Augsburger Allgemeine (Land West)
Urlaub vom Smartphone
Am Pool Auch Kolumnisten müssen einmal Urlaub machen – aber ihre Kolumne müssen sie selbstverständlich weiterschreiben. Eherne Kolumnisten-Regel und KolumnistenPflicht. The show must go on!
Wissen Sie, was ich im Urlaub erlebt habe? Um mich und den Pool herum liegen die Menschen auf ihren Liegen und unter ihren Sonnenschirmen. Die Sonne scheint, ein leichter Wind (und so mancher Cocktail) sorgen für Erfrischung. Man hört Kinderlachen, Wasser spritzen, die Anweisungen des Fitnesstrainers, der eine Gruppe Fitnessbegeisterter um sich geschart hat. Und was machen die Menschen auf ihren Liegen? Sie wischen über ihre Smartphones. Starren auf ihre Smartphones. Lassen nicht einmal von ihren Smartphones ab, wenn sie nach ihren Cocktails greifen.
Nun muss ich gestehen: Ich bin, was man auf Neudeutsch einen Nachrichten-Junkie nennt. Auch ich kann nicht vom beständigen Strom an Nachrichten lassen. Nicht einmal am Pool. Aber Selbsterkenntnis ist ja der erste Schritt... Und so habe ich mir im Urlaub „Urlaub vom Smartphone“verordnet. Tut gut.
Die Lust an Nachrichten aus der Heimat scheint übrigens jeden irgendwann einmal in seinem Urlaub zu überkommen. Was sich vor nicht allzu langer Zeit noch an Zeitungsständern voller Bild- und SpiegelExemplare in den Touristenhochburgen ablesen ließ.
Für Bild und Spiegel zahlten viele dann offensichtlich gerne auch den dreifachen Preis. Und wunderten sich oft (mit einem oder mehreren Tagen Verspätung), was in Deutschland schon wieder los war. Ein bisschen war das so wie das Lesen einer Flaschenpost. Einmal, es war in Ägypten vor vielleicht zehn Jahren, kaufte ich bei einem Händler, der einen kleinen Stand am Pool aufgebaut hatte, eine Bild. Zu einem unverschämt hohen Preis. Aber: Angebot und Nachfrage! Ich las jede Zeile, ganz sparsamer Deutscher, der auf seine Kosten kommen wollte. Als ich die Zeitung fast auswendig kannte, ging ich zu dem Händler, um mir neue Lektüre zu besorgen. Koste es, was es wolle.
Er bot mir ein Geschäft an, das mir noch heute zu denken gibt: Wenn ich ihm meine Bild zurückgäbe, könnte ich mir eines seiner Bücher aussuchen. Und so weiter. Ein Pool-Bibliothekar! Die Auswahl an Lesestoff war nicht gerade überwältigend, muss ich sagen. Er hatte hauptsächlich Frauenromane im Angebot (was ich nun wirklich nicht abschätzig meine). Ich ging dennoch auf den Tauschhandel ein – und wählte „Der Geschmack von Apfelkernen“, ein „Buch über die Liebe, den Tod und das Vergessen!“, wie es der Verlag bewirbt. Am Ende des Urlaubs gab ich dem Händler das Buch zurück. Bis heute weiß ich nicht, ob er oder ich das bessere Geschäft gemacht haben.