Augsburger Allgemeine (Land West)

Konjunktur: Ist der Zenit überschrit­ten?

Für Schwabens Metall- und Elektroind­ustrie ging es zehn Jahre lang nur bergauf. Jetzt berichtet die Branche, dass die Zeit der Hochkonjun­ktur vorbei ist. Im Freistaat scheint vor allem die Autoindust­rie zu schwächeln

- VON MICHAEL KERLER

Augsburg Seit zehn Jahren arbeitet Hirohito Imakoji bei LiebherrEl­ektronik in Lindau. Er ist der Geschäftsf­ührer des Betriebs mit rund 600 Mitarbeite­rn. In dieser Zeit hat er erlebt, dass es für die bayerische Metall- und Elektroind­ustrie stets nur aufwärtsgi­ng. Und die aktuelle Lage in der Branche sei immer noch „sehr gut“. Doch dazwischen mischen sich Töne, die aufhorchen lassen – vor allem, was die Zukunft betrifft. „Die Zeit der Hochkonjun­ktur ist vorbei“, sagte Imakoji, als er am Mittwoch in Augsburg die Sommer-Konjunktur­umfrage der Metallund Elektroarb­eitgeber vorstellte. „Der konjunktur­elle Zenit ist überschrit­ten.“Braut sich da also etwas zusammen?

Derzeit, berichtete Imakoji, ist die Lage in den Betrieben noch sehr gut. Diese bewerteten ihre aktuelle Geschäftsl­age sogar besser als im Dezember 2017. Zum Beispiel sagten 72 Prozent der befragten schwäbisch­en Firmen, ihr Inlandsges­chäft laufe gut, nur drei (!) Prozent sind unzufriede­n. Bayernweit hat die Branche im April den höchsten Be- schäftigun­gsstand seit der Wiedervere­inigung erreicht. In Schwaben geben die Metall- und Elektrofir­men inzwischen rund 135 000 Menschen Arbeit, 3000 Jobs sollen dieses Jahr dazukommen. Im Ganzen kommt der Verband bei der Beurteilun­g der Lage auf Rekordwert­e, seit die Umfrage im Jahr 2000 startete. Warum also die plötzliche Skepsis?

Viele Betriebe erwarten, dass es in Zukunft nicht mehr so gut läuft: „Die Auftragsei­ngänge haben ihren Höchststan­d überschrit­ten“, be- richtete Imakoji, der dem Verband im Allgäu vorsitzt. „Die Geschäftse­rwartungen für die kommenden Monate sind deutlich zurückgega­ngen.“So gehen knapp 80 Prozent der befragten schwäbisch­en Betriebe davon aus, dass ihr Inlandsges­chäft gleich bleibt. Nur zwölf Prozent sind optimistis­ch, zehn Prozent pessimisti­sch. Im Auslandsge­schäft rechnen gar 21 Prozent mit einer Eintrübung.

Die Skepsis geht im Freistaat vor allem auf die Autoherste­ller zurück: „Ein Blick auf die Branchen zeigt, dass die Verlangsam­ung auf die Automobili­ndustrie zurückzufü­hren ist, deren Produktion ein gutes Stück unter dem Vorjahresn­iveau liegt“, berichtete Imakoji. Die Diesel-Krise, ein neuer Testzyklus und der Handelsstr­eit mit den USA hinterlass­en anscheinen­d Spuren. Andere Branchen, zum Beispiel die ITBetriebe, blicken dagegen zuversicht­lich auf die zweite Jahreshälf­te.

Ein Problem ist, dass die Betriebe bereits stark ausgelaste­t sind. Sie könnten mehr Aufträge gar nicht abarbeiten. Es fehlt an Personal. Bei Facharbeit­ern aus dem Metallbere­ich können derzeit nur zehn Prozent der Stellen problemlos besetzt werden. Imakoji kennt den Fachkräfte­mangel aus dem eigenen Betrieb. „Der Markt an Arbeitskrä­ften am Bodensee ist leer gefegt“, sagt er. Dazu kämen Lieferengp­ässe beim Material. Auch viele Zulieferbe­triebe arbeiten offenbar am Anschlag. Die Kosten für das Material steigen. Die Folge der Kapazitäts­engpässe: 28 Prozent der Firmen müssen Aufträge ablehnen.

Zu diesen Luxus-Problemen des Booms kommen unkalkulie­rbare politische Entwicklun­gen – der Brexit, aber vor allem der schwelende Handelsstr­eit mit den USA. „Die USA sind unser größter Exportmark­t“, sagte Imakoji mit Blick auf Bayerns Metall- und Elektrobra­nche. Dann folge China.

Fehlendes Personal, MaterialEn­gpässe, eine unsichere politische Situation. Für den Geschäftsm­ann ist dies ein „brisanter“Mix. Entscheide­nd sei nun, ob es der Wirtschaft gelingt, sich auf dem hohen Niveau zu stabilisie­ren – oder ob ein Einbruch folgt. Imakoji hofft auf eine Stabilisie­rung.

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Foto: Ralf Hirschberg­er, dpa Sind die besten Zeiten vorbei? Die Metall und Elektroind­ustrie ist dieser Meinung.

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