Augsburger Allgemeine (Land West)
War Adam nur ein Erdklumpen?
Zwei Wissenschaftlerinnen lesen die Schöpfungsgeschichten von Bibel und Koran auf feministische Weise
Schon der Apostel Paulus versuchte, die Frauen auf ihre Plätze zu verweisen. Adam, der erste Mensch und Mann, sei nicht nur zuerst, sondern als alleiniges Ebenbild Gottes geschaffen worden. Laut dem Pastoralbrief an Timotheus sind Frauen wie Eva Verführerinnen, sie bringen Unheil und sollten auf keinen Fall zur Lehre zugelassen werden.
Erst nach Jahrtausenden begann dieses Frauenbild zu bröseln. In den 1980ern formierte sich feministischtheologische Kritik. Marie-Theres Wacker, heute Professorin für katholische Theologie in Münster, war damals dabei. Heute betreibt sie zusammen mit Dina El Omari, Expertin für Koranexegese am Zentrum für Islamische Theologie Münster, eine bundesweit einmalige interreligiöse Keimzelle für feministische Lesarten von Bibel und Koran. Die Gleichstellungsstellen von Stadt und Universität sowie die Volkshochschule und das Friedensbüro der Stadt luden das Duo zu einem Zwiegespräch. Etwa 50 Zuhörerinnen und vier Zuhörer folgten der Einladung ins Café Tür an Tür.
Geht es nach den beiden Forscherinnen, lässt sich die Schöpfungsgeschichte wie eine Steilvorlage zur Genderdebatte lesen. „Die biblischen Texte zeigen Gott männlich und schützen patriarchale Strukturen“, erklärt Wacker. Dabei zeigt schon das Alte Testament, dass Mann und Frau beide „zum Bilde Gottes“geschaffen wurden. Die jüdischen Rabbiner des achten Jahrhunderts schrieben, dass die Urschrift der Genesis übersetzt nicht etwa einen „Mann“, sondern einen „Erdklumpen“als erstes Resultat des Schöpfungsaktes nennt.
Muhammad waren solche Interpretationen offenbar bekannt. Die erstgeschaffene Figur im Koran (Sure 7 und 4.1) hat demnach kein Geschlecht, wie El Omari ausführt, sondern ist einfach „Mensch“(adam). Die zweite ist wiederum keine Frau, sondern wird als „Partnerwesen“(zawj) eingeführt. „Eva“kennt der Koran nicht, genauso wenig die Rippe. Die Wesen im Paradies essen beide vom verbotenen Baum, bereuen jedoch. Gott verzeiht, und die beiden werden nicht etwa „vertrieben“, sondern auf die Erde „herabgesendet“. „Die Schöpfungsgeschichte des Koran ist der ideale Ausgangspunkt, um das Geschlechterverhältnis neu zu bestimmen“, folgert El Omari. Nur sei die 1400-jährige Geschichte der Koranauslegung ausschließlich männlich betrieben worden. Doch das müsse ja nicht so bleiben.