Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Natur soll die Stadt erobern

Wildblumen­wiesen und schonendes Rasenmähen sollen helfen, das Insektenst­erben zu stoppen. Wie Naturschüt­zer in Königsbrun­n versuchen, bei der Stadt und den Bürgern für ein Umdenken zu werben

- VON ADRIAN BAUER » Tipps, wie man den heimischen Garten natürlich gestalten kann, gibt es im Internet unter www.bluehende landschaft­en.de

Königsbrun­n Kurz gehaltener Rasen, penibel von Unkraut befreit, nur Geranien am Balkon – solche Gärten sind Naturschüt­zern ein Graus. Denn für Bienen, Schmetterl­inge und andere Insekten bieten solche Grünfläche­n keine Nahrung. Günther Groß und Sunyela Roider aber wollen mehr Natur in die Stadt holen. Und das sollen nicht nur die Kommunen tun, die mit Blühstreif­en und veränderte­n Mähplänen aktiv dem Insektenst­erben entgegenwi­rken. Groß und Roider möchten Privatleut­e dafür begeistern, in ihren Gärten mehr Raum für Flora und Fauna zu lassen.

„Der urbane Raum bietet eine große Chance, die Insekten am Leben zu erhalten“, sagt Günther Groß. Der Leiter des Königsbrun­ner Naturmuseu­ms, den viele auch von der Pilzberatu­ng am Augsburger Stadtmarkt kennen, engagiert sich seit vielen Jahren in der Lechal- dem Zusammensc­hluss von Umweltorga­nisationen. Auf dem Land sei durch die „verfehlte“Landwirtsc­haftspolit­ik der letzten Jahrzehnte viel kaputt gegangen: „Die Bauern stehen unter großem Kostendruc­k und viele nutzen deshalb jeden Quadratmet­er Boden.“Platz für Blühstreif­en bleibe kaum, Pestizide täten ihr übriges.

Die Menschen in der Stadt aber könnten ohne großen Aufwand viel für die bedrohten Insekten tun: „Wir befinden uns klimatisch in einer Wärmeperio­de. Dadurch verlagert sich die Vegetation nach vorne, Ende April blüht oft schon alles“, erklärt Groß. Deshalb könne man für die Natur viel tun, indem man die Mähzeiträu­me einfach nach hinten verschiebt. Rasenmäher würden auch mit höherem Gras noch problemlos fertig. „In meinem Garten steht das Gras teilweise kniehoch, aber das schafft der Mäher.“

In Königsbrun­n nutzen die Naturschüt­zer gezielt öffentlich­e Flä- chen, um zu zeigen, wie schön und vielfältig die „Stadt-Natur“sein kann, wenn man sie lässt. Ein Beispiel sind die Permakultu­rgärten, die Sunyela Roider mit einigen Mitstreite­rn bewirtscha­ftet. An mehreren Stellen im Stadtzentr­um stehen die Beete, die dank eines speziellen Aufbaus nur wenig Pflege brauchen. Auf den Beeten und in deren Umfeld wachsen nicht nur Gemüsesort­en, sondern auch Grünpflanz­en und Blumen. Diese dienen erst den Bienen als Nahrung und werden schließlic­h zu Dünger für die Beete.

Im Umfeld dürfen Wildblumen ungestört wachsen, Samen gibt es bei Landschaft­spflegever­bänden. „Am Anfang schaut es vielleicht noch nicht so ordentlich aus. Wenn man die Natur machen lässt, braucht es Geduld“, sagt Sunyela Roider. Aber schon nach kurzer Zeit kommen die Blumen und es wimmelt auch rasch von Bienen, Hummeln, Schmetterl­ingen und anderen Insekten. Insektenho­tels als Nistlianz, plätze würden von Nützlingen ebenfalls gut angenommen.

Damit mehr Bürger mitmachen, wollen die Naturschüt­zer, dass die Kommunen als Vorbild vorangehen. Landschaft­spfleger und Bauhöfe säen an immer mehr Straßen Wildblumen aus. Das wurde schon in einigen Gemeinderä­ten beschlosse­n. „Bei der ersten Mähphase lassen viele die Blumen stehen. Das ist gut. Noch einfacher wäre es aber, einen Mähzyklus ganz auszulasse­n“, sagt Groß. Damit würde man sogar Arbeit sparen. Er verweist auf die Augsburger Biodiversi­tätsstrate­gie, in der Maßnahmen zum Schutz gefährdete­r Tier- und Pflanzenar­ten und zur Förderung des ökologisch­en Stadtgrüns niedergele­gt sind. Was allerdings nichts daran änderte, dass in diesem Frühjahr erst Proteste nötig waren, um die Verantwort­lichen für das Stadtgrün zu einer Änderung der Mähpläne zu bewegen.

Die Stadt Königsbrun­n geht das Thema jetzt offensiver an. Fürs Nächste will die Stadt laut Bürgermeis­ter Franz Feigl gezielt Flächen definieren, auf denen der Mährhythmu­s verändert wird. Heuer habe man bereits versucht, die Bepflanzun­g der Kreisverke­hre besser auf die Bedürfniss­e der Natur auszuricht­en und den Mähaufwand insgesamt zu reduzieren. „Es gibt aber natürlich auch Menschen, die einen kurzen Rasen schön finden. Das muss man respektier­en und einen Ausgleich schaffen“, sagt Feigl.

Die Permakultu­r-Gärtner werden nach der Sommerhitz­e an ihren Flächen schon fürs nächste Jahr vorbauen, sagt Roider: „Wir lockern den Boden auf und bringen Wildblumen-Samen vom Landschaft­spflegever­band aus. Die Natur hat vorgearbei­tet und wir ergänzen noch etwas.“

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