Augsburger Allgemeine (Land West)
Braucht es eine Super Mediathek?
Nach wie vor gibt es keine gemeinsame ARD-Mediathek. Stattdessen macht jede Landesanstalt, was sie will. Das soll sich ändern. Ziel ist eine nicht-kommerzielle Konkurrenz zu Plattformen im Internet
„Wir sind eins“: Der aktuelle Slogan der ARD mag seine Berechtigung haben, aber im Grunde gilt er nur für das erste Programm. Im Internet zum Beispiel kocht jedes Mitglied des Senderverbundes sein eigenes Süppchen. Wer Sendungen zu einem bestimmten Thema sucht, muss alle Mediatheken einzeln abklappern.
Leonhard Dobusch hat eine Erklärung dafür, warum es noch keine
ARD-Mediathek gibt: „Es wird viel zu sehr in eigenen Königreichen gedacht.“Der Organisationstheoretiker von der Universität Innsbruck ist Mitglied des ZDF-Fernsehrats und möchte die beiden öffentlichrechtlichen Systeme in eine gemeinsame Internet-Zukunft katapultieren. Sein Entwurf ist allerdings nicht mit dem irreführend „SuperMediathek“genannten Modell zu verwechseln, in dem der amtierende
ARD-Vorsitzende und BR-Intendant Ulrich Wilhelm neben den Angeboten sämtlicher deutscher TVSender auch die Inhalte der großen Zeitungs- und Zeitschriftenverlage anbieten will.
Für Dobusch hat Wilhelms Idee einen entscheidenden Denkfehler: Diese Medienbibliothek orientiere sich nicht an der Logik einer Inter- Dobusch, der sein Konzept gemeinsam mit dem Duisburger Politikwissenschaftler Christoph Bieber – Mitglied des WDRRundfunkrats – entwickelt hat, schwebt vielmehr ein öffentlichrechtliches Pendant zu Youtube und
Facebook vor: Die Nutzer wären nicht nur Konsumenten, sie könnten auch eigene Inhalte ins Netz stellen. Entscheidender Unterschied zu den kommerziellen Plattformen sei ein öffentlich-rechtlicher Algorithmus, der Inhalte anders sortiere, um eine demokratische Öffentlichkeit zu gestalten. Drei Viertel des Gesamtbudgets von 500 Millionen Euro sollen dafür „nach draußen“vergeben werden, um zusätzliche Inhalte für diese Plattform herstellen zu lassen.
Dobuschs Vorschlag kommt zu einer Zeit, da das klassische Fernsehen immer mehr zu einem Medium des letzten Jahrhunderts wird. Der Wissenschaftler geht zwar davon aus, dass es „auf Jahre hinaus seine große Bedeutung behalten und auch entsprechende Reichweiten erzielen“werde, aber eben nicht bei jüngeren Generationen. Selbst die öf-
Mediatheken hätten bei den „Millennials“– gemeint sind die Jahrgänge 1982–1996 – keine Chance gegen Youtube oder Facebook.
Gegen die Dominanz der US-Unternehmen will BR-Intendant Wilhelm mit einer Art „europäischem digitalen Ökosystem“antreten, das auf der Basis eines gewachsenen Wertesystems gestaltet und fortentwickelt werde. Deshalb korrigiert seine Sprecherin Sylvie Stephan auch die Bezeichnung „Super-Mediathek“: Wilhelms Vorschlag gehe deutlich über den Gedanken einer reinen Mediathek hinaus, weil sein Modell auch für Verlage, Privatsender sowie Einrichtungen aus Kultur und Wissenschaft offen sei, „gepaart mit Elementen à la Facebook, einer guten Suchfunktion und garantierter Datensicherheit“.
Das Projekt hätte nicht zuletzt den Charme einer großen Reichweite, die laut Wilhelm „vor allem für die werbetreibenden privaten Partner der Plattform wichtig“wäre. Genau darin sieht Dobusch jedoch ein grundsätzliches Manko, weshalb die Beteiligung von Privatsendern nur ein letzter Schritt sein dürfe. In seinem Modell gehe es darum, „wie Inhalte auf eine ganz bestimmte Weise aufbereitet, kuratiert und sortiert werden, die keinen komnetplattform. merziellen Bedingungen unterworfen ist. Wir brauchen eine Alternative, die es den Beitragszahlern erlaubt, Inhalte zugänglich zu machen, ohne sich der restriktiven verwertungsgetriebenen Logik kommerzieller Plattformen zu unterwerfen“, sagt er. „Ich wüsste nicht, wie das gelingen könnte, wenn man Privatsender mit dazu nimmt, denn die streben selbstverständlich eine Klick-Maximierung an.“Dobusch vermutet, die Privatwirtschaft sei nur deshalb zu dieser Plattform eingeladen, damit sie nicht wegen Wettbewerbsverzerrung gegen das Projekt vorgehe. Einigen der potenziellen Partner, die Wilhelm gern mit ins Boot holen würde, sind die Pläne ohnehin noch zu unausgegoren.
Die Verbände der Zeitschriftenund Zeitungsverleger signalisieren zwar Gesprächsbereitschaft, wollen jedoch erst einmal abwarten, bis das Modell konkrete Formen annimmt. Auch die Mediengruppe RTL Deutschland ist „offen für Kooperationen und Allianzen, wenn sie zu unserem Geschäftsmodell passen“, will sich aber zunächst auf den Ausfentlich-rechtlichen bau der eigenen Plattform TV Now konzentrieren. Bei ProSiebenSat.1 hat man ebenfalls eigene Pläne. Das Unternehmen hat gerade erst für 2019 den Start einer gemeinsamen Streaming-Plattform mit dem USKonzern Discovery bekannt gegeben. Das Angebot soll neben der senderübergreifenden Mediathek der ProSiebenSat.1-Familie (7TV) auch das Portal Maxdome (Video on Demand) sowie den Eurosport Player enthalten, über den Discovery seine Rechte an den Spielen der Fußballbundesliga auswertet.
Von ZDF-Intendant Thomas Bellut kommt dagegen eine deutliche Absage: „Das ZDF wendet viel Kraft auf, um die eigenen Onlineangebote kontinuierlich zu modernisieren und noch mehr Nutzer für die
ZDF-Mediathek zu gewinnen. Ein überzeugendes Modell für eine ‚Super-Mediathek’ sehe ich nicht. Eine neue Mediathek braucht einen Betreiber, sie braucht erhebliche Investitionen. Das ist weltfremd.“Angesichts der Debatte über die Höhe des Rundfunkbeitrags werde sich das ZDF mit Forderungen zurückhalten, eine neue Organisation aufzubauen. Bellut hält es zudem für „fern jeder Praxis, Zuständigkeiten für klassische Inhalte einerseits und die digitale Aufbereitung und Verbreitung anderseits aufzuteilen“.
Ein öffentlich rechtlicher Algorithmus als Alternative
Der ZDF Intendant hat bereits abgewinkt