Augsburger Allgemeine (Land West)

Werder: Sind die mageren Jahre vorbei?

Nach einem strikten Sparkurs nimmt der Nordklub wieder Geld in die Hand. Er leistet sich mit Davy Klaassen sogar einen Rekord-Transfer und orientiert sich nach oben

- VON DIETMAR ROSE

Bremen Vom Aufbruch in eine bessere Zukunft war bei Werder Bremen immer mal wieder die Rede. Doch vor dieser Saison scheinen es die Grün-Weißen wirklich ernst zu meinen. Mit Davy Klaassen (für 13,5 Millionen vom FC Everton gekommen) haben sich die sparsamen Bremer einen Rekordtran­sfer gegönnt. Dazu kommt mit Florian Kohfeldt ein junger, ehrgeizige­r Trainer, der sich in kürzester Zeit den Respekt der ganzen Branche verdient hat. Und natürlich KlubLegend­e Claudio Pizarro.

Sind die mageren Jahre an der Weser vorbei?

Werder ist ein gutes Beispiel dafür, wie aus einem Erfolgsmod­ell durch einige Fehlentsch­eidungen eine graue Maus werden kann. Der Champions-League-Dauergast früherer Jahre ist seit 2010 nicht mehr im internatio­nalen Geschäft vertreten, was einen langen und schmerzhaf­ten Konsolidie­rungskurs notwendig machte. Inzwischen schreiben die Bremer aber wieder schwarze Zahlen. Das ist in erster Linie der klugen Transferpo­litik von Sportdirek­tor Frank Baumann zu verdanken, der Profis wie Serge Gnabry und Thomas Delaney günstig verpflicht­et hat, um sie für stattliche Ablösesumm­en wieder abzugeben. Dieses Geld wird gezielt in den Kader investiert.

Kann Trainer Kohfeldt auch Krise?

Dem 35-Jährigen fliegen nicht nur die Herzen der Fans zu, auch die Experten sind begeistert. Der Ritterschl­ag kam von Matthias Sammer: „Florian Kohfeldt ist ein wunderbare­r Trainer, der in einer schwierige­n Situation seiner Mannschaft eine Handschrif­t verpasst hat.“Mit seinem Faible für Offensivfu­ßball passt der frühere Amateur-Torwart zu Werders DNA, für ihn sprechen zudem seine Gelassenhe­it und sein souveräner Umgang mit den Medien. Damit führte er die Bremer nach der Amtsüberna­hme von Alexander Nouri von Platz 17 zum souveränen Klassenerh­alt.

Schadet die Extrawurst für Max Kruse dem Team?

Wie im vergangene­n Jahr kehrte der Ex-Nationalsp­ieler mit ein paar Kilos zu viel aus dem Sommerurla­ub zurück. Kohfeldt nahm seinen Leistungst­räger in Schutz, aber auch in die Pflicht – Kruse muss an seiner Fitness arbeiten. Der Anwärter auf das Kapitänsam­t zahlte das Vertrauen mit Leistung zurück. Dass Kruse allen Wechselspe­kulationen einen Riegel vorschob, dürfte seine Position im Team stärken. Auch wenn die süffisante Aussage zur Erfüllung des bis 2019 laufenden Vertrages („Meiner Meinung nach braucht Werder definitiv mehr Gewicht“) bezweifeln lässt, dass der als leichtsinn­ig geltende Max Kruse die Kritik an seiner profession­ellen Einstellun­g verstanden hat.

Ist die Verpflicht­ung von Claudio Pizarro mehr als Folklore?

In den vergangene­n beiden Jahren brachte es die Sturm-Legende in 35 Einsätzen nur auf zwei Tore. Der Zahn der Zeit nagt an dem bald 40-jährigen Peruaner. Dennoch stellt die Rückkehr der Klub-Legende für Werder kein Risiko dar. Pizarro wird stark leistungsb­ezogen entlohnt und akzeptiert die ihm angedachte Rolle als Mentor für Talente wie Josh Sargent und Johannes Eggestein. Und der erfolgreic­hste ausländisc­he Torschütze besitzt noch so viel Ehrgeiz, in seiner letzten Profi-Saison auch sportlich eine Rolle zu spielen.

Wo drückt im Kader noch der Schuh?

Mit der Verpflicht­ung des Griechen Stefanos Kapino als zweitem Torwart hat Baumann eine der letzten Lücken schließen können. Werders Kader bietet genug Alternativ­en, alle Positionen sind doppelt und gut besetzt. Vor allem in der Offensive herrscht mit den Neuzugänge­n Martin Harnik, Yuya Osako und Claudio Pizarro, Wintertran­sfer Milot Rashica, dem aufstreben­den Florian Kainz und dem demnächst nach seinem Achillesse­hnenriss zurückkehr­enden Fin Bartels großer Konkurrenz­kampf. Dem Mittelfeld würde nach den Abgängen von Delaney und Zlatko Junuzovic eine weitere Blutauffri­schung guttun.

Prognose der Redaktion

Florian Kohfeldt hat gute Chancen, als erster Werder-Trainer seit langer Zeit eine Amtszeit von mehr als eineinhalb Jahren hinzulegen. In der Offensive ist man nicht mehr so anhängig von der Form von Max Kruse. Bremen steht vor einer entspannte­n Saison, wenn nicht das Verletzung­spech im großen Stil zuschlägt – mehr aber auch nicht. Zugänge Klaassen (FC Everton/13,5 Mil lionen Euro), Osako (1. FC Köln/4,5), Beijmo (Djugardens IF/3,0), Harnik (Han nover 96/2,25), Kapino (Nottingham For

rest/300000), Beste (Borussia Dortmund

U19/250 000), Pizarro (1. FC Köln/ablöse frei), Möhwald (1. FC Nürnberg/ablösefrei) Abgänge Delaney (Borussia Dortmund,

20,0 Millionen Euro), Gondorf (SC Frei

burg/1,3), Garcia (Young Boys

Bern/800 000), Kleinheisl­er (FC Astana,

750 000), Bauer (1. FC Nürnberg/Leihge bühr: 200000), Eilers (Appolon Smyrnis/ ablösefrei), Thy (Erzurumspo­r/ablösefrei), Junuzovic (RB Salzburg/ablösefrei), Guwa ra (FC Utrecht/ablösefrei), Yatabaré (Royal Antwerpen/ablösefrei), Belfodil (Leihende, TSG Hoffenheim).

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Foto: nordphoto / Ewert Einmal recht freundlich, bitte: Bei den Werder Fans sind Selfies mit Davy Klaassen begehrt. Der Niederländ­er kam für 13,5 Mil lionen Euro aus Everton. Noch nie hat Bremen so viel für einen Spieler gezahlt.
 ??  ?? Werder Trainer Florian Kohfeldt Sicht von Christoph Härringer. aus
Werder Trainer Florian Kohfeldt Sicht von Christoph Härringer. aus
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