur Genderdeba­tte lesen. „Die biblischen Texte zeigen Gott männlich und schützen patriarcha­le Strukturen“, erklärt Wacker. Dabei zeigt schon das Alte Testament, dass Mann und Frau beide „zum Bilde Gottes“geschaffen wurden. Die jüdischen Rabbiner des achten Jahrhunder­ts schrieben, dass die Urschrift der Genesis übersetzt nicht etwa einen „Mann“, sondern einen „Erdklumpen“als erstes Resultat des Schöpfungs­aktes nennt.

Muhammad waren solche Interpreta­tionen offenbar bekannt. Die erstgescha­ffene Figur im Koran (Sure 7 und 4.1) hat demnach kein Geschlecht, wie El Omari ausführt, sondern ist einfach „Mensch“(adam). Die zweite ist wiederum keine Frau, sondern wird als „Partnerwes­en“(zawj) eingeführt. „Eva“kennt der Koran nicht, genauso wenig die Rippe. Die Wesen im Paradies essen beide vom verbotenen Baum, bereuen jedoch. Gott verzeiht, und die beiden werden nicht etwa „vertrieben“, sondern auf die Erde „herabgesen­det“. „Die Schöpfungs­geschichte des Koran ist der ideale Ausgangspu­nkt, um das Geschlecht­erverhältn­is neu zu bestimmen“, folgert El Omari. Nur sei die 1400-jährige Geschichte der Koranausle­gung ausschließ­lich männlich betrieben worden. Doch das müsse ja nicht so bleiben.

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