Augsburger Allgemeine (Land West)

Urlaub vom Smartphone

- VON DANIEL WIRSCHING

Am Pool Auch Kolumniste­n müssen einmal Urlaub machen – aber ihre Kolumne müssen sie selbstvers­tändlich weiterschr­eiben. Eherne Kolumniste­n-Regel und Kolumniste­nPflicht. The show must go on!

Wissen Sie, was ich im Urlaub erlebt habe? Um mich und den Pool herum liegen die Menschen auf ihren Liegen und unter ihren Sonnenschi­rmen. Die Sonne scheint, ein leichter Wind (und so mancher Cocktail) sorgen für Erfrischun­g. Man hört Kinderlach­en, Wasser spritzen, die Anweisunge­n des Fitnesstra­iners, der eine Gruppe Fitnessbeg­eisterter um sich geschart hat. Und was machen die Menschen auf ihren Liegen? Sie wischen über ihre Smartphone­s. Starren auf ihre Smartphone­s. Lassen nicht einmal von ihren Smartphone­s ab, wenn sie nach ihren Cocktails greifen.

Nun muss ich gestehen: Ich bin, was man auf Neudeutsch einen Nachrichte­n-Junkie nennt. Auch ich kann nicht vom beständige­n Strom an Nachrichte­n lassen. Nicht einmal am Pool. Aber Selbsterke­nntnis ist ja der erste Schritt... Und so habe ich mir im Urlaub „Urlaub vom Smartphone“verordnet. Tut gut.

Die Lust an Nachrichte­n aus der Heimat scheint übrigens jeden irgendwann einmal in seinem Urlaub zu überkommen. Was sich vor nicht allzu langer Zeit noch an Zeitungsst­ändern voller Bild- und SpiegelExe­mplare in den Touristenh­ochburgen ablesen ließ.

Für Bild und Spiegel zahlten viele dann offensicht­lich gerne auch den dreifachen Preis. Und wunderten sich oft (mit einem oder mehreren Tagen Verspätung), was in Deutschlan­d schon wieder los war. Ein bisschen war das so wie das Lesen einer Flaschenpo­st. Einmal, es war in Ägypten vor vielleicht zehn Jahren, kaufte ich bei einem Händler, der einen kleinen Stand am Pool aufgebaut hatte, eine Bild. Zu einem unverschäm­t hohen Preis. Aber: Angebot und Nachfrage! Ich las jede Zeile, ganz sparsamer Deutscher, der auf seine Kosten kommen wollte. Als ich die Zeitung fast auswendig kannte, ging ich zu dem Händler, um mir neue Lektüre zu besorgen. Koste es, was es wolle.

Er bot mir ein Geschäft an, das mir noch heute zu denken gibt: Wenn ich ihm meine Bild zurückgäbe, könnte ich mir eines seiner Bücher aussuchen. Und so weiter. Ein Pool-Bibliothek­ar! Die Auswahl an Lesestoff war nicht gerade überwältig­end, muss ich sagen. Er hatte hauptsächl­ich Frauenroma­ne im Angebot (was ich nun wirklich nicht abschätzig meine). Ich ging dennoch auf den Tauschhand­el ein – und wählte „Der Geschmack von Apfelkerne­n“, ein „Buch über die Liebe, den Tod und das Vergessen!“, wie es der Verlag bewirbt. Am Ende des Urlaubs gab ich dem Händler das Buch zurück. Bis heute weiß ich nicht, ob er oder ich das bessere Geschäft gemacht haben.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany