Augsburger Allgemeine (Land West)

Augsburger entdeckt seltsame Schmetterl­inge

Wie Hobbyforsc­her Ernst Jung Glasflügle­r in die Falle lockte. Mit vielen Tricks gelang es ihm, acht Arten neu in Augsburg nachzuweis­en. Sie haben ungewöhnli­che Lebensgewo­hnheiten

- VON EVA MARIA KNAB

Sie sind fast unsichtbar. Sie sind Meister der Tarnung und Täuschung. Und sie sind so pünktlich, dass man die Uhr nach ihnen stellen kann. Die Rede ist von Glasflügel­Schmetterl­ingen. Bislang war nicht klar, ob diese seltsamen Wesen auch in Augsburg herumschwi­rren. Schmetterl­ingsexpert­e Ernst Jung wollte es wissen. Seit Wochen ist er mit einer speziellen Falle auf der Jagd nach ihnen. Dabei machte er spektakulä­re Entdeckung­en.

Jung ist ein erfahrener und akribische­r Hobbyforsc­her. Er kennt jede Menge Tagfalter und Nachtfalte­r, ja. Aber Glasflügel-Schmetterl­inge? Die hatte der 78-Jährige auch mit seinem geschulten Blick lange nicht gesehen. Dabei hält Jung nicht nur in Augsburg regelmäßig Ausschau nach ungewöhnli­chen Insekten, sondern auch auf Reisen. Im vergangene­n Jahr entdeckte der Augsburger zum ersten Mal selber Glasflügel-Schmetterl­inge auf der Insel Korfu. „Da bin ich neugierig geworden“, sagt er. Seine Forscherle­idenschaft war geweckt. Er wollte wissen, ob es diese seltsamen Schmetterl­inge auch in Augsburg gibt. Um das herauszufi­nden, startete er eine aufwendige Suchaktion.

Seit Wochen fahndet Jung im Stadtwald, in Kleingärte­n und auf den Heiden mit einem fast kriminalis­tischen Spürsinn nach Glasflügle­rn. Das Problem: Diese unauffälli­gen Tierchen sind im Flug kaum zu sehen. Und sie haben im Laufe der Evolution viele wirkungsvo­lle Eigenschaf­ten zur Tarnung entwickelt. Beispielsw­eise ähneln diese harmlosen und ungiftigen Schmetterl­inge äußerlich sehr stark anderen Insekten wie Bienen, Wespen oder Hornissen, die mit ihrem Stachel schmerzhaf­t zustechen können.

Jung ist mit einer speziellen Falle unterwegs, um Glasflügle­r zu finden. Der Kunststoff­behälter ist etwa so groß wie ein kleiner Eimer mit Deckel und mit speziellen Duftstoffe­n gefüllt. Diese locken bestimmte Arten von Glasflügel-Schmetterl­ingen an. Jung hat diese Pheromone bei einer Spezialfir­ma in den Niederland­en besorgen müssen. Bei dem Hersteller werden eigentlich Botenstoff­e zur Schädlings­bekämpfung entwickelt.

Die Falle mit Sexualhorm­onen ist aber noch keine Erfolgsgar­antie bei der Suche nach Glasflügel-Schmetterl­ingen. Man muss genau wissen, wo und wann man sie finden kann. Diese Arten haben spezielle Eigenschaf­ten. Jung musste Fachlitera­tur wälzen, um ihnen auf die Spur zu kommen. Dabei kam heraus, dass diese Schmetterl­inge im Sommerhalb­jahr nur zu eingeschrä­nkten Tageszeite­n fliegen. „Der kleine Pappel-Glasflüger fliegt nur zwischen 15.30 und 18 Uhr“, erzählt Jung, der Apfelbaum-Glasflügle­r sei nur zwischen 10.30 und 13.30 Uhr unterwegs. Nur dann kann man erfolgreic­h eine Falle stellen, um sie einzufange­n.

Bei dieser Prozedur geschieht den zarten Wesen natürlich nichts. Sie werden nur kurz in einer Kühltasche herunterge­kühlt, damit sie stillhalte­n, dann fotografie­rt und begutachte­t, um exakt zu bestimmen, um welche Art es sich handelt. „Nach einer Minute dürfen sie wieder fliegen“, sagt Jung. Bei seiner Jagd nach den seltsamen Schmetterl­ingen war er schon sehr erfolgreic­h: Es gelang ihm, acht Glasflügle­r-Arten erstmals in Augsburg nachzuweis­en. Eine weitere Art, die er fand, wurde in Augsburg zum letzten Mal vor über 40 Jahren festgestel­lt. Dieser Erfolg macht den Hobbyforsc­her schon ein wenig stolz. „Bei den meisten dieser Arten war Augsburg bislang ein weißes Blatt, man wusste nicht, dass sie hier leben“, sagt Ernst Jung.

Kürzlich sorgte Jung mit seinen Nachforsch­ungen auch in einer Kleingarte­nanlage an der Dillinger Straße für Aufsehen. Den Kleingärtn­ern dort sei noch nie ein Glasflügle­r aufgefalle­n, erzählt er. Als er seine Falle aufstellte, flogen Johannisbe­er-Glasflügle­r aber massenweis­e an. Diese Art legt ihre Eier an den Schnittste­llen von Johannisbe­ersträuche­rn ab. Es merkt aber offenbar niemand. Jung arbeitet bei seinen Schmetterl­ingskartie­rungen ehrenamtli­ch für staatliche Stellen. Seine neuesten Glasflügle­r-Funde wird er dem Landesamt für Umwelt

mitteilen. Doch mit seiner Schmetterl­ingsjagd ist der Augsburger noch nicht am Ende. Er ist sich sicher, dass er mindestens noch eine weitere Art in der Stadt wissenscha­ftlich

nachweisen kann – den HimbeerGla­sflügler. Doch der ist schwer zu fangen. Jung sagt: „Er erkennt den Trick mit der Falle und dreht schnell wieder ab.“

 ?? Fotos: Ernst Jung ?? Diese Schmetterl­ingsfalle ist mit speziellen Duftstoffe­n präpariert. Sie lockt männliche Glasflügle­r an, die sich paaren wollen.
Fotos: Ernst Jung Diese Schmetterl­ingsfalle ist mit speziellen Duftstoffe­n präpariert. Sie lockt männliche Glasflügle­r an, die sich paaren wollen.
 ??  ?? Dieser Hornissen Glasflügle­r fliegt im Siebentisc­hwald.
Dieser Hornissen Glasflügle­r fliegt im Siebentisc­hwald.
 ??  ?? Der Apfelbaum Glasflügle­r war am Hu genottenwe­g unterwegs.
Der Apfelbaum Glasflügle­r war am Hu genottenwe­g unterwegs.
 ??  ?? Ernst Jung
Ernst Jung

Newspapers in German

Newspapers from Germany