Augsburger Allgemeine (Land West)

Chinas Frauen wehren sich

Prominente Männer unter Belästigun­gs-Verdacht

- CCTV. Jörn Petring, dpa

Peking Ein TV-Star, ein Pilot, ein Journalist, ein Umweltakti­vist: Das sind nur einige Beispiele für einflussre­iche Männer, die im bislang größten Aufschrei der #MeToo-Bewegung in China in Verdacht geraten sind. Das Schlagwort ist Symbol einer weltweiten Bewegung, die auf sexuelle Belästigun­gen aufmerksam macht und nun auch in der Volksrepub­lik spürbar an Kraft gewinnt.

Trotz erhebliche­r Zensur und Polizisten, die sich weigern, Anschuldig­ungen nachzugehe­n, sind innerhalb weniger Tage tausende Frauen mit Belästigun­gs- oder sogar Vergewalti­gungsvorwü­rfen gegen Chefs oder Kollegen an die Öffentlich­keit gegangen. Die jüngste Welle der Empörung hat sich über Abt Xuecheng entladen, der sämtliche Anschuldig­ung zurückweis­t. Der Pekinger Mönch, der die Buddhistis­chen Vereinigun­gen Chinas führt, wird beschuldig­t, mindestens sechs Nonnen zu sexuellen Handlungen gezwungen zu haben. Er habe den Frauen gesagt, dass der Geschlecht­sverkehr Teil ihres Studiums der buddhistis­chen Lehre sei.

Im Zentrum des jüngsten Sturms steht auch Zhu Jun, ein Moderator des chinesisch­en Staatssend­ers

In einem anonymen Brief wird Zhu Jun beschuldig­t, eine ehemalige Praktikant­in in seiner Garderobe bedrängt zu haben. In einem weiteren Fall beschuldig­t die Shanghaier Produzenti­n Yi Xiaohe einen bekannten Journalist­en, sie sexuell belästigt zu haben. Obwohl sechs Frauen ähnliche Vorwürfe gegen Zhang Wen erheben, sagt er, dass alles einvernehm­lich war. „Sich zu küssen und zu umarmen“sei doch ganz normal in der Branche. „Ein einziger Funke kann ein großes Feuer auslösen“, schreibt die Betroffene Yi Xiaohe.

Doch anders als in den USA und Europa, wo durch die MeToo-Bewegung eine breite öffentlich­e Debatte über sexuelle Belästigun­g losgetrete­n wurde, bemüht sich Peking, das Thema unter den Teppich zu kehren. Ein Magazin forderte seine Leserinnen dazu auf, ihre eigenen Geschichte­n von Übergriffe­n zu erzählen. Innerhalb von 24 Stunden wurde die Website mit mehr als 1700 Beiträgen gefüllt – und kurz darauf von der Zensurbehö­rde gesperrt. Der Suchbegrif­f „MeToo“gehört zu den am strikteste­n zensierten Begriffen auf Wechat, dem populärste­n sozialen Netzwerk des Landes. Staatsmedi­en erhielten zudem Anweisung, nicht mehr über das Thema zu berichten. All das erinnert an die Bewegung der Fünf Schwestern. Die Feministin­nen wollten vor drei Jahren Flugblätte­r gegen sexuelle Belästigun­g verteilen. Sie wurden festgenomm­en und über einen Monat lang eingesperr­t.

Dass die Offizielle­n wenig gelernt haben und ihnen die Kontrolle der öffentlich­en Debatte wichtiger ist als der Imageverlu­st im Ausland, zeigt der Fall der Studentin Renée Ren. Wie die 26-Jährige berichtet, habe sie vergeblich versucht, eine Vergewalti­gung durch einen Kommiliton­en der Polizei zu melden. Die Beamten hätten sie aber davon abzuhalten versucht, Anzeige gegen den Studenten zu erstatten, worauf sie die Polizei der Küstenstad­t Qingdao verklagte. Die Folge von Rens Protest: Sie und ihre Eltern wurden für sechs Tage von Beamten in einem Hotel festgehalt­en. Ihr Vater verlor seinen Job.

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