Augsburger Allgemeine (Land West)
Frau Vorsichtig
Soll sie den Bauern mit viel Geld aus der Dürrekrise helfen? Julia Klöckner, die neue Agrarministerin, zögerte zunächst. Sie hat aus ihren Niederlagen gelernt
In die Politik führen heute viele Wege – der von Julia Klöckner beginnt mit der Wahl zur Deutschen Weinkönigin 1995. Zu Hause, in Bad Kreuznach, werden damals die ersten Honoratioren der CDU auf die Studentin der Theologie, der Politik und der Pädagogik aufmerksam. „Die haben mich reden gehört“, hat Julia Klöckner einmal erzählt. „Die wussten, die stottert nicht, die hat ihre Gedanken beisammen und kann auf Menschen zugehen.“Sieben Jahre später sitzt die Winzertochter mit dem ansteckenden Lachen im Bundestag.
Als Ministerin für Ernährung und Landwirtschaft hat sie nun den buchstäblich heißesten Job im Kabinett. Während die Kanzlerin und die meisten Kollegen sich in die Ferien verabschiedet haben, kämpfen viele Bauern angesichts der anhaltenden Dürre um ihre Existenz. Eine Milliarde Euro fordert ihr Verbandspräsident an Nothilfen – die Ministerin allerdings, mit den Jahren vorsichtig geworden, zögerte. Hat die Krise tatsächlich schon ein solches Ausmaß angenommen, dass der Bund einer Branche mit Steuergeldern unter die Arme greifen kann? Sind nicht zunächst die Bundesländer in der Pflicht, in denen die Schäden besonders groß sind? Früher, als junge Wilde, hätte Julia Klöckner sich vermutlich als Erste auf die Seite der Bauern geschlagen, schließlich ist sie ja irgendwo eine von ihnen. Jetzt reagierte sie erst als der Druck zu groß wurde. Aus ihren beiden Niederlagen als Spitzenkandidatin für die Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz hat sie eines gelernt: Nur nicht zu forsch! Im Wettrennen mit Ministerpräsidentin Malu Dreyer sah die stellvertretende Vorsitzende der CDU 2016 schon wie die sichere Siegerin aus, als sie sich plötzlich von der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin abzugrenzen begann – ausgerechnet sie, die Angela Merkel so viel zu verdanken hatte und bis dahin nicht durch große Widerworte aufgefallen war. Viele Wähler hielten das für ein allzu durchsichtiges, vor allem dem Wahlkampf geschuldetes Manöver und straften die CDU mit einem historisch schlechten Ergebnis von 31,8 Prozent ab. Bis dahin war Julia Klöckner eines der größten Versprechen der Union. Engagiert, eloquent, im Herzen konservativ und, nicht unwichtig in der Politik, ausgesprochen talentiert in der Vermarktung ihrer selbst. Wäre sie damals Ministerpräsidentin geworden, wäre sie fast zwangsläufig zur gefühlten Ersatzkanzlerin aufgestiegen, zur Frau für die Zeit nach Angela Merkel. So aber musste die 48-Jährige froh sein, dass ihre Mentorin ihr nach der Bundestagswahl ein Comeback in der Bundespolitik ermöglichte – in einem schwierigen Ministerium, in dem ihr Gestaltungsspielraum gering ist, weil Agrarpolitik vor allem in Brüssel gemacht wird. Julia Klöckner allerdings, kinderlos und mit einem Unternehmer liiert, musste nicht lange überlegen. Das Ressort kennt sie, schließlich war sie dort schon Staatssekretärin. Und um als Oppositionsführerin in Mainz zu versauern – dazu ist sie dann doch zu ehrgeizig.