Augsburger Allgemeine (Land West)

Nur ein Di Mi Do Minister?

In Berlin nimmt die Kritik an Innenminis­ter und CSU-Chef Horst Seehofer zu. Nicht nur die Opposition, sondern auch der Koalitions­partner werfen ihm Untätigkei­t vor. Und was ist mit den Rückführun­gsabkommen?

- VON MARTIN FERBER

Berlin Das ist ein Termin nach dem Geschmack von Horst Seehofer. Weder muss er sich die beißende Kritik des Koalitions­partners oder der Opposition anhören, noch gibt es bohrende Journalist­enfragen. Stattdesse­n wird er von seinen Anhängern gefeiert. In Töging am Inn im Landkreis Altötting, weit weg von Berlin und im äußersten Süden der Republik tritt er am Donnerstag­abend erstmals seit dem Ende der schweren Regierungs­krise wegen der Zurückweis­ungen an der Grenze öffentlich in einem Bierzelt auf, um seine Sicht der Dinge zu erläutern. Ein Heimspiel für den CSU-Chef und Bundesinne­nminister.

In Berlin grummelt es derweil gewaltig. Zwar haben CDU und CSU Anfang Juli ihr tiefes Zerwürfnis in der Ausländerp­olitik beigelegt und sich mit letzter Kraft in die parlamenta­rische Sommerpaus­e gerettet. Doch in der Hauptstadt ist die Skepsis groß, ob der Burgfriede­n zwischen Kanzlerin und Innenminis­ter lange hält. Selbst in der Unionsfrak­tion glauben viele, dass es hinter den Kulissen brodelt. „Der Konflikt ist nur vertagt“, sagt ein führender CDU-Abgeordnet­er unserer Zeitung, „das kann jederzeit wieder losgehen.“Das liege auch an der Landtagswa­hl in Bayern und den schlechten Umfragen für die CSU.

Geradezu genüsslich werden Berichte weitergere­icht, wonach im Innenminis­terium, das Thomas de Maizière (CDU) bis März mit preußische­r Disziplin leitete, nun „Chaos“herrsche. Die Behörde werde als „dilettanti­sch“wahrgenomm­en, etliche Führungsst­ellen seien noch immer nicht besetzt und die neue Abteilung Heimat noch im Aufbau. Der Ressortche­f, so wird teils offen getuschelt, sitze oft nur von Dienstag bis Donnerstag an seinem Ministersc­hreibtisch, am Montag sei er meist in München beim CSU-Vorstand, von Freitag bis Sonntag daheim in Ingolstadt. Die Arbeit in dem Mammutress­ort, das auch für das Bauwesen und die Heimat zuständig ist, erledigen die acht Staatssekr­etäre, die Seehofer mit umfassende­n Vollmachte­n ausgestatt­et hat. Aber auch die benötigen für wichtige Entscheidu­ngen das Placet des Ressortche­fs, was nicht immer einfach sei, da Seehofer manchmal stundenlan­g unerreichb­ar sei.

Kein Wunder, dass da der Koalitions­partner SPD nervös reagiert. Seehofer habe „noch kein Vorhaben richtig zu Ende gebracht“, bemängelt Innenexper­te Burkhard Lischka. Mit dieser Kritik zielt er auch auf das mehrfach gegebene Verspreche­n des Ministers, bis Ende Juli/ Anfang August Verwaltung­sabkommen mit den Regierunge­n von Österreich, Italien, Griechenla­nd und anderen EU-Staaten über die Rückführun­g von Flüchtling­en abzuschlie­ßen, die sich illegal in Deutschlan­d aufhalten. Bislang liegt allerdings noch kein Ergebnis vor.

Doch die Kritik, Seehofer verhandle nicht mit genügend Nachdruck mit den Nachbarsta­aten, weist ein Ministeriu­mssprecher auf Anfrage unserer Zeitung zurück. Man sei „aktuell in intensiven Gesprächen“mit den zuständige­n Behörden. Allerdings muss auch das Ministeriu­m einräumen, dass der von Seehofer ausgerufen­e Zeitplan wohl zu optimistis­ch war.

Die Opposition hat angesichts dessen nur Hohn und Spott für Seehofer übrig. „Inzwischen wird einem klar, weshalb das Bundesinne­nministeri­um jetzt auch noch das Bauministe­rium ist: das BMI ist eine einzige Baustelle ungelöster Probleme und uneingelös­ter Ankündigun­gen“, sagt der stellvertr­etende FDP-Fraktionsc­hef Stephan Thomae aus Kempten unserer Zeitung. „Damit der Innen-, Bau- und Heimatmini­ster jetzt nicht auch noch Bundesankü­ndigungsmi­nister wird, muss Herr Seehofer endlich tätig werden.“

Tätig wird der CSU-Chef tatsächlic­h am Donnerstag. Er legt die Schirmherr­schaft für den Deutschen Nachbarsch­aftspreis nieder. Zwei Initiative­n aus Köln und Berlin hatten ihre Nominierun­g abgelehnt, weil Seehofer Schirmherr war. Beide sagten, sie könnten ihre eigene Haltung nicht mit der von Seehofer in Einklang bringen. Der Geschäftsf­ührer der den Preis vergebende­n Stiftung „nebenan.de“, Michael Vollmann, zeigte Verständni­s und sagte in einem Interview, Seehofer habe zuletzt „verbal Grenzen überschrit­ten. Der reagiert prompt: „Da Sie mir Toleranz, Mitmenschl­ichkeit und Offenheit absprechen, stehe ich für die Schirmherr­schaft ab sofort nicht mehr zur Verfügung“, erklärt Seehofer in einem persönlich­en Schreiben an Vollmann.

„Das Innenminis­terium ist eine einzige Baustelle ungelöster Probleme und uneingelös­ter Ankündigun­gen.“FDP Fraktionsv­ize Stephan Thomae

 ?? Foto: Armin Weigel, dpa ?? Zuhause ist es doch am schönsten. Erstmals seit dem Ende der schweren Regierungs­krise tritt Horst Seehofer in einem Bierzelt auf – in Töging am Inn.
Foto: Armin Weigel, dpa Zuhause ist es doch am schönsten. Erstmals seit dem Ende der schweren Regierungs­krise tritt Horst Seehofer in einem Bierzelt auf – in Töging am Inn.

Newspapers in German

Newspapers from Germany