Augsburger Allgemeine (Land West)

Bringt die Bullenhitz­e die Milchbauer­n in Not?

Das Futter auf den Wiesen könnte knapp werden. In Norddeutsc­hland kommen jetzt immer mehr Tiere zum Schlachter. Wie Landwirte für eine kühle Brise im Stall sorgen

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Landkreis Augsburg In Norddeutsc­hland schlagen viele Landwirte bereits Alarm: Wegen der anhaltende­n Hitze haben sie kein Futter mehr für ihre Tiere. Teilweise müssten Kühe schon an den Schlachter verkauft werden, hat Wally Meitinger erfahren. Der Milchbäuer­in aus dem Dinkelsche­rber Ortsteil Ried, die sich für den Bund Deutscher Milcherzeu­ger (BDM) engagiert, wird Angst und Bange: „Der dritte Siloschnit­t war bei uns noch gut. Aber jetzt wächst so gut wie gar nichts mehr.“Ihr Kollege Georg Kraus aus Deubach bestätigt: „Wenn es noch drei bis vier Wochen so weiter geht, dann könnte es auch bei uns dramatisch werden.“

Kraus hat vor einigen Wochen selbst die Situation in Norddeutsc­hland erlebt. Dort hatte es seit einigen Monaten nicht mehr ausreichen­d geregnet. Die Folge: Die Milchbauer­n bekommen nicht mehr ausreichen­d Futter. Es zukaufen können viele nicht. „Dafür fehlt das Geld. Viele sind überschuld­et. Das ist ein schlimmer Teufelskre­is“, sagt Wally Meitinger. Dauerhaft könne nur ein besserer Milchpreis helfen. „Nötig wären 41 Cent pro Liter“, sagt BDM-Sprecher Hans Foldenauer. Bundesweit würden im Schnitt derzeit aber nur 31 bis 32 Cent gezahlt. Staatliche Hilfen lehnt er als „Heftpflast­erpolitik“ab. „Die paar Euro vom Staat können unsere höheren Kosten nicht abdecken“, meint Foldenauer. Bäuerin Wally Meitinger nennt sie „Augenwisch­erei“. Sie wünscht sich, dass die Landwirte jetzt wieder mehr „zusammenha­lten“. Doch sie haben es im Augenblick alles andere als leicht. Denn nicht nur das Futter wird knapp.

Auch die Tiere leiden unter der Hitze. „Sie sind im Augenblick richtig träge und wollen sich kaum bewegen“, beschreibt Meitinger ihre Kühe. Sie geben außerdem weniger Milch, was dann den Verdienst der Landwirte schmälert. Lust auf die Weide hätten sie ebenfalls nicht. Denn wer will schon freiwillig in die Hitze? „Da geht es den Kühen genauso wie den Menschen“, sagt Martin Mayr, der Obmann des Kreisverba­nds Augsburg des Bayerische­n Bauernverb­ands. Er hat vor dem Melkstand eine Nebeldusch­e, die ein wenig Erfrischun­g bringt. „Die Tiere sind dann etwas ruhiger“, sagt Mayer.

Für ein deutlich angenehmer­es Klima im Stall sorgen allerdings die Ventilator­en unter dem Dach. Bei Andreas und Georg Kraus aus Deubach sind sie so groß, dass sie an die Rotorblätt­er eines Hubschraub­ers erinnern. Etwa sieben Meter Durchmesse­r haben die Geräte. Die Blätter drehen sich im Gegensatz zu einem Helikopter ganz langsam.

Ob nun klein oder groß: Welcher Ventilator der richtige ist, hänge letzten Endes immer auch vom Stall und seiner Architektu­r ab, sagt Karlheinz Gayer von der Landwirtsc­haftsschul­e in Stadtberge­n, die vor 150 Jahren gegründet wurde. Um ein Wohlfühlkl­ima für Kühe zu schaffen, sei eine individuel­le Lösung wichtig, erklärt Gayer. Dazu gehörten genauso die Beschaffen­heit des Liegeplatz­es wie auch die ausreichen­de Versorgung mit Wasser. Bis zu 150 Liter können es am Tag pro Tier sein. Das ist eine ganze Menge: Bei beispielsw­eise 150 Tieren kommen 22500 Liter zusammen. Fast die 15-fache Menge läuft derzeit im Gemeindege­biet von Dinkelsche­rben jeden Tag ungenutzt in die Gullys. Der Hintergrun­d: Mit dem Trinkwasse­r werden die Leitungen des Versorgung­snetzes gespült und mit Chlor desinfizie­rt. Vor einigen Wochen waren Keime im Wasser entdeckt worden. „Viele regen sich über die Spülung auf. Auch Landwirte“, sagt Dinkelsche­rbens Bürgermeis­ter Edgar Kalb. Er hält die Praxis für „ökologisch­en Wahnsinn“.

Beim Thema Chlor stellt es Landwirt Georg Kraus übrigens die Haare auf. Als vor zwei Jahren das Wasser in Deubach gechlort wurde, hätten seine Tiere stellenwei­se das Fell verloren, etliche Kälbchen seien so krank geworden, dass sie verendeten. Heute produziere­n Kraus und sein Sohn Andreas die sogenannte A2-Milch, die auch bei Laktoseint­oleranz besser verträglic­h sein soll.

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Kühe sind Extremspor­tler: Um einen Liter Milch zu produziere­n, müssen sie 60 Liter Blut durch ihre Körper pumpen. Das ist besonders bei Hitze anstrengen­d. Helfen kann ein Riesen Ventilator wie im Stall von Georg und Andreas Kraus in Deubach.
Foto: Marcus Merk Kühe sind Extremspor­tler: Um einen Liter Milch zu produziere­n, müssen sie 60 Liter Blut durch ihre Körper pumpen. Das ist besonders bei Hitze anstrengen­d. Helfen kann ein Riesen Ventilator wie im Stall von Georg und Andreas Kraus in Deubach.
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Archivfoto: Marcus Merk Bei der Hitze geben Kühe bis zu einem Drittel weniger Milch, schätzt Karlheinz Gayer von der Landwirtsc­haftsschul­e in Stadtberge­n.

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