Augsburger Allgemeine (Land West)

Flugzeug und Autobauer arbeiten in Augsburg zusammen

Zwei Branchen, die lange getrennt Entwicklun­gen vorantrieb­en, nähern sich nun an. Es geht um Leichtbau und schwarzes Gold

- VON STEFAN STAHL

Augsburg Als Daimler noch ein großer, integriert­er Technologi­ekonzern war, gab es unter dem Stuttgarte­r Stern eine intensive Liaison zwischen Auto- und Flugzeugin­dustrie. Kritiker sprachen von einem Gemischtwa­renladen. Denn im Reich der früheren Konzernche­fs Edzard Reuter und Jürgen Schrempp gehörten allerlei Beteiligun­gen an Luftfahrtf­irmen (Dasa, Dornier, Fokker) zu dem Unternehme­n, das eigentlich mit der Automarke Mercedes identifizi­ert wird. Die Verbindung von Fahren und Fliegen scheiterte wirtschaft­lich. Schrempps Nachfolger Dieter Zetsche konzentrie­rte sich wieder auf das Wesentlich­e, also Autos, Lkws und Busse. Die hochfliege­nden Luftfahrtp­läne seiner Vorgänger waren dann endgültig Geschichte.

Doch Fahrzeug- und Luftfahrti­ndustrie haben, gerade was die Entwicklun­g neuer Technologi­en und Materialie­n betrifft, große Schnittmen­gen. So findet langsam wieder zumindest zu Kooperatio­nen zu- sammen, was lange getrennt wirkte. Dass die in Süddeutsch­land und besonders in unserer Region starken Branchen die Fühler vernehmbar nacheinand­er ausstrecke­n, ist einem gemeinsame­n Interesse geschuldet: Ingenieure aus dem Auto- wie dem Flugzeugba­u beschäftig­en sich intensiv damit, wie ihre Produkte leichter werden können, so weniger Sprit verbrauche­n und letztlich die Umwelt davon durch einen geringeren CO2-Ausstoß profitiert.

Die Luftfahrti­ndustrie ist hier ein Vorreiter: Ob Airbus oder Boeing, beide Flugzeughe­rsteller setzen – gerade bei Langstreck­en-Jets – intensiv auf leichte, aber dennoch steife Faserverbu­nd-Werkstoffe. Wegen der dunklen Farbe des Materials ist hier auch immer wieder vom schwarzen Gold die Rede. Ähnlich wie das Edelmetall sind diese in der Fachsprach­e kurz CFK genannten Materialie­n aber nach wie vor sehr teuer: Trotz Fortschrit­ten in der Automatisi­erung ist immer noch viel Detailarbe­it gefragt. Denn in diese Materialie­n wird etwa Harz injiziert und riesige Bauteile wie für den Airbus-Langstreck­enjet A350 müssen in sogenannte­n Autoklaven regelrecht gebacken werden. Das ist alles sehr aufwendig.

Was sich für die Luftfahrti­ndustrie mit viel geringeren Stückzahle­n als bei den Fahrzeughe­rstellern noch finanziell rechnen mag, lässt sich in der Fahrzeugpr­oduktion nur schwer wirtschaft­lich darstellen. Deswegen sehen Manager von Autokonzer­nen das schwarze CarbonGold weitaus skeptische­r als früher.

Das wiederum betrübt die Verantwort­lichen der Luftfahrti­ndustrie. Denn ihre große Hoffnung ist es nach wie vor, dass bei einem massenhaft­en Einsatz in der Autoindust­rie das Leichtbau-Material deutlich billiger wird.

Diese lange Vorgeschic­hte macht das, was sich gerade in Augsburg zuträgt, ausgesproc­hen interessan­t für die deutsche Industrie. Denn Premium Aerotec, ein zum AirbusKonz­ern gehörender Hersteller von Flugzeugte­ilen, und der Autozulief­erer Faurecia wollen es wissen. Beide mit großen Standorten in Augsburg vertretene­n Firmen versuchen im Technologi­ezentrum Augsburg gemeinsam ein Verfahren zu entwickeln, mit dem sich spezielle leichte Faserverbu­nd-Werkstoffe hochautoma­tisiert, schnell und damit kostengüns­tig herstellen lassen.

Mit von der technologi­schen Partie ist auch das belgische Unternehme­n Solvay, das Ausgangsma­terialien für diese Form des Leichtbaus anbietet. Begleitet wird das privat von den Firmen finanziert­e Projekt intensiv vom Institut für Textiltech­nik Augsburg. Der Geschäftsf­ührer der Einrichtun­g, Professor Stefan Schlichter, wirkt dabei wie eine Art Geburtshel­fer der Leichtbau-Allianz in der Region.

Auf Premium-Aerotec-Seite schiebt Joachim Nägele, Mitglied der Geschäftsf­ührung, das Projekt an. Auch Premium-Aerotec-Chef Thomas Ehm begrüßt die Zusammenar­beit mit dem Autozulief­erer. Unserer Zeitung sagte der Manager: „Mit der industriel­len Kooperatio­n schaffen wir das optimale Umfeld, um unsere Kenntnisse und Fähigkeite­n im Bereich der Rumpfstruk­turen der nächsten Flugzeugge­neration noch weiter auszubauen.“So rätseln Branchenke­nner, ob Airbus auch bei den Nachfolge-Flugzeugen der A320-Familie, also Maschinen, die 100 bis 240 Plätze bieten, auf einen schwarzen Carbon-Rumpf wie heute schon beim größeren Langstreck­en-Jet A350 setzt. Die zentrale strategisc­he Frage ist innerhalb des europäisch­en Airbus-Konzerns noch nicht entschiede­n. Für den Industries­tandort Deutschlan­d und gerade die rund 3900 PremiumAer­otec-Beschäftig­ten in Augsburg wird das Thema immens wichtig. Denn das schwäbisch­e Werk ist der Leichtbau-Spezialist des Unternehme­ns. Gelingt es Flugzeug- und Auto-Experten, in Augsburg nachzuweis­en, dass sich solche thermoplas­tischen und damit verformbar­en Verbundwer­kstoffe kostengüns­tig herstellen lassen, könnte das die Entscheidu­ng von Airbus, stärker auf das Material zu setzen, beeinfluss­en. Auch Boeing wird es nicht kaltlassen, was hinter verschloss­enen Türen in Augsburg erforscht wird. Am Ende könnte hier Technologi­e-Geschichte geschriebe­n werden. Nun hoffen die Verantwort­lichen, dass Vertreter der Bayerische­n Staatsregi­erung das erkennen und dem Projekt durch entspreche­nde Förderung noch mehr Dynamik verleihen.

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Foto: Hohlen Premium Aerotec setzt auf leichte Mate rialien für den Flugzeugba­u.

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