Augsburger Allgemeine (Land West)
Römer Gräber bei Merching entdeckt
Vor dem Bau eines Hochwasserdamms macht ein Ausgrabungsteam eine spannende Entdeckung. Was die Hinterbliebenen den Toten vor mehr als 1500 Jahren mitgaben
Merching Schon nach ein paar Metern stießen die Archäologen in Merching auf den ersten Fund: Gräber aus römischer Zeit kamen zum Vorschein. Auch Beigaben holten die Experten bereits aus dem Boden, die aus der Zeit des zweiten oder dritten Jahrhunderts „erzählen“können.
Im Merchinger Ortsteil Steinach soll nahe der Bahnlinie ein 720 Meter langer Hochwasserschutzdamm aufgeschüttet werden. Während der Untergrund dafür im Herbst abgeschoben wurde, rückten auch die Archäologen an. Rasch wurden sie fündig. Die Bilanz bis heute: 14 Gräber. Teilweise handelt es sich um einfache Brandbestattungen ohne Gefäß, teilweise waren die sterblichen Überreste in Urnen beerdigt worden, berichtet Anja Struthmann von der Spezialfirma Planateam aus Augsburg.
Die Archäologin schätzt, dass sie aus dem zweiten oder dritten Jahrhundert, also der Römerzeit, stammen. Auch Beigaben legten die Hinterbliebenen den Toten mit ins Grab. Ein runder Spiegel lässt sich gut erkennen, auch wenn ein Teil herausgebrochen ist. Früher konnte der Besitzer sich in dem handteller- großen Stück betrachten, heute ist das ehemals polierte Metall schwarz. Auch den Haltegriff gibt es nicht mehr. In einem anderen Grab lag ein Fläschchen. Die Archäologin erklärt, dass es in der Römerzeit den Brauch gab, Duftwasser über die Asche zu lehren und dann das Gefäß mit ins Grab zu werfen. Zudem stieß das Team auf eine Omegafibel. Mit diesen Spangen hielten die Römer ihre Gewänder zusammen.
Auch wenn bei anderen Grabungen mehr Beigaben gefunden worden sind, nennt die Expertin die Entdeckung in Merching beachtlich. „Man stolpert nicht ständig über römische Gräberfelder“, sagt Struthmann. Die Wahrscheinlichkeit war groß, beim Dammbauwerk etwas zu finden: In der Nähe verlief die römische Militärstraße Via Julia. In der Gegend war bereits eine Ziegelei aus der römischen Kaiserzeit entdeckt worden.
Struthmann schätzt aber, dass es keine direkte Verbindung zwischen diesen Entdeckungen und dem neuen Grä- berfeld gibt. Ihre Vermutung: In der Nähe befand sich ein römisches Landhaus, also eine Villa Rustica, oder eine kleine Siedlung, die noch nicht entdeckt worden sind. Deren Bewohner hätten ihre Hinterbliebenen auf dem Gräberfeld beerdigt. „Die Römer haben das immer außerhalb der Siedlung an einer Straße gemacht“, erklärt die Expertin.
Sie habe nicht die Aufgabe, vor Ort alles genau zu recherchieren. „Das machen dann andere in der Bibliothek.“Der Auftrag sei per Ausschreibung an Planateam vergeben worden. Struthmann und ihre Kollegen untersuchten also das Feld in Merching, bargen die Funde und dokumentierten alles. Mit Spaten und Schaufel arbeitete sich das Team ins Erdreich vor. Der Archäologe Michael Becht brachte zum Beispiel mit einer kleinen Metallschaufel eine zerbrochene Urne zum Vorschein. Um die Überreste des Gefäßes nicht zu beschädigen, arbeitete er zuletzt mit einem BambusSchaschlikspieß. Wichtige Schritte zeichnete der Experte detailliert auf. Das Team fertigte zwar auch Fotos an, aber laut Struthmann lassen sich Zeichnungen besser als digitale Medien archivieren. Die Archäologin verfasst nun einen Bericht, der aber „sehr technisch“ausfalle. Eventuell wird in Zukunft ein anderer Forscher, etwa im Rahmen einer Abschlussarbeit, das Gräberfeld genau datieren und in den historischen Zusammenhang einordnen.
Die Experten haben jedenfalls dafür die Grundlage geschaffen. Ihre Arbeit erledigten sie unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Dafür gibt es laut Struthmann einen traurigen Grund. Immer wieder werden Ausgrabungen von Schatzjägern heimgesucht. In der Nacht rücken sie mit Sonden an und graben nach Fundstücken. Dabei richten sie viel Schaden an. Nicht nur, dass sie Dinge stehlen. Anhand des Fundorts und dessen Beschaffenheit ziehen die Forscher wichtige Rückschlüsse, zum Beispiel über historische Sozialstrukturen, erklärt Struthmann. Selbst ein spektakuläres Objekt verliere an Bedeutung, wenn Forscher es nicht einordnen können. „Der Kontext ist inzwischen wichtiger als das Fundstück.“