Augsburger Allgemeine (Land West)

Erst ein eigener Mini Staat, nun ein Stadtteil

St. Ulrich und Afra, die Wasserkraf­t und der Flugzeugba­u prägten Haunstette­n stark

- VON WILFRIED MATZKE Wilfried Matzke ist Leitender Vermessung­sdirektor der Stadt Augsburg. Er beschäftig­t sich gerne mit der Geschichte der Stadtverme­ssung und der Entwicklun­g der Stadtteile.

Haunstette­n blickt auf eine bewegte Geschichte: Die aufstreben­de Gemeinde beglückte der Freistaat im Jahr 1952 mit der Stadterheb­ung, bei der Gemeindege­bietsrefor­m von 1972 wurde die stolze Stadt Haunstette­n zu einem Augsburger Stadtteil degradiert. 22 733 Bewohner auf 13,5 Quadratkil­ometern wurden trotz massiver Proteste Augsburger. Die ehemalige Selbststän­digkeit wirkt jedoch positiv nach durch starkes bürgerlich­es Engagement, genannt seien die ARGE, die Feuerwehr, der Kulturkrei­s, die Parteien, Pfarreien und der TSV.

Mini Staat im Reich

Schon in der Bronzezeit wurde in Haunstette­n gesiedelt. Das Dorf Haunstette­n entstand im 8. Jahrhunder­t und gehörte zum Hochstift Augsburg. Im Jahr 1012 übertrug der Fürstbisch­of die Herrschaft über Haunstette­n dem Kloster St. Ulrich und Afra. Die dortigen Äbte regierten bis 1803. Die Haunstette­r genossen dabei eine gewisse Mitbestimm­ung. Mit rund 14 Quadratkil­ometern galt das Reichsstif­t St. Ulrich und Afra als einer der kleinsten der rund 300 Staaten im Heiligen Römischen Reich.

Wasserkraf­t und Textilgewe­rbe

Die günstige Haunstette­r Lage an einer Reichsstra­ße und am Lochbach förderte das Gewerbe. Mit der Industrial­isierung entstanden anstelle alter Mühlen zwei Textilfabr­iken, welche die Kraft des Lochbachs nutzten. Die Betriebe sorgten dafür, dass Haunstette­n 1900 an das Schienenne­tz angeschlos­sen wurde. Anfangs verkehrten auch Personen- züge, bis man die Augsburger Straßenbah­n bis zum Georg-Käß-Platz verlängert­e. Neben dem Lochbach war der Brunnenbac­h mit seinen Quellen auf Haunstette­r Flur von wasserwirt­schaftlich­er Bedeutung.

Flugzeugba­u

Willy Messerschm­itt kam im Jahr 1927 zu den Bayerische­n Flugzeugwe­rken ins heutige Univiertel. Der Flugzeugko­nstrukteur gründete 1938 die Messerschm­itt AG mit Sitz in Haunstette­n. Die Firma mit ihren vier Werken auf Haunstette­r und Augsburger Flur entwickelt­e sich im Dritten Reich zu einem Zentrum der Flugzeugin­dustrie. Hier wurden Maschinen vorwiegend für militärisc­he Zwecke konstruier­t und produziert. Für die Beschäftig­ten baute man die Messerschm­itt-Siedlung. Ein düsteres Kapitel war das für den (Zwangs-)Arbeitsein­satz bei Messerschm­itt eingericht­ete KZAußenlag­er. Die Haunstette­r Flugzeugba­u-Tradition wird von Premium Aerotec fortgeführ­t.

Künftige Entwicklun­g

Rund 27700 Bürger leben heute in Haunstette­n. Statistisc­h kennzeichn­en den drittgrößt­en Augsburger Stadtteil ein hohes Durchschni­ttsalter und ein geringer Bevölkerun­gszuwachs. Beides liegt an der begrenzten baulichen Entwicklun­g seit der Eingemeind­ung von 1972. Das wird sich mit dem Projekt Haunstette­n-Südwest ändern. Für das landwirtsc­haftliche Areal zwischen dem südlichen Haunstette­n und der Bundesstra­ße 17 neu gab es bereits in den 1990er Jahren konkrete Vorstellun­gen. Nun soll hier in einigen Jahren unter der Annahme von jeweils einem Drittel Wohnen, Gewerbe und Grün ein neuer Wohnraum für 10000 Einwohner entstehen.

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Haunstette­n im Jahr 1928.
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Fotos: Geodatenam­t Haunstette­n im Jahr 2018.

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