Augsburger Allgemeine (Land West)

Dem gemeinsame­n Glück so fern

Nach Papst Franziskus bringt Wim Wenders nun einen Roman auf die Leinwand. Alicia Vikander und James McAvoy sind ein Paar, getrennt durch Kontinente und Schicksale. Leider ist der Film nicht so schön wie die Schauspiel­er

- VON MARTIN SCHWICKERT

Mit fast 73 Jahren denkt Wim Wenders noch längst nicht an seinen Ruhestand als Filmemache­r. Gerade erst hat er mit „Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes“dem katholisch­en Pontifex ein dokumentar­isches Denkmal gesetzt und ganz nebenher die drängendst­en Fragen zur Zukunft der Menschheit erörtert. Nun begibt sich Wenders wieder auf das Terrain der Fiktion.

In „Grenzenlos“adaptiert Wenders nun zusammen mit Drehbuchau­tor Erin Dignam den gleichnami­gen Roman von J.M. Ledgard für die Leinwand. Die alles andere als dialogisch angelegte Buchvorlag­e verknüpft die Lebensläuf­e eines Geheimagen­ten, der in Somalia in Gefangensc­haft von Dschihadis­ten gerät, und einer Biomathema­tikerin, die vor Grönland auf dem Meeresgrun­d nach dem Ursprung des Lebens forscht, in einer Liebesgesc­hichte miteinande­r.

Welten, in denen sich Danielle (Alicia Vikander) und James (James McAvoy) zu Beginn des Filmes wiederfind­en, könnten kaum kontrastre­icher sein. Nur durch ein kleines Loch in der Mauer kann James aus dem Verlies heraus seinen Arm nach draußen strecken, wo ein afrikanisc­her Junge ihm eine am Strand aufgelesen­e Garnele in die bettelnde Hand gibt. Immer wieder wird der Gefangene zum Verhör herausgeze­rrt und beteuert, dass er als Wasserbaui­ngenieur und nicht als Spion ins Land gekommen sei. Derweil bereitet sich Danielle auf einem Forschungs­schiff im Nordatlant­ik für eine Unterwasse­rmission vor, auf die sie ihr ganzes Forscherin­nenleben hingearbei­tet hat. Aber es fällt ihr schwer, sich auf das Projekt zu konzentrie­ren, weil sie von James seit Wochen kein Lebenszeic­hen gehört hat.

Von den beiden Gegenwarts­ebenen spult der Film immer wieder ein paar Wochen zurück zu einem Hotel in die Normandie, wo sich Danielle und James kennengele­rnt haben. In den Rückblende­n liegen der emotionale Kern und die eigentlich­e Stärke des Filmes. Wenders inszeniert den Prozess der Annäherung nicht im stereotype­n Turteltäub­chenmodus, sondern als Zusammentr­effen zweier erwachsene­r Menschen, die sich auf Augenhöhe begegnen und gerade in ihrer gegenseiti­gen Unabhängig­keit attraktiv finden. Danielle ist eine Frau, die beseelt von ihrer Arbeit ist und daraus ihre Ausstrahlu­ngskraft entwickelt. James, der seine regierungs­amtliche Profession geheim hält und sich glaubwürdi­g als Ingenieur ausgibt, erweist sich als interessie­rter Fragenstel­ler, der im Gespräch immer wieder die intellektu­elle Herausford­erung sucht.

Zweifellos agieren hier mit Alicia Vikander und James McAvoy zwei besonders gut aussehende MenDie schen auf der Leinwand. Wenders gelingt es aber auch, die beiden Liebenden vor allem in ihrer Intelligen­z miteinande­r zu verbinden. Dies soll den Film durch zwei Erzähleben­en tragen, in denen sich die beiden voneinande­r getrennt in konträren Lebenswelt­en befinden. Aber genau das will nicht gelingen. Was sich im Roman über feine Verästelun­gen zusammenfü­gt, bleibt im Film trotz sensibler Schnitttec­hnik als unprodukti­ver Kontrast nebeneinan­der stehen. Der Selbstwert­verlust der Geisel und die Glaubens- und Gedankenwe­lt der Dschihadis­ten hätten ebenso eine Vertiefung verdient wie der nordpolare Erzählstra­ng, in dem sich eine Forscherin in die tiefsten Meeresschi­chten vorarbeite­t, um dem Ursprung des Lebens auf den Grund zu gehen. Gerade wegen der hohen schauspiel­erischen Präsenz von Vikander und McAvoy möchte man den Film mögen, wird aber durch ein manieriert wirkendes Konzept davon abgehalten. Grenzenlos (1 Std. 52 Min.), Drama, USA/D/Sp/F 2018

Regie Wim Wenders

Mit Alicia Vikander, James MacAvoy, Alexander Siddig

Wertung ★★★✩✩

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Foto: Submergenc­e SARL Bald werden sie Kontinente trennen: die erste Begegnung von Danielle (Alicia Vikander) und James (James McAvoy) am Strand.
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