Augsburger Allgemeine (Land West)
Konjunktur: Ist der Zenit überschritten?
Für Schwabens Metall- und Elektroindustrie ging es zehn Jahre lang nur bergauf. Jetzt berichtet die Branche, dass die Zeit der Hochkonjunktur vorbei ist. Im Freistaat scheint vor allem die Autoindustrie zu schwächeln
Augsburg Seit zehn Jahren arbeitet Hirohito Imakoji bei LiebherrElektronik in Lindau. Er ist der Geschäftsführer des Betriebs mit rund 600 Mitarbeitern. In dieser Zeit hat er erlebt, dass es für die bayerische Metall- und Elektroindustrie stets nur aufwärtsging. Und die aktuelle Lage in der Branche sei immer noch „sehr gut“. Doch dazwischen mischen sich Töne, die aufhorchen lassen – vor allem, was die Zukunft betrifft. „Die Zeit der Hochkonjunktur ist vorbei“, sagte Imakoji, als er am Mittwoch in Augsburg die Sommer-Konjunkturumfrage der Metallund Elektroarbeitgeber vorstellte. „Der konjunkturelle Zenit ist überschritten.“Braut sich da also etwas zusammen?
Derzeit, berichtete Imakoji, ist die Lage in den Betrieben noch sehr gut. Diese bewerteten ihre aktuelle Geschäftslage sogar besser als im Dezember 2017. Zum Beispiel sagten 72 Prozent der befragten schwäbischen Firmen, ihr Inlandsgeschäft laufe gut, nur drei (!) Prozent sind unzufrieden. Bayernweit hat die Branche im April den höchsten Be- schäftigungsstand seit der Wiedervereinigung erreicht. In Schwaben geben die Metall- und Elektrofirmen inzwischen rund 135 000 Menschen Arbeit, 3000 Jobs sollen dieses Jahr dazukommen. Im Ganzen kommt der Verband bei der Beurteilung der Lage auf Rekordwerte, seit die Umfrage im Jahr 2000 startete. Warum also die plötzliche Skepsis?
Viele Betriebe erwarten, dass es in Zukunft nicht mehr so gut läuft: „Die Auftragseingänge haben ihren Höchststand überschritten“, be- richtete Imakoji, der dem Verband im Allgäu vorsitzt. „Die Geschäftserwartungen für die kommenden Monate sind deutlich zurückgegangen.“So gehen knapp 80 Prozent der befragten schwäbischen Betriebe davon aus, dass ihr Inlandsgeschäft gleich bleibt. Nur zwölf Prozent sind optimistisch, zehn Prozent pessimistisch. Im Auslandsgeschäft rechnen gar 21 Prozent mit einer Eintrübung.
Die Skepsis geht im Freistaat vor allem auf die Autohersteller zurück: „Ein Blick auf die Branchen zeigt, dass die Verlangsamung auf die Automobilindustrie zurückzuführen ist, deren Produktion ein gutes Stück unter dem Vorjahresniveau liegt“, berichtete Imakoji. Die Diesel-Krise, ein neuer Testzyklus und der Handelsstreit mit den USA hinterlassen anscheinend Spuren. Andere Branchen, zum Beispiel die ITBetriebe, blicken dagegen zuversichtlich auf die zweite Jahreshälfte.
Ein Problem ist, dass die Betriebe bereits stark ausgelastet sind. Sie könnten mehr Aufträge gar nicht abarbeiten. Es fehlt an Personal. Bei Facharbeitern aus dem Metallbereich können derzeit nur zehn Prozent der Stellen problemlos besetzt werden. Imakoji kennt den Fachkräftemangel aus dem eigenen Betrieb. „Der Markt an Arbeitskräften am Bodensee ist leer gefegt“, sagt er. Dazu kämen Lieferengpässe beim Material. Auch viele Zulieferbetriebe arbeiten offenbar am Anschlag. Die Kosten für das Material steigen. Die Folge der Kapazitätsengpässe: 28 Prozent der Firmen müssen Aufträge ablehnen.
Zu diesen Luxus-Problemen des Booms kommen unkalkulierbare politische Entwicklungen – der Brexit, aber vor allem der schwelende Handelsstreit mit den USA. „Die USA sind unser größter Exportmarkt“, sagte Imakoji mit Blick auf Bayerns Metall- und Elektrobranche. Dann folge China.
Fehlendes Personal, MaterialEngpässe, eine unsichere politische Situation. Für den Geschäftsmann ist dies ein „brisanter“Mix. Entscheidend sei nun, ob es der Wirtschaft gelingt, sich auf dem hohen Niveau zu stabilisieren – oder ob ein Einbruch folgt. Imakoji hofft auf eine Stabilisierung.