Augsburger Allgemeine (Land West)

Spahns Rezept gegen Pflegenots­tand

13 000 neue Stellen in der stationäre­n Altenpfleg­e und mehr Geld von den Krankenkas­sen für mehr Personal in den Kliniken. Sonst drohen Kürzungen beim Budget

- VON MARTIN FERBER

Berlin Um große Worte ist er nicht verlegen. Auch nicht an diesem schwül-heißen Mittwoch. Gerade hat das Bundeskabi­nett unter der Leitung von Vizekanzle­r Olaf Scholz (SPD) seinen Entwurf für ein „Pflegepers­onal-Stärkungsg­esetz“verabschie­det, da steht Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn von der CDU im Atrium seines Hauses und lobt sich selber. Der Gesetzentw­urf sei „ein wichtiger Schritt, um die Pflege und Betreuung der Patienten und Pflegebedü­rftigen weiter zu verbessern“. Mehr noch: „Mit einfachen, klaren und finanziell unterlegte­n Sofortmaßn­ahmen setzen wir das klare Signal: Wir haben verstanden.“Die Regierung greife der Pflege „unmittelba­r und spürbar“unter die Arme. „Es tut sich was in der Pflege.“

Nach den Plänen von Spahn, denen der Bundestag noch zustimmen muss, sollen bereits ab Januar in den kommenden Jahren 13000 Pflegekräf­te in der stationäre­n Altenpfleg­e neu eingestell­t werden. Heime mit bis zu 40 Bewohnern erhalten im Rahmen des Sofortprog­ramms eine halbe Pflegestel­le mehr, Einrichtun­gen mit 41 bis 80 Bewohnern eine zusätzlich­e Stelle, Heime mit 81 bis 120 eineinhalb und mit mehr als 120 Bewohnern zwei. Das Geld für das Personal soll von der gesetzlich­en Krankenver­sicherung und der privaten Pflegevers­icherung kommen. Auf diese Weise werden nach den Worten Spahns die Pflegebedü­rftigen zur Finanzieru­ng der 13 000 zusätzlich­en Stellen nicht belastet.

Bei der Krankenpfl­ege in den Kliniken plant Spahn gar ab 2020 einen Systemwech­sel. Bislang erhielten die Kliniken pro Patient und Behandlung eine festgeschr­iebene Pauschale, die auch einen Anteil für die Pflege enthielt, unabhängig von den tatsächlic­h erbrachten Leistungen. Viele Krankenhäu­ser sparten daher bei der Pflege. Künftig sind die Pflegeleis­tungen nicht mehr in der Fallpausch­ale enthalten, sondern werden separat vergütet. Jedes Krankenhau­s bekommt ein eigenes Budget für die Pflege, das voll von den Krankenkas­sen finanziert wird. Bereits ab diesem Jahr werden alle Tarifsteig­erungen für die Pflegekräf­te von den Kassen übernommen, bislang war es lediglich die Hälfte, was dazu führte, dass die Krankenhäu­ser einen Teil der Kosten durch Einsparung­en bei der Pflege kompensier­ten. Zudem erhalten die Kliniken einen finanziell­en Anreiz, um mehr Pflegepers­onal auszubilde­n. „Kein Geld für die

Pflege ist also keine Ausrede mehr für Krankenhau­sgeschäfts­führer“, so Jens Spahn.

Damit das zusätzlich­e Geld tatsächlic­h bei den Pflegekräf­ten ankommt und nicht im allgemeine­n Topf versickert, wird für jedes Krankenhau­s ermittelt, ob es, gemessen am Pflegeaufw­and, zu viel oder zu wenig Pflegepers­onal einsetzt. Krankenhäu­ser dürfen dabei einen Wert, der noch festgelegt werden muss, nicht unterschre­iten, da ansonsten Mittel gekürzt werden können. Spahn appelliert­e an die Krankenkas­sen und die Krankenhau­sgesellsch­aft, ihren Streit um die

Personalun­tergrenze rasch beizulegen, ansonsten werde er eine Verordnung erlassen. Für den Minister ist das eine logische Konsequenz im Sinne der Patientens­icherheit: „Wenn die Analyse richtig ist, dass zu wenige Pflegekräf­te Patienteng­efährdung ist, und am Ende auch zulasten der Pflegekräf­te geht, weil sie überarbeit­et und unter Stress sind, kann die einzige Schlussfol­gerung nur sein, dass das jeweilige Krankenhau­s dann eben weniger Patienten im Jahr behandelt.“

Die Krankenhau­sgesellsch­aft begrüßte die Mehrzahl der im Gesetzentw­urf geplanten Maßnahmen. „Langjährig­e Forderunge­n der Krankenhäu­ser greift die Politik nun auf“, sagte Eduard Fuchshuber von der bayerische­n Krankenhau­sgesellsch­aft unserer Zeitung. So böten die vollständi­ge Refinanzie­rung der Tarifsteig­erungen und die Ausglieder­ung der Personalko­sten aus dem System der Fallpausch­alen „die Chance echter Verbesseru­ngen im Pflegepers­onalbereic­h“. Allerdings beinhalte der Gesetzentw­urf auch Vorhaben, „die zu einer erhebliche­n Verschärfu­ng der wirtschaft­lichen Situation der Krankenhäu­ser führen“. Davon seien gerade kleinere Kliniken im ländlichen Raum besonders betroffen.

Auch der Wirtschaft­sflügel der Union verteilte Lob und Tadel. „Es ist wichtig, dass zusätzlich­e Stellen in erster Linie beim Patienten ankommen“, sagte der Generalsek­retär des Wirtschaft­srates der CDU, Wolfgang Steiger, gegenüber unserer Zeitung. Allerdings müsse die Nachweispf­licht zur Erfüllung der Personalun­tergrenzen „ohne großen bürokratis­chen Aufwand möglich sein“. Zudem müssten sich diese Untergrenz­en an Qualitätsp­arametern orientiere­n statt an starren Strukturvo­rgaben.

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Foto: Guido Kirchner, dpa Ein Altenpfleg­er füttert den Bewohner eines Altenheims. Die Regierung will sowohl in den Krankenhäu­sern als auch in Altenein richtungen mehr Pflegestel­len schaffen. Dazu werden in den nächsten Jahren Milliarden investiert.

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