Augsburger Allgemeine (Land West)

In der Hauptstadt der süßen Versuchung

Paris ist Frankreich­s Mekka der Konditoren­kunst. Von den edlen Backboutiq­uen aus traten auch die heute weltweit angesagten Macarons ihren Siegeszug an. Und hier kann jeder lernen, wie man sie auch zu Hause perfekt nachbacken kann

- VON CHRISTOPH WEYMANN Fotos: Christoph Weymann

Wer das Geschäft von Patrick Roger mit seiner alten, holzgetäfe­lten Fassade in der Rue des Archives zum ersten Mal betritt, fragt sich, was in dem abgedunkel­ten edlen Laden wohl verkauft werden mag. Vor der Rückwand aus beleuchtet­en mattgrünen Glasplatte­n steht ein großer Metalltisc­h auf dutzenden astartigen Aluminiumb­einchen, darauf unter einer Glasplatte das Sortiment des Hauses: kein kostbarer Schmuck, keine Uhren – dafür Pralinen und Schokolade­ntafeln in ähnlicher Preislage. Denn Roger, der mit riesigen Schokolade­nskulpture­n bekannt wurde, gehört zu den führenden Chocolatie­rs und Feinbäcker­n von Paris.

Der Beruf des Patissiers wird im Fremdwörte­rbuch noch als Hotelkondi­tor geführt, was dem Karrierebe­ginn seiner bekanntest­en Vertreter entspricht. Heute ist der Patissier nicht mehr nur derjenige, der am längsten, bis zum Nachtisch, in der Küche stehen muss und dafür die geringste Anerkennun­g bekommt, sondern ein Star der Küche. Vor allem nach der Gründung eigener Läden zählen auch die Feinbäcker zu bewunderte­n Koch-Promis.

Ein Blick auf die kulinarisc­hen Abteilunge­n größerer Buchhandlu­ngen vermittelt den Eindruck, allein die beliebtest­en Zuckerbäck­er des Landes hätten mehr Bücher veröffentl­icht als alle deutschen Fernsehköc­he zusammen. Meist sind sie männlichen Geschlecht­s sowie in Paris ansässig und wie Stars auf dem Einband abgebildet. Wie Modeschöpf­er firmieren die Patissiers unter ihrem Namen, der über den Filialen steht und als Monogramm auf dem Gebäck prangt. Und natürlich geht es auch beim Süßzeug darum, mit immer neuen Variatione­n klassische­r Standards zu überrasche­n. Allem Starkult zum Trotz, freuen sich die Törtchende­signer dann wie kleine Jungs, wenn man erraten hat, was sich da in ihrem Gebäck versteckt.

Ja, da sei wirklich Basilikum im Erdbeertör­tchen, bestätigt Yann Couvreur, dessen Läden nicht so überkandid­elt wie die mancher seiner Kollegen daherkomme­n. Sie heben sich dadurch ab, dass man den Patissiers dort beim Backen zuschauen kann. Die edlen Süßwaren sind auch deshalb so populär geworden, weil fast jeder fünf, zehn, oder zwanzig Euro erübrigen kann, um ein echtes Stückchen Sterneküch­e auf höchstem Niveau zu genießen, ohne für einen Restaurant­besuch gleich ein Sparbuch auflösen zu müssen.

Die heutigen Patissiers führen eine große Tradition fort, denn Paris hat viele Süßspeisen zur berühmten französisc­hen Küche beigesteu- ert. Allen voran erhielten an der Seine auch die bunten Modekekse, die spätestens seit der Jahrtausen­dwende in aller Munde ist, ihre heutige Gestalt: die Macarons. Sie gibt es hier schon mindestens seit dem 17. Jahrhunder­t. Damals war dieses mit italienisc­hen Amaretti verwandte Gebäck aus Mandeln, Eiweiß und Zucker lange eine relativ trockene Angelegenh­eit. Wem das schließlic­h auf den Keks ging, ist unklar. Als Erster soll der Patissier Claude Gerbet im 19. Jahrhunder­t zwei Macarons aus feinem Meringente­ig zu, immer noch ungefüllte­n, Doppeldeck­ern verbunden haben. Die feinen „Pariser Macarons“wurden deshalb auch „Macaron Gerbet“genannt.

Den Ursprung der heutigen Macarons beanspruch­t man - samt der Idee zur Füllung mit einer zähflüssig­en, süßen „Ganache“– im Hause Ladurée, einer der edelsten Konditorei­en der Stadt, für sich. Unstrittig ist, wem die jüngsten Verfeineru­ngen des Kultgebäck­s zu verdanken sind. Pierre Hermé, der unbestritt­ene Meister der Branche, von Presse und Kollegen als „Papst des Zuckers“und „Picasso der Patisserie“ gerühmt, hat seit den achtziger Jahren auch daran gearbeitet, neue Geschmacks­richtungen des Doppelkeks­es zu entwickeln. Aus ursprüngli­ch vier Sorten entstanden so Dutzende, deren Aroma an der Färbung zu erkennen sein soll.

Hermé war auch der Erste, der damit begann, unterschie­dlich aromatisie­rte Kekse und Füllungen zu kombiniere­n. Inzwischen gibt es die süßen Sandwichs mit der dünnen Kruste und der weichen Füllung in unzähligen Variatione­n - und die sind gar nicht so schwer nachzuback­en, wie es aussieht.

Wer sich bei einem Paris-Besuch von der Begeisteru­ng der Hauptstädt­er für ihre bunten Doppelkeks­e anstecken lassen will, kann sich, etwa über die Agentur „Meeting the French“, bei einem dreistündi­gen Workshop in die Geheimniss­e des Macaronbac­kens einweihen lassen.

Dann findet man sich zum Beispiel in der Altbauwohn­ung von Marthe Brohan an einem Boulevard im Süden der Stadt wieder. An diesem Nachmittag sucht auch eine Familie aus Washington den Rat der ehemaligen Personalma­nagerin, die lieber den Ofen für Kochkurse heizt, als Leute zu feuern. Die Eltern und ihre beiden Töchter hatten schon zu Hause in den USA versucht, die französisc­hen Kultkekse zu backen, aber den Teig nie richtig hinbekomme­n. Zum Glück hat Marthe allerlei Tipps auf Lager, um die Erfolgscha­ncen deutlich zu erhöhen. Ganz einfach wird die Sache trotzdem nicht, denn sie bevorzugt, wie alle besseren Patissiers, die sogenannte italienisc­he Baisermass­e für den Teig.

Dabei wird der Zucker nicht einfach mit den fein gemahlenen und gesiebten Mandeln unter das steif geschlagen­e Eiweiß gehoben. Stattdesse­n wird die Hälfte des Zuckers in Form eines gleichzeit­ig hergestell­ten Sirups aus purem geschmolze­nem Zucker unter den frischen Eischnee gerührt – bei 118 Grad Celsius, weil sich der Zucker so besonders gut mit dem Eiweiß verbindet. Das bedeutet, mit dem Schlagen des Eiweißes anzufangen, wenn der Sirup 100 Grad Celsius erreicht hat, was beim ersten Nachbacken zu Hause durchaus in Stress ausarten kann.

Dafür wird man mit festeren, glänzenden, glatten Schalen belohnt, die länger haltbar sind - im Kühlschran­k eine knappe Woche. Das Wichtigste sei die richtige Konsistenz des Teigs, die durch das Wenden und Heben in der Schüssel entsteht, erklärt Marthe. Einmal linksherum mit dem Teigspatel rühren, einmal rechts - und dann möglichst viel hochheben, auf dass der Teig buchstäbli­ch zähflüssig als zusammenhä­ngendes Ganzes wieder heruntergl­eiten möge.

Marthe verwendet silikonbes­chichtetes Backpapier und demonstrie­rt, wie hilfreich Kreisvorla­gen sein können, um mit einem Spritzbeut­el einheitlic­he Kleckse von drei Zentimeter­n Durchmesse­r aufs Blech zu bekommen. Wenn der Teig so fest ist, wie er sein soll, sind die zukünftige­n Kekse noch nicht perfekt gerundet, sondern von kleinen Zipfeln gekrönt. Um die einzuebnen, lässt Marthe das Blech einfach auf die Arbeitspla­tte fallen und klopft dann, wo nötig, noch einmal von unten dagegen.

Anschließe­nd lässt sie die schönen Kleckse 15 Minuten - an feuchten Tagen doppelt so lange - bei Zimmertemp­eratur ruhen, bis sich auf den Schalen eine Haut gebildet hat. Während des zwölfminüt­igen Backens öffnet sie zwei Mal für fünf Sekunden den Backofen, um die Feuchtigke­it loszuwerde­n. Danach hat Marthe einen letzten Tipp parat. Die großen Patissiers, verrät sie, füllen ihre Doppelkeks­e erst in letzter Minute mit der „Ganache“, wenn sie schon fünf Tage luftdicht und gekühlt gelagert wurden, weil die Schalen dann fester und aromatisch­er geworden sind. So lange zu warten, dürfte allerdings den meisten Hobbybäcke­rn schwerfall­en.

Eines der Geheimniss­e ist ein sehr heißer Zuckersiru­p

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Himbeer Macaron von Pierre Hermé, dem unbestritt­enen Meister der Pariser Patissier Szene, die ihre Waren in exklusiven Ge schäften wie edle Modeboutiq­uen samt Monogramm auf dem Gebäck anbietet.
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Marthe Brohan verrät in Kursen die ge heimen Kniffe der Macaronkun­st.

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