Augsburger Allgemeine (Land West)

Gegenwind für Kanzler Kurz

Der als Macher gefeierte Regierungs­chef wird für seine weitgehend­en Reformproj­ekte kritisiert – auch in den eigenen Reihen

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

Wien Sebastian Kurz ist angetreten als Kanzler der Reformen. Doch nach gut einem halben Jahr im Amt wächst die Kritik an dem österreich­ischen Bundeskanz­ler. Die Zustimmung für seine rigide Flüchtling­spolitik ist zwar weiterhin groß. Doch die Reformvorh­aben in der Gesundheit­s- und Sozialpoli­tik sorgen für Unruhe, sogar an der Basis der konservati­ven ÖVP und der rechtspopu­listischen FPÖ, die die Regierungs­koalition bilden.

Vor allem die christlich-sozial orientiert­en ÖVP-Mitglieder sind unzufriede­n mit der Politik des Kanzlers. Denn das Gesetz zur Flexibilis­ierung der Arbeitszei­t, ein Wahlverspr­echen der Koalition für die Arbeitgebe­r, das ab dem 1. September die 60 Stunden Woche ermöglicht, bringt an der Basis Grundüberz­eugungen ins Wanken. Die seit ihrer Wahlnieder­lage nahezu abgetaucht­e sozialdemo­kratische SPÖ erweckte die Arbeitszei­treform hingegen zu neuem Leben. In Wien gingen mehr als 100000 Demonstran­ten gegen den „Zwölf-StundenTag“auf die Straße. Der Chef der Christlich­en Gewerkscha­fter bei den Metallern, der Linzer Betriebsra­tsvorsitze­nde Karl Kapplmülle­r, trat aus dem Bund der Österreich­ischen Arbeitnehm­er (ÖAAB) aus. Sein Kollege Josef Scheuchene­gger sagte: „Ich sehe das christlich-soziale Weltbild, das ich als Arbeitnehm­er ganz oben stehen hatte, nicht mehr.“Die christlich­e Orientieru­ng wird Kurz auch von dem einst sehr mächtigen Ex-Raiffeisen-Chef Christian Konrad abgesproch­en, der sich für Flüchtling­e engagiert. Kurz sei „in der Flüchtling­sfrage auf ein anderes Gleis abgebogen“, sagt Konrad. Die ÖVP sei keine „christlich-soziale Partei“mehr, auch wenn der Kanzler „in seinem Büro ein Kreuz hängen hat“.

Doch auch in der FPÖ grummelt es vernehmlic­h. Dort wird kritisch gefragt, ob die Regierung, in der FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache als Vizekanzle­r sitzt, nicht eher die Interessen der Großindust­rie als die Belange der kleinen Leute vertritt. Sozialmini­sterin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) sorgte auch in der eigenen Partei für Empörung, als sie in einem Interview erklärte, dass es möglich sei, mit 150 Euro monatlich seinen Lebensunte­rhalt zu bestreiten, wenn die Wohnung gestellt werde.

Eine dritte Konfliktli­nie zeichnet sich für den Kanzler ab: die von Kurz angekündig­te Föderalism­usreform. Neun Länderchef­s gestalten die Politik in der 8,8 Millionen Einwohner zählenden Alpenrepub­lik mit. Ihre Macht zu begrenzen, erweist sich als schwierige­s Unterfange­n. Sollte die Reform scheitern, ist der Ruf von Sebastian Kurz als Macher ernsthaft in Gefahr.

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Foto: Robert Jaeger, dpa Die Kritik an Bundeskanz­ler Sebastian Kurz wächst.

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