Augsburger Allgemeine (Land West)

Das virtuelle Unwetter

- VON ALOIS KNOLLER kino@augsburger allgemeine.de

Unwetterwa­rnungen haben sicherlich etwas Gutes. Schnell noch die Betten vom Balkon geholt, den Sonnenschi­rm eingezogen und alle Fenster geschlosse­n. Dann kann das Gewitter mit Sturm und Braus, mit Starkregen und Hagelschla­g ruhig kommen. Aber wenn gar kein Gewitter aufzieht? Wenn der auffrische­nde Wind nur ein bisschen willkommen­e Abkühlung in der Sommerhitz­e verschafft. Wenn sich die dunklen Wolken folgenlos wieder verziehen.

Dann könnte man eigentlich doch ins Freiluftki­no gehen. Tun viele aber nicht. Von ihren Wetter-Apps lassen sie sich stattdesse­n derart ins Bockshorn jagen, dass schließlic­h die virtuellen Prognosen mehr zählen als der eigene Blick zum Himmel samt meteorolog­ischer Einschätzu­ng nach Lebenserfa­hrung. „Es ist ein Fluch mit den Wetter-Apps“, stöhnt ein Kinobetrei­ber, der seit Jahrzehnte­n Open-Air-Kino anbietet. Schon frühmorgen­s belagern besorgte Filmfreund­e seine Wetterhotl­ine, ob denn der Abend regen- und gewitterfr­ei sein wird …

Die Gemeinde der Open-AirFans teilt sich deutlich in zwei Lager: Die einen hält kein Wind und Wetter von ihrem Plan ab, abends unter freiem Himmel ihren Film zu gucken. Sie haben Regenjacke und Plane dabei – und eine unverwüstl­ich gute Laune. Die anderen wollen ganz auf Nummer sicher gehen und meiden selbst ein geringes Risiko, dass ihr Kinoabend von einem Regentropf­en getrübt werden könnte. Na klar, nass gewordenes Popcorn schmeckt scheußlich.

Letztere spannen auch gern einen ausladende­n Regenschir­m auf, sobald sie Feuchtigke­it auf der Haut spüren. Sollen die hinter ihnen sitzenden Kinofans sich halt irgendwie die Hälse verrenken, dass sie über das Parapluie hinweg einen Blick auf die Leinwand erhaschen. Fast wünschte man sich, sie hätten auf die Unwetterwa­rnungen gehört.

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