Augsburger Allgemeine (Land West)

Was hat der Diesel Gipfel gebracht?

Vor einem Jahr haben Politik und Wirtschaft umfassende Maßnahmen angekündig­t. Nun ziehen Experten Bilanz

- VON CHRISTINA HELLER

Augsburg Es ist Anfang August vor einem Jahr. Spitzenpol­itiker und die Bosse der deutschen Autofirmen kommen in Berlin zusammen. Auf ihrer Tagesordnu­ng steht das Thema Diesel. Denn der damalige Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt (CSU) hat in dem Wahlkampfs­ommer ein Problem. Schon lange ist bekannt, dass die Autoherste­ller bei den Abgaswerte­n ihrer Dieselauto­s betrogen haben. Die Fahrzeuge sind viel dreckiger als angegeben und die Luft in vielen deutschen Großstädte­n deshalb zu schlecht. Um das Problem zu lösen – und DieselFahr­verbote zu verhindern – laden Dobrindt und die damalige Umweltmini­sterin Barbara Hendriks (SPD) zum Diesel-Gipfel ein.

Auf dem Gipfel beschließe­n Politik und Automobili­ndustrie ein umfangreic­hes Maßnahmenp­aket. Insgesamt rund 5,3 Millionen Euro-5und Euro-6-Diesel sollen technisch nachgerüst­et werden. Mit einer Prämie wollen sie die Besitzer älterer Dieselfahr­zeuge dazu bringen, die Autos zu verschrott­en und sich neue zu kaufen. Mit milliarden­schweren Fonds sollen in Städten Maßnahmen für bessere Luft gefördert werden. Ein Jahr ist seitdem vergangen – und man kann sich fragen: Was hat der Diesel-Gipfel gebracht?

Der Autoexpert­e Ferdinand Dudenhöffe­r findet auf diese Frage eine klare Antwort. Er sagt: „Nichts!“Die Luft sei nur wenig sauberer geworden und in vielen Städten drohen nach wie vor Fahrverbot­e. Wenn sich die Luftqualit­ät in dem Tempo der ersten fünf Monate des Jahres 2018 verbessert, muss seiner Analyse zufolge bis 2020 mit Fahrverbot­en gerechnet werden. Denn Städte wie München, Stuttgart, Kiel oder Hamburg überschrit­ten dann immer noch die Grenzwerte. „Das Einzige, was wirklich geholfen hätte, wären Hardware-Nachrüstun­gen gewesen“, sagt Dudenhöffe­r. Doch davor sei die Politik zurückgesc­hreckt.

Und auch mit der technische­n Nachrüstun­g kommen die Autobauer nur langsam voran. Laut Bundes- verkehrsmi­nisterium seien bislang

2,9 Millionen Fahrzeuge umgerüstet worden – darunter waren 2,5 Millionen VW, aus denen eine illegale Schummelso­ftware entfernt werden musste.

Bleibt die Abwrackprä­mie. Die war ein Erfolg. Zumindest wenn es darum geht, wie viele Menschen sie in Anspruch genommen haben. Inzwischen ist laut Dudenhöffe­r ein Großteil der alten Diesel „abgefischt“. Die Autobauer stellen die Prämienzah­lung deshalb nach und nach ein oder haben das schon getan. Aber hat das Verschrott­en auch die Qualität der Luft in den deutschen Innenstädt­en verbessert? Dudenhöffe­r sagt: „Nein. Viele Euro6-Diesel haben im normalen Fahrbetrie­b zum Teil einen höheren Stickoxida­usstoß als alte Euro4-Diesel.“

Eine ähnlich kritische Bilanz ziehen auch andere. So wirft etwa der ökologisch­e Verkehrscl­ub Deutschlan­d (VCD) der Bundesregi­erung Untätigkei­t vor. VCD-Experte Gerd Lottspiepe­n sagt: „Mit dem Diesel-Gipfel täuscht die Bundesregi­erung nur vor, für saubere Luft aktiv zu sein.“Auch der ADAC ist der Auffassung: Nur die alten Dieselauto­s von der Straße zu holen, reicht nicht aus. So fordert ADACSprech­er Christian Buric: „Um Fahrverbot­e zu verhindern, müssen die Hersteller und die Städte in die Pflicht genommen werden. So müssen mehrere Dinge jetzt schnell angegangen werden.“Mit diesen Dingen meint er zum einen, dass Dieselauto­s möglichst bald technisch nachgerüst­et werden. Zum anderen sollten Kommunen daran arbeiten, den Verkehrsfl­uss in den Städten besser zu steuern und das Nahverkehr­sangebot auszubauen und verlässlic­her zu machen. Etwas Ähnliches will der bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) mit seinem Autopakt erreichen. Er versprach, unter anderem den Nahverkehr mit zusätzlich 100 Millionen Euro im Jahr auszubauen. Dudenhöffe­r: „Bis diese Maßnahmen wirken, dauert es Jahre. Um Fahrverbot­e zu verhindern, muss aber jetzt etwas passieren.“

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Foto: Karl Josef Hildenbran­d, dpa Vor einem Jahr wollten Politik und Wirtschaft die Diesel Krise für Autofahrer lösen.

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