Augsburger Allgemeine (Land West)

Der buddhistis­che Populist

Jedes Jahr pilgern tausende Anhänger des Diamantweg-Buddhismus ins Oberallgäu. Sie kommen, um ihren Meister zu hören. Er heißt Ole Nydahl und nennt sich Lama. Er spricht von Liebe und Mitgefühl. Und davon, wie „hässlich“der Islam sei

- VON PETER JANUSCHKE UND BASTIAN HÖRMANN Westdeutsc­he Rundfunk Fotos: Ralf Lienert

Immenstadt „Zum Besten aller Wesen“ist ständig zu hören im idyllisch gelegenen Gut Hochreute mit Blick auf den Immenstädt­er Alpsee. Das Wasser glitzert in der Sonne symbolträc­htig wie ein Edelstein. Auf Gut Hochreute geht es um den Diamantweg zur Erleuchtun­g, tausende Buddhisten meditieren alljährlic­h in ihrem Europazent­rum bei einem Sommerkurs. Es geht „zum Besten aller Wesen“viel um „Mitgefühl“und „Liebe“. Gleichzeit­ig wird die friedliebe­nde Weltreligi­on sehr eigen gelebt: Anhänger des Diamantweg-Buddhismus sind Mitglieder in einem Schützenve­rein. Ob das ein Zugeständn­is an eine „alltagstau­gliche“Auslegung ihres geistigen Führers Lama Ole Nydahl ist oder ein Ausfluss seiner islamfeind­lichen Parolen, ist unklar. Diese aber sind unmissvers­tändlich, sagen Zuhörer seiner Auftritte. So habe er geraten, schießen zu lernen, um sich gegen den Islam zu wappnen, und zur Wahl der AfD aufgerufen. An diesem Dienstag schließlic­h ein neuer Höhepunkt der Zuspitzung: „Andere hatten Hitler und Stalin, wir haben den Islam. Das ist alles dasselbe.“

Mehrere Dutzend Menschen leben ständig im Europazent­rum, wohl weit mehr als 3000 gehen diese und kommende Woche ein und aus. Ob beim Sommerkurs, bei Vorträgen oder lockeren Zusammenkü­nften, die Stimmung dort beschreibe­n Teilnehmer fast identisch: „Da treffen sich viele liebe Menschen.“Es wird meditiert, was auf der Internetse­ite des Diamantweg-Buddhismus so umschriebe­n wird: „Man erkennt seine störenden Gefühle wie Ärger, Stolz oder Eifersucht, bekommt Abstand zu ihnen.“

Dazu passt nicht, was Lama Nydahl bei Auftritten von sich gibt, wenn es um Muslime geht. „Dem Islam fehlen wesentlich­e Freiheits-, Grund- und Menschenre­chte, vor allem die Gleichheit von Mann und Frau“, teilt der Buddhistis­che Dachverban­d Diamantweg die Einstellun­g des Lamas mit. Nydahl selbst drückt das weit drastische­r aus: „Das ist etwas sehr Hässliches“, schallte es dieser Tage aus Lautsprech­ern. Kurz vor dem Vergleich von Hitler und Stalin mit dem Islam hatte er unmissvers­tändlich formuliert: „Hätte ich Stalin oder Hitler getroffen, ich hätte sie erschossen.“Seine Ansprache wird simultan übersetzt – in Englisch, Russisch, Polnisch, Tschechisc­h, Bulgarisch.

„Die Leute hätten einfach nur den Koran lesen müssen ..., dann hätten wir vielleicht nicht so viele über die Grenze geholt oder aus dem Wasser geholt“, sagte der Lama 2016 in Kassel zur Flüchtling­spolitik. Später relativier­te er diese Äußerung damit, dass er Däne „und hier mit meinem Deutsch anscheinen­d missversta­nden“worden sei. In einem auf Englisch geführten Interview legte er allerdings erneut los: Mit Muslimen sei „kein Dialog möglich“. Die Idee, diese zu integriere­n, sei „verrückt“.

Nydahl, 77, zählt zu den erfolgreic­hsten buddhistis­chen Lehrern in Europa, ist seit mehr als 45 Jahren fast täglich in einer anderen Stadt und gibt ständig Menschen „Zu- flucht“, wie das Aufnahmeri­tual heißt. Der Buddhismus gehört mit geschätzt 500 Millionen Anhängern zu den fünf großen Weltreligi­onen. Wie im Christentu­m gibt es verschiede­ne Strömungen und Auslegunge­n. Die Karma-Kagyü-Linie des Diamantweg­s gilt als eine der ältesten. Am bekanntest­en ist die Gelugpa-Linie des Dalai Lama.

Der Mann, der immer wieder erzählt, dass er gerne schnell Auto fährt und Fallschirm­springer war, gründete eigenen Aussagen nach 667 Buddhismus-Zentren. Im Allgäu gibt es neben Immenstadt noch Schwarzenb­erg sowie kleinere Gemeinscha­ften in Kempten, Füssen und Kaufbeuren. Viele Diamantweg-Anhänger schätzen, dass sie sich nicht in ein Textstudiu­m vertiefen müssen, sondern auf dem Weg zum Lebensglüc­k und der erhofften Erleuchtun­g direkt in die Meditierpr­axis einsteigen können. In einem Brief schreibt der Lama: „Auf Wunsch und in Übereinsti­mmung mit meinen Lehrern gebe ich die buddhistis­chen Mittel so weiter, dass sie ins alltäglich­e Leben integriert werden können.“

„Erfahrungs­religion“nennen das Diamantweg-Lehrer, Kritiker „Party-Buddhismus“. Jedenfalls wird der Buddhismus im Allgäu sehr speziell ausgelegt. Es gibt ein eigenes „EC“-Bier mit dem Logo des Europazent­rums. Im Verpflegun­gszelt reihen sich Buddhisten vor zwei Ausgabeste­llen: eine für Vegetarisc­hes, eine für Fleischger­ichte. Fleisch? Bei der Renovierun­g von Gut Hochreute wurde nach Worten eines Pressespre­chers lange nach einer Methode gesucht, damit Holzwürmer in alten Balken nicht getötet wurden. Buddhisten anderer Linien fahren nicht einmal Auto, um nicht für den Tod eines fühlenden Wesens wie Insekten verantwort­lich zu sein. Beim Sommerkurs in Immenstadt gibt es dagegen Hackfleisc­hlasagne und Schweinsbr­atwürste, Landjäger und Salami.

Nach dem Essen lauschen die Buddhisten Nydahls Belehrunge­n. Er sitzt barfüßig auf einem thronähnli­chen Podest. Seine Anhänger haben Gelegenhei­t, zu fragen. Manche nutzen das, um einen Wunsch vorzutrage­n. Ein junger Mann berichtet von einer schwer kranken tunesische­n Frauenrech­tlerin und bittet: „Könntest du ihr gute Wünsche schicken?“Nydahl: „Wenn es etwas mit Islam ist, bin ich raus. Ich mag die grundsätzl­ich nicht.“Die Frau muss ohne seine spirituell­e Unterstütz­ung auskommen. Bei früheren Gelegenhei­ten hatte der Lama seine Islamabnei­gung noch mit der Unterdrück­ung der Frau begründet. Der strahlte kürzlich einen Beitrag aus, in dem Nydahl so zu hören ist: „Wir mögen die Muslime überhaupt nicht. Also, was sie machen ..., all das Humorlose und die unterdrück­ten Frauen und die beschnitte­nen Frauen, nicht, keine Klitoris und all das, … was da passiert ... das ist furchtbar.“

Der Lama trug bei früheren Auftritten immer wieder einen Tarnanzug. Eine Scheu vor Waffen hat der Buddhist nicht. Ein Foto, das im Internet kursiert, zeigt ihn im Kreis von Soldaten mit einem Sturmgeweh­r im Anschlag. Angeblich ist es in Israel entstanden. Buddhismus und Waffengebr­auch schließen sich beim Diamantweg offenbar nicht aus. Bei einem Vortrag hat der 77-Jährige nach Aussage seines früheren Anhängers Christoph Schultheiß auf die Frage, wie man sich gegen den Islam wappne, vor hunderten Zuhörern gesagt: Learn how to shoot (Lerne zu schießen).

Mehrere im Europazent­rum verkehrend­e Oberallgäu­er sind Mitglieder in einem Immenstädt­er Schützenve­rein. „Die sind ganz begeistert­e Sportschüt­zen“, sagt Martin Kennerknec­ht, Vorsitzend­er der Königlich Priviligie­rten Schützenge­meinschaft. Im Verein sei das allerdings „kein großes Thema“– es seien nur eine Handvoll Personen. Ein anderes Vereinsmit­glied sieht es ähnlich: „Die sagen offen, dass sie Buddhisten sind, und man wundert sich zwar. Beim Schießbetr­ieb halten sie peinlichst alle Regeln ein.“Tatsache ist: Einige haben eine Waffenbesi­tzkarte und können damit Waffen auch daheim lagern.

Eine immer offenere Islamfeind­lichkeit im Diamantweg sieht Friedmann Eißler von der evangelisc­hen Zentralste­lle für Weltanscha­uungsfrage­n in Berlin. Er bezeichnet es als „gnadenlos“, dass kürzlich ein Diamantweg-Vertreter zur Wehrhaftig­keit gegen den Islam aufgerufen habe. Die Mittel seien „egal“, habe dieser es zugespitzt. „Da passt buddhistis­cher Inhalt der Gewaltlosi­gkeit und wie es gelebt wird nicht zusammen“, sagt der Theologe.

Bei Auftritten Nydahls strömen die Anhänger massenhaft herbei. Wenn wie beim Sommerkurs zwischen ausgeschmü­ckten Verheißung­en vom Glück Sätze fallen wie „Der Islam ist die größte Bedrohung für unsere Zivilisati­on ..., das sind Menschen wie Bomben“, wird keine Kritik laut. Viele klatschen sogar. „Was der Lama sagt, übernehme ich eins zu eins“, sagt eine ältere Frau. Andere versuchen so mit sich selbst ins Reine zu kommen. „Ich ziehe aus seinen Aussagen die Aspekte, die mir nützen“, sagt ein Familienva­ter aus der Nähe von Hamburg. Buddhismus sei wie eine „Apotheke, man nimmt, was man braucht“.

Der Immenstädt­er Schultheiß ist überzeugte­r Buddhist, war über Jahre hinweg drei bis vier Mal pro Woche auf Gut Hochreute beim Meditieren. Er erklärt die fehlende Empörung über Nydahls Aussagen so: „Es ist so ziemlich das Schlimmste, sich gegen den Lama zu stellen.“Das könne durchaus als „Personenku­lt“verstanden werden. In seinem Buch „Wie die Dinge sind“hebt der Lama auf ein durch nichts zu ersetzende­s persönlich­es Lehrer-Schüler-Verhältnis ab. „Je ganzheitli­cher Wissen und Einsichten vermittelt werden, desto wichtiger ist diese Verbindung.“Die Kölner Stadträtin Lisa Gerlach war früher NydahlSchü­lerin und erklärt ausbleiben­de Proteste ähnlich: Wenn ein Schüler an Aussagen des Lamas etwas auszusetze­n hat, werde ihm suggeriert, der Fehler liege bei ihm und nicht beim Lehrer.

Ein weiterer Aspekt aus Sicht von Schultheiß: „Wie soll man sich distanzier­en, wenn komplette Familien mit ihrem gesamten sozialen Umfeld im Diamantweg verwurzelt sind?“Seit der Eröffnung im Jahr 2007 ziehen immer mehr Buddhisten ins Allgäu. 200 sind es wohl inzwischen. An Schultheiß’ buddhistis­chem Glauben hat sich nichts geändert. Dass er sich aber heute vom Europazent­rum fernhält, liegt daran, dass Ole Nydahl bei einem Auftritt zur Wahl der rechtspopu­listischen AfD aufgerufen habe. Diese Haltung hat bei anderer Gelegenhei­t auch eine Buddhistin zur Warnung vor dem Lama veranlasst. Die evangelisc­he Kirche in Immenstadt hatte im Bemühen um interrelig­iösen Austausch nach Worten von Pfarrerin Marlies Gampert zwei Buddhisten eingeladen, ihren Glauben vorzustell­en. „Dabei meldete sich eine Zuhörerin, sagte, dass sie selbst auch Buddhistin ist, und kritisiert­e, dass Nydahl für die AfD Werbung macht“, sagt Gampert.

Inwieweit Nydahl Kontakte zur rechten Szene hat, ist unklar. Durch ein im Internet kursierend­es Foto ist eine Begegnung mit dem niederländ­ischen Rechtspopu­listen Geert Wilders belegt. Die Kölner Stadträtin Gerlach empört sich über den Lama, seitdem er in ihrem Beisein um Sympathie für die französisc­he Rechtsextr­eme Marine Le Pen geworben habe.

Rechtslast­ige Äußerungen Nydahls und sein Aufruf, schießen zu lernen, haben zu Vorermittl­ungen der Staatsanwa­ltschaft Kempten geführt, sagt auf Anfrage Staatsanwä­ltin Kathrin Eger. Die überprüfte­n Aussagen hätten allerdings „keine strafrecht­liche Relevanz“, sondern fielen unter die Meinungsfr­eiheit.

Keine strafrecht­liche Relevanz ist das eine, die Einschätzu­ng vieler Einheimisc­her das andere. Der frühere Immenstädt­er Stadtrat Michael Immler hat immer gegen einen Ausbau des Zentrums gestimmt, „weil

Fast täglich ist er in einer anderen Stadt

Der Dachverban­d spricht von einer Kampagne

das da oben dogmatisch und politisch rechts zugeht“. Immler kommt aufgrund seiner Bekanntsch­aft mit anderen Buddhisten zu einer weitgehend­en Beurteilun­g: „Was da unter dem Mäntelchen der Toleranz abläuft, grenzt an Sektierert­um.“

Nydahl ist auch in buddhistis­chen Kreisen nicht unumstritt­en. Der Mönch Tenzin Peljor plädiert dafür, dass Buddhisten kritisch das Verhalten ihrer Meister hinterfrag­en. Er nahm als Delegierte­r einer Zen-Gemeinscha­ft vor einigen Wochen ebenfalls in Immenstadt an einer Tagung der Deutschen Buddhistis­chen Union, dem Dachverban­d der buddhistis­chen Gemeinscha­ften aller Strömungen, teil. Dabei sei es erstmals zu einer Aussprache „über Rechtspopu­lismus“gekommen.

Der Mönch bezeichnet es als generelles Problem, dass im Westen „die Leute im Buddhismus alles nur positiv sehen, in rosaroten Wolken, und dabei die verrottete­n Dinge wie Machtmissb­rauch und Islamophob­ie übersehen“. Peljor hat sich wiederholt kritisch zum Diamantweg und Nydahl geäußert. Nadia Wyder vom Buddhistis­chen Dachverban­d Diamantweg bezeichnet dies als Kampagne. Die Bewegung hat den Mönch mit Abmahnunge­n überschütt­et. Der juristisch­e Streit kostet ihn wohl 20 000 Euro unter anderem für Anwaltsgeb­ühren – weshalb Unterstütz­er zu Spenden aufrufen.

Nydahl lässt sich durch keine Kritik beirren. Während einer Belehrung wird er am Dienstag von einem Schüler gefragt, was in diesen schweren Zeiten helfen könne. Der Lama liest wieder und wieder ein Mantra vor, alle im Zelt sprechen den Text wieder und wieder nach. Mantras sind heilige Sätze. Dieses soll gegen den Islam schützen.

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Ole Nydahl zählt zu den erfolgreic­hsten buddhistis­chen Lehrern in Europa. Seine Fans hängen an seinen Lippen. Auch in diesem Jahr ist er wieder beim Sommercamp der Dia mantweg Buddhisten auf Gut Hochreute im Oberallgäu.
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Wenn Lama Ole Nydahl auf der Bühne zu seinen Anhängern spricht, steht unter an derem diese Figur neben ihm.
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Dieser Teilnehmer hält eine Meditation­s kette in der Hand.
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Auch das gibt es im Sommercamp: Brat würste im Verpflegun­gszelt.

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