Augsburger Allgemeine (Land West)

Sommeraben­d im Geist einer Jazz Legende

Joe Lovano und Dave Douglas gastieren mit ihrem Quintett im Botanische­n Garten und erinnern an den stilprägen­den Wayne Shorter. Das Publikum erlebt eine „Supergroup“und ein Bass-Solo mit Kranichen und Reihern

- VON TILMAN HERPICHBÖH­M

Ein Highlight erwartete die Besucher des Internatio­nalen Jazzsommer­s am Mittwochab­end beim Auftritt von Joe Lovano und Dave Douglas mit ihrem Quintett im Botanische­n Garten: „In the spirit of Wayne Shorter“: So beschreibt die Band ihren musikalisc­hen Inhalt und bezieht sich damit auf einen der stilprägen­sten Jazzmusike­r überhaupt, denn Shorter gilt als einer der wichtigste­n Saxofonist­en dieser Musikricht­ung. Zunächst als Sideman bei Art Blakeys Jazz Messengers, später bei Miles Davis berühmtem zweiten Quintett, später auch noch Mitbegründ­er von Weather Report, einer Ikone des Fusion-Jazz. Mit seinem Namen verbindet man allerdings noch mehr seine grandiosen Kompositio­nen und Album-Veröffentl­ichungen in den Sechzigerj­ahren: Juju, Speak No Evil und Adams Apple gehören zu den wichtigste­n Jazzplatte­n dieser Zeit. Sein melodische­s Spiel, seine neuartigen, oft modalen Kompositio­nen, die innovative­n Improvisat­ionskonzep­te, der treibende Rhythmus des Hardbop tief verwurzelt im Blues, das prägt den Klang seiner Musik.

Die Gruppe von der hier aber die Rede ist, nennt sich Sound Prints, Anspielung an Shorters berühmte Kompositio­n „Footprints“. All die genannten Aspekte bilden auch die Grundlage ihrer Musik. Und es handelt sich um eine absolute Allstar-Besetzung. „In the spirit of Joe Lovano“, oder „in the spirit of Dave Douglas“, möglicherw­eise sogar „in the spirit of Joey Baron“(Schlagzeug­er des Quintetts), so könnte der Subtitel eines Jazzkonzer­tes mit vielverspr­echendem Inhalt auch schon mal heißen, reden wir hier nun mal vom Who is Who des zeitgenöss­ischen Jazz. Beim Konzert im Botanische­n Garten widmeten sich diese drei Herren aber dem musikalisc­hen Esprit der Jazzlegend­e Wayne Shorter.

Und das mit tatfreudig­er und vergleichs­weise juveniler Unterstütz­ung des Pianisten Lawrence Fields und Yasushi Nakamuro am Kontrabass. Jugendlich deshalb, weil die beiden rund 30 Jahre jünger als ihre gestandene­n Kollegen sind. Gerade Nakamuro konnte man allerdings keine fehlende Erfahrung anmereine ken: Einerseits fegte er hochvirtuo­s und fast traumwandl­erisch über sein Instrument, anderersei­ts sorgte er in seinen Solos auch für die intimsten Momente des Abends, da er bereits die musikalisc­he Abgebrühth­eit besitzt, ein Stück musikalisc­h in eine bestimmte Richtung zu lenken, dynamische Akzente zu setzen, die den gesamten weiteren Verlauf der Nummer verändern können. Daneben nahm Fields einen eher zurückhalt­enden Part auf der Bühne ein, was aber durchaus angenehme Verschnauf­pausen im sonst so temporeich­en Konzert bescherte.

Joe Lovano und Dave Douglas, die im Genre Jazz zu den internatio­nalen Topspieler­n an Saxofon und Trompete zählen, legten hingegen so eine erfrischen­de Spielfreud­e an den Tag, wie man sie bei diesen AllStar-Bands nur selten erlebt. Wie verbale Unterhaltu­ngen wirkte das Zusammensp­iel der beiden, die wie alte Freunde zu hundert Prozent kongruent ihre musikalisc­hen Geschichte­n über Eck-Tavernen und skandalträ­chtige Präsidente­n erzählten. Getoppt wurde das ganze noch von der geradezu schreiende­n Glückselig­keit Joey Baron, der quasi ständig lachend mit ungebändig­tem Elan halsbreche­risch kompromiss­los über das Schlagzeug jagte.

Beispielha­ft für den Klang des Abends war die erfrischen­de Version von Fee-Fi-Fo-Fum, eine der sowieso schon schönsten Kompositio­nen Shorters, die auch im Original in ihren lebhaften tonalen Amplituden ihren Reiz hat. Im Arrangemen­t der Supergroup wurden diese schwunghaf­ten Ausschläge mit noch mehr Zeit für Improvisat­ion und noch exakter ausgearbei­teten Kicks auf die Spitze getrieben. So stand sie exemplaris­ch für die Ausgelasse­nheit und Kommunikat­ionsfreude der Musiker, und übertrug sich auf die restlichen Nummern des Abends, allesamt Eigenkompo­sitionen von Douglas und Lovano. So muss das sein, wenn der Geist eines Wayne Shorters sich auf die Musik einer neuen Formation übertragen soll!

Ein schöner kommunikat­iver Moment war auch das Bass-Solo in der ersten Konzerthäl­fte, als Nakamuro mit den Kranichen und Graureiher­n des benachbart­en Tierparks in Konkurrenz trat. Dieses klangliche Schauspiel erfreute Trompeter Douglas deutlich mehr, als der vorhergega­ngene Kampf mit einem Insekt während seines Solos – schöne kommunikat­ive Nebenmomen­te eines wunderbare­n Konzertabe­nds im Botanische­n Garten.

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Foto: Eric Zwang Eriksson Sie spielen, als würden sie miteinande­r plaudern: Dave Douglas (links) und Joe Lova no beim Konzert im Botanische­n Garten.

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