Augsburger Allgemeine (Land West)
Ein Autofahrer rastet aus
Eine Ampel springt auf Grün, ein Mann hupt. Im August vergangenen Jahres eskaliert die banale Situation in Oberhausen. Weil ein 40-Jähriger ein Messer zieht, kommt es zu einer spektakulären Festnahmeaktion
Es war eine Szene wie aus einem Action-Film, die sich am Abend des 25. August 2017 zahlreichen Passanten bot, die am Eschenhof in Oberhausen auf eine Tram warteten: Ein ziviles Fahrzeug der Polizei kam mit Blaulicht auf der Gegenfahrbahn der Donauwörther Straße angerast, scherte nach rechts, stellte sich dann quer. Zwei Beamte sprangen mit gezogenen Waffen heraus, stoppten einen VW-Golf und legten den Fahrer in Handschellen. Grund für die Aktion war ein Streit kurz zuvor zwischen zwei Autofahrern, der nun das Amtsgericht beschäftigte.
An der Einmündung der Stuttgarter Straße in die Donauwörther Straße hatte der Golf-Lenker bei Ampelrot gewartet. Hinter ihm stand ein 41-jähriger Autofahrer mit Ehefrau und einem vierjährigen Sohn. Als die Ampel auf Grün schaltete und der Golf-Fahrer nicht losfuhr, hupte der andere – eine Szene, wie sie sich häufig abspielt. In diesem Fall aber rastete der Angehupte aus. Er stoppte nach wenigen Metern auf der Donauwörther Straße, stieg aus, beschimpfte den anderen Fahrer, einen Kurden, als „Scheiß Ausländer“, trat gegen dessen Fahrzeug, zog schließlich ein Messer aus seinem Gürtel und bedrohte damit seinen Gegner. Genau diese Situation war es, die wenig später zu der Polizeiaktion führte. Zwei Zivilbeamte hörten Geschrei und sahen, wie auf der anderen Straßenseite ein Mann einen Gegenstand aus der Hüfte zieht. „Wir dachten sofort an eine Schusswaffe und fuhren los, wegen der erhöhten Tramtrasse in der Mitte auf der Gegenfahrbahn“, sagt einer der Polizisten im Prozess.
Der jetzt wegen Nötigung, Sachbeschädigung, Beleidigung und Bedrohung angeklagte Golf-Fahrer (Verteidiger: Bernhard Trögl) ist sich keiner großen Schuld bewusst. Erregt schildert er seine Version. Er habe bei Grün an der Ampel warten müssen, weil ein Passant langsam die Fahrbahn überquert habe. Sein Hintermann habe dauernd gehupt und die Lichthupe betätigt, auch als man schon losgefahren sei. „Ich habe dann angehalten, um ihn vorbei zu lassen“, behauptet er. Doch der andere Fahrer sei ausgestiegen, habe ihn beleidigt. Und dann habe dieser Mann ein Klappmesser gezogen und ihn mit dem „Abstechen“bedroht. Quasi in Notwehr will der Angeklagte sein Messer aus dem Gürtel geholt haben. „Das einzige, wo ich mich schuldig gemacht habe, ist, dass ich vor lauter Wut gegen sein Auto getreten habe“, bekennt der Angeklagte. Der andere Autofahrer und seine Ehefrau schildern dem Gericht, wie sie sich angesichts des erhobenen Messers des Angeklagten vor lauter Angst im Auto ganz nach rechts auf die Beifahrerseite gedrückt hätten, wie das kleine Kind geschrien habe. Die Aussagen eines Zeugen und der beiden Polizisten bestätigen die Anklage. Staatsanwalt Benedikt Weinkamm nimmt dem Angeklagten die Notwehrsituation nicht ab, bezeichnet dessen Verhalten als „aufbrausend, aggressiv und fremdenfeindlich“. Richter Roland Fink sagt, es sei völlig unverständlich, dass der Angeklagte im Straßenverkehr ein derart wuchtiges Messer bei sich getragen habe. „Ein einziger Stoß damit kann tödlich sein“. Ebenso nicht verstehen kann der Richter, dass man, weil man angehupt wird, so in Rage geraten könne. „So etwas kommt im Verkehr millionenfach vor.“
Das Gericht lässt am Ende den Vorwurf der Nötigung fallen und verurteilt den 40-Jährigen im Übrigen zu einer Geldstrafe von 4500 Euro (100 Tagessätze zu je 45 Euro). Seinen Führerschein, im Februar beschlagnahmt, bekommt er frühestens in fünf Monaten wieder, falls das Urteil rechtskräftig wird.