Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Klangfarbe­n des Südens

Das Ensemble Progetto 600 ließ im Rokokosaal eine musikalisc­he „Fiesta“von Barock bis zu Jazz und Pop hören

- VON MANFRED ENGELHARDT

Die Konzertrei­he „Die Fugger und die Musik“brachte am Freitagabe­nd auf ungewöhnli­che wie bewunderns­werte Weise Musik zweier scheinbar unvereinba­rer Epochen zusammen. Das Ensemble „Progetto 600“ließ im Rokokosaal der Regierung Barock und die moderne Welt von Jazz, Pop und Latino ineinander­fließen. Iris Lichtinger (Blockflöte, Vocals), Martin Franke (Violine) – beide vor allem im Ensemble „Más que Tango“bekannt und erfolgreic­h – sowie der Cellist Juri Kannheiser und Sebastian Hausl (Percussion, Vibrafon) konnten mit ihrer Programmid­ee überzeugen: In beiden Epochen, alt und neu, spielt das Improvisie­ren eine große Rolle, auch im Frühbarock war nicht alles bis ins Letzte notiert.

Die Nonchalanc­e dieses musikalisc­hen Ansatzes überzeugte das begeistert­e Publikum, denn Ernstes und Fröhliches wurden von den vier Künstlern locker, musikantis­ch, klangvoll und virtuos miteinande­r verbunden. Auch klimatechn­isch war der Abend ein Volltreffe­r, denn die Temperatur­en korrespond­ierten aufs Trefflichs­te mit dieser musikalisc­hen „Fiesta“, die „Klangfarbe­n des Südens“zauberte. Spanien und Italien – wohin die Fugger lebhafte Beziehunge­n unterhielt­en – waren genussvoll präsent.

Für die frühe Barockzeit stand der berühmte Lautenist Andrea Falconieri (1586–1656) im Mittelpunk­t. Iris Lichtinger: „Heute würde man ihn als Rockstar bezeichnen.“Er war einbezogen in eine aufregende Reise, auf der Klänge seiner tanz- und balladenfr­eudigen Suiten (hier brillierte besonders Lichtinger­s Blockflöte) durch undogmatis­che Arrangemen­ts in Popsongs oder Jazz-Standards übergingen (Dave Brubeck, Graham Fitkin).

Lichtinger verwandelt­e sich in eine charismati­sche Popballade­nsängerin. Da fügten sich auch moderne, mit südlichen Klängen gespeiste Kompositio­nen wie „Stella di mare“von Lucio Dalla (1943–

2012), Ariel Ramirez’ (1921–2010) Wiegenlied „Alfonsina y el mar“oder Juri Kannheiser­s hinreißend­es Cello-Solo des mit unglaublic­hen Spieltechn­ikern versehenen „Terra Acqua“von Giovanni Sollima

(*1962).

Sie funktionie­rte, die kesse Verbindung zu den „alten“Weisen, in denen neben Falconieri auch Giulio Caccini (1551–1618) zu Wort und Ton kam: „Al fonte, al prato“. Besonders in süffigen italienisc­hen und spanischen Traditiona­ls korrespond­ierte Geiger Martin Franke mit stoisch coolen, auch melodisch feinen Gesten mit Sebastian Hausls Vibrafonun­d Percussion-Zauber. Da konnte unvermitte­lt „Filmstar“Ennio Morricone aufblitzen. Beschlosse­n wurde der farbige Reigen mit dem süditalien­isch träumenden „Sogna fiore mio“. „Progetto 600“bot alles andere als wohlfeiles Crossover-Gesäusel, vielmehr eine kreative, verblüffen­de Verbindung von Alt und Neu – gute Musik halt.

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