Augsburger Allgemeine (Land West)
Die Natur soll die Stadt erobern
Wildblumenwiesen und schonendes Rasenmähen sollen helfen, das Insektensterben zu stoppen. Wie Naturschützer in Königsbrunn versuchen, bei der Stadt und den Bürgern für ein Umdenken zu werben
Königsbrunn Kurz gehaltener Rasen, penibel von Unkraut befreit, nur Geranien am Balkon – solche Gärten sind Naturschützern ein Graus. Denn für Bienen, Schmetterlinge und andere Insekten bieten solche Grünflächen keine Nahrung. Günther Groß und Sunyela Roider aber wollen mehr Natur in die Stadt holen. Und das sollen nicht nur die Kommunen tun, die mit Blühstreifen und veränderten Mähplänen aktiv dem Insektensterben entgegenwirken. Groß und Roider möchten Privatleute dafür begeistern, in ihren Gärten mehr Raum für Flora und Fauna zu lassen.
„Der urbane Raum bietet eine große Chance, die Insekten am Leben zu erhalten“, sagt Günther Groß. Der Leiter des Königsbrunner Naturmuseums, den viele auch von der Pilzberatung am Augsburger Stadtmarkt kennen, engagiert sich seit vielen Jahren in der Lechal- dem Zusammenschluss von Umweltorganisationen. Auf dem Land sei durch die „verfehlte“Landwirtschaftspolitik der letzten Jahrzehnte viel kaputt gegangen: „Die Bauern stehen unter großem Kostendruck und viele nutzen deshalb jeden Quadratmeter Boden.“Platz für Blühstreifen bleibe kaum, Pestizide täten ihr übriges.
Die Menschen in der Stadt aber könnten ohne großen Aufwand viel für die bedrohten Insekten tun: „Wir befinden uns klimatisch in einer Wärmeperiode. Dadurch verlagert sich die Vegetation nach vorne, Ende April blüht oft schon alles“, erklärt Groß. Deshalb könne man für die Natur viel tun, indem man die Mähzeiträume einfach nach hinten verschiebt. Rasenmäher würden auch mit höherem Gras noch problemlos fertig. „In meinem Garten steht das Gras teilweise kniehoch, aber das schafft der Mäher.“
In Königsbrunn nutzen die Naturschützer gezielt öffentliche Flä- chen, um zu zeigen, wie schön und vielfältig die „Stadt-Natur“sein kann, wenn man sie lässt. Ein Beispiel sind die Permakulturgärten, die Sunyela Roider mit einigen Mitstreitern bewirtschaftet. An mehreren Stellen im Stadtzentrum stehen die Beete, die dank eines speziellen Aufbaus nur wenig Pflege brauchen. Auf den Beeten und in deren Umfeld wachsen nicht nur Gemüsesorten, sondern auch Grünpflanzen und Blumen. Diese dienen erst den Bienen als Nahrung und werden schließlich zu Dünger für die Beete.
Im Umfeld dürfen Wildblumen ungestört wachsen, Samen gibt es bei Landschaftspflegeverbänden. „Am Anfang schaut es vielleicht noch nicht so ordentlich aus. Wenn man die Natur machen lässt, braucht es Geduld“, sagt Sunyela Roider. Aber schon nach kurzer Zeit kommen die Blumen und es wimmelt auch rasch von Bienen, Hummeln, Schmetterlingen und anderen Insekten. Insektenhotels als Nistlianz, plätze würden von Nützlingen ebenfalls gut angenommen.
Damit mehr Bürger mitmachen, wollen die Naturschützer, dass die Kommunen als Vorbild vorangehen. Landschaftspfleger und Bauhöfe säen an immer mehr Straßen Wildblumen aus. Das wurde schon in einigen Gemeinderäten beschlossen. „Bei der ersten Mähphase lassen viele die Blumen stehen. Das ist gut. Noch einfacher wäre es aber, einen Mähzyklus ganz auszulassen“, sagt Groß. Damit würde man sogar Arbeit sparen. Er verweist auf die Augsburger Biodiversitätsstrategie, in der Maßnahmen zum Schutz gefährdeter Tier- und Pflanzenarten und zur Förderung des ökologischen Stadtgrüns niedergelegt sind. Was allerdings nichts daran änderte, dass in diesem Frühjahr erst Proteste nötig waren, um die Verantwortlichen für das Stadtgrün zu einer Änderung der Mähpläne zu bewegen.
Die Stadt Königsbrunn geht das Thema jetzt offensiver an. Fürs Nächste will die Stadt laut Bürgermeister Franz Feigl gezielt Flächen definieren, auf denen der Mährhythmus verändert wird. Heuer habe man bereits versucht, die Bepflanzung der Kreisverkehre besser auf die Bedürfnisse der Natur auszurichten und den Mähaufwand insgesamt zu reduzieren. „Es gibt aber natürlich auch Menschen, die einen kurzen Rasen schön finden. Das muss man respektieren und einen Ausgleich schaffen“, sagt Feigl.
Die Permakultur-Gärtner werden nach der Sommerhitze an ihren Flächen schon fürs nächste Jahr vorbauen, sagt Roider: „Wir lockern den Boden auf und bringen Wildblumen-Samen vom Landschaftspflegeverband aus. Die Natur hat vorgearbeitet und wir ergänzen noch etwas.“