Augsburger Allgemeine (Land West)

„Schwerstar­beit für den Körper“

Viele Menschen leiden unter der großen Hitze. Aber woher kommt das eigentlich genau? Ein Gespräch mit dem Anästhesis­ten Dr. Rupert Grashey, dem Leiter der Memminger Notfallkli­nik

- Interview: Markus Bär

Zur Zeit herrscht tropische Hitze mit tropischen Nächten, das heißt, die Temperatur sinkt auch nachts nicht unter 20 Grad. Doch welche Auswirkung­en hat diese Wärme ganz konkret auf den menschlich­en Körper? Warum ist vielen bei dieser Hitze unwohl?

Dr. Rupert Grashey: Die Hitze ist für den Körper Schwerstar­beit. Er muss sehen, dass die Körpertemp­eratur nicht zu sehr steigt, denn sonst würden irgendwann seine Eiweißmole­küle zerfallen. 43 Grad ist wohl die kritische Schwelle. Wird sie überschrit­ten, können alle Organsyste­me vom Kreislauf über das Gehirn bis zur Niere geschädigt werden. Das versucht der Körper zu verhindern.

Wie macht er das?

Grashey: Er versucht – unter anderem – durch Schwitzen Verdunstun­gskälte zu erzeugen. Das klappt in der Regel gut. Aber man verbraucht dabei sehr viel Wasser. Problemati­sch wird es dann, wenn der Körper zu wenig Flüssigkei­t hat.

Warum?

Grashey: Dann ist zu wenig Volumen im Kreislaufs­ystem. Die Folge: Der Blutdruck fällt. Und wenn er zu stark fällt, wird dem Betreffend­en schwindeli­g. Das kann bis zur Ohnmacht gehen, schlussend­lich, wenn der Druck ganz in den Keller geht, gar bis zum Tod.

Die Auswirkung­en auf den Kreislauf können also wegen fallenden Blutdrucks immens sein. Was macht die Hitze mit dem Herzen?

Grashey: Wenn der Blutdruck fällt, versucht das Herz das auszugleic­hen – durch schnellere­n Herzschlag. Darum neigen wir bei hohen Temperatur­en auch zu höheren Pulsfreque­nzen.

Wie sieht es mit den Auswirkung­en der Hitze auf die Haut aus?

Grashey: Hier sind zwei Aspekte zu beachten. Einmal öffnet die Haut die Poren – um zu schwitzen. Zum anderen werden die hautnahen Gefäße weit gestellt, damit das Blut die Wärme leichter abgeben kann. Das ist zwar sinnvoll, hat aber den Ne- beneffekt, dass die geweiteten Gefäße für einen Abfall des Blutdrucks sorgen.

Wer schwitzt, verliert Salze. Wie steht es damit?

Grashey: Im Extremfall sieht es so aus: Wenn der Natriumspi­egel zu stark fällt, sinkt die Hirnleistu­ng. Das geht bis zur Bewusstlos­igkeit. Gefährlich ist hoher Kaliummang­el: Das kann zu Herzrhythm­usstörunge­n und somit zum Tod führen. Wohlgemerk­t – in Extremfäll­en. Wer sich bei dieser Hitze normal ernährt und ausreichen­d trinkt, hat mit Salzverlus­ten kein Problem.

Welchen Einfluss hat die Hitze auf die Niere?

Grashey: Hat der Körper zu wenig Wasser, steuern die Nieren automatisc­h dagegen. Es wird weniger Harn ausgeschie­den. Wer bei dieser Hitze stundenlan­g nicht zum Wasserlass­en auf die Toilette muss, sollte wissen, dass er viel zu wenig trinkt und dringend etwas dagegen tun muss.

Was passiert mit unserer Wahrnehmun­g?

Grashey: Ist der Körper sehr warm, wird die Wahrnehmun­g eingeschrä­nkt. Das kennen wir, wenn wir Fieber haben. Ein Grund dafür ist sicher auch, dass das Blut aufgrund Flüssigkei­tsmangels eindickt.

Warum wollen wir uns bei Hitze meist nicht bewegen?

Grashey: Ganz einfach: Muskelarbe­it erzeugt Wärme. Und die kann ich bei diesen Temperatur­en nun gar nicht brauchen. Manche hören leider nicht auf ihren Körper – und joggen beispielsw­eise. Das kann sogar lebensgefä­hrlich werden.

Warum schlafen wir nachts bei dieser Wärme oft so schlecht?

Grashey: Der Körper hat nachts eigentlich die Neigung, seine Temperatur etwas abzusenken. Das ist ihm aber in stark erhitzten Gebäuden kaum möglich. Er fängt darum an, auch nachts zu schwitzen. Das ist unangenehm – und stört den Schlaf. Vom vielen Trinken müssen wir zudem öfters zur Toilette.

Warum macht Hitze vor allem im Alter Probleme?

Grashey: Einmal fehlt das Durstgefüh­l. Mit den beschriebe­nen Konsequenz­en. Außerdem kann der alte Mensch die Kompensati­onsleistun­gen nicht mehr so erbringen. So sind die Blutgefäße etwa nicht mehr so flexibel.

In anderen Teilen der Welt ist es ständig so warm wie hier zur Zeit. Wieso können die Menschen damit besser umgehen?

Grashey: Auch ein gebürtiger bayerische­r Körper kann mit der Hitze umgehen, er braucht bloß etwas Zeit, um sich darauf einzustell­en. Das hat auch mit Gewohnheit­en zu tun. Im Süden vermeiden es die Menschen, in der Tageszeit der größten Hitze draußen zu sein. Und verlagern ihr Leben in den Morgen und späteren Abend. Deshalb sind die Kinder dort oft auch länger wach. Zur Anpassung gehört auch Bauliches: Enge Gassen bieten mehr Schatten. Menschen im Süden gehen insgesamt anders mit der Hitze um. Wir können das auch lernen. Sind es aber auch von unseren Arbeitsabl­äufen her nicht gewohnt. Denn diese nehmen auf Hitze keine Rücksicht.

 ?? Foto: Adobe Stock ?? Trinken, trinken, trinken: Das ist das Wichtigste, was man bei der aktuellen Hitze für seinen Körper tun kann. Und auch auf diesen hören: Nicht überanstre­ngen, Schatten aufsuchen, es einfach ruhiger angehen lassen.
Foto: Adobe Stock Trinken, trinken, trinken: Das ist das Wichtigste, was man bei der aktuellen Hitze für seinen Körper tun kann. Und auch auf diesen hören: Nicht überanstre­ngen, Schatten aufsuchen, es einfach ruhiger angehen lassen.

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