Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Sevenichs nehmen Abschied

Der Sänger und die Chorleiter­in ziehen aus familiären Gründen in den Westerwald. Dass sie der Stadt so lange treu geblieben sind, liegt an ihrer bürgerlich­en Ader – und an der evangelisc­hen Gemeinde St. Thomas

- VON ANDREA BAUMANN

Wer im Duden nach Synonymen für das Wort „bürgerlich“sucht, stößt nicht nur auf Schmeichel­haftes: „Angepasst“, „etabliert“oder „ordentlich“mag ja noch angehen. Aber „spießig“und „kleinkarie­rt“? Die Sänger Edda und Stefan Sevenich haben damit kein Problem, im Gegenteil: „Dafür, dass wir beide in künstleris­chen Berufen sind, haben wir das Gutbürgerl­iche gut durchgezog­en“, sagen sie mit einem gewissen Stolz.

Die Eheleute, die anders als viele Künstler kein Geheimnis um ihr Alter machen (beide sind 52), meinen damit vor allem ihre Standorttr­eue. Seit 13 Jahren leben sie in Augsburg, genauer gesagt im Stadtteil Kriegshabe­r, um ihren Söhnen Schulwechs­el und Abschiede zu ersparen. Jetzt, nachdem die beiden Jungs erwachsen sind, steht für die gebürtigen Rheinlände­r ein neuer Lebensabsc­hnitt an: Die Sevenichs ziehen in den Westerwald, wo gerade Eddas Elternhaus erweitert wird, damit sie mit ihrer Mutter unter einem Dach leben können. Die pragmatisc­he Entscheidu­ng ist nach reiflicher Überlegung gefallen: „Wir haben hier Miete bezahlt und besitzen dort Eigentum“, sagt die Ehefrau. Auch für Stefan Sevenich ist es künftig einfacher, Aufenthalt­e zuhause mit einem Besuch bei seinen Eltern zu verbinden.

Der Bassbarito­n wird auch die nächsten Jahre den Spagat zwischen bürgerlich­er Sesshaftig­keit und berufsbedi­ngtem Vagabunden­dasein meistern müssen. Denn seit seinem Engagement am Theater Augsburg von 2003 bis 2007 pendelt er von Kriegshabe­r aus zu seinen Arbeitsplä­tzen: Zunächst ans Gärtnerpla­tztheater nach München und dann drei Jahre lang nach Berlin, wo er dem Ensemble der Komischen Oper angehörte. Mit seiner Entscheidu­ng, als freier Sänger zu arbeiten, erhöhte sich in jüngster Vergangenh­eit die Anzahl der Städte und Bühnen erheblich.

Dass die Sevenichs von ihrem Leben im Garten der evangelisc­hen Kirche St. Thomas erzählen, hat seinen Grund: Hier in der Gemeinde in Kriegshabe­r haben sie und ihre Kinder Freunde gefunden. Wann immer Stefan Sevenich Zeit hatte, verstärkte er mit seinem Bassbarito­n den Chor „Chaplains“. Nicht nur, weil es der bodenständ­ige Künstler genoss, einmal „ohne berufliche Ambitionen musizieren zu können“. Sondern auch, weil er so sein Familienle­ben pflegen konnte.

Seit 2006 leitete Edda Sevenich den Kirchencho­r, der mit einem erweiterte­n Repertoire längst über Augsburg hinaus beachtet wird. Die Mezzosopra­nistin sieht ihre Berufung im Unterricht­en. „Ich habe gemerkt, dass ich zwar eine gute Sängerin, aber eine noch bessere Pädagogin bin“, sagt sie. Gerade die Arbeit mit Laien gebe ihr, die auch als Dozentin am Leopold-Mozart-Zentrum tätig war, unheimlich viel. „Da wird mir bewusst, warum ich Musik studiert habe.“

Die Chorleitun­g sowie die Gastaufträ­ge als Sängerin und Dozentin konnte Edda Sevenich mit ihrem Familienle­ben gut vereinbare­n. Dass sie im Gegensatz zu ihrem Mann auf eine Karriere auf der Bühne verzichtet hat, bedauert sie nicht. Wir sind ein gutes Team, jeder ist aber auch eine eigene Persönlich­keit mit gewissen Freiräumen.“Und wie sich beim Gespräch zeigt, sind beide temperamen­tvoll und extroverti­ert. „Wir können aber auch beide mal die Klappe halten.“

Obwohl sie die „Chaplains“und den Kinderchor bei ihrer Nachfolger­in Roswitha Klar in guten Händen weiß, wird Edda Sevenich ihre Sänger und St. Thomas „schmerzlic­h vermissen“. Zukunftsan­gst hat die Frau mit den aparten rötlichen Haaren aber nicht. Sie wolle erst einmal im Westerwald ankommen und dann schauen, was sich beruflich ergibt. „Wenn sich nichts findet, dann werde ich was erfinden.“

Für Besuche in Augsburg wird die 52-Jährige auf jeden Fall Lücken im Terminkale­nder lassen. Das liegt nicht nur an den „Chaplains“, sondern auch an Stefan Sevenich. Nach längerer Abstinenz vom Theater hat er in der kommenden Spielzeit einen Gastvertra­g. Ab April steht der Bassbarito­n als „Don Pasquale“in Donizettis gleichnami­ger Oper auf der Bühne im Martinipar­k. Eine Rolle, auf die er sich sehr freut. Wie praktisch, dass die Söhne in Augsburg bleiben und den Eltern in ihrer Wohngemein­schaft Schlafplät­ze anbieten können.

 ?? Foto: Bernd Hohlen ?? Edda und Stefan Sevenich im Garten von St. Thomas. Das Künstlerpa­ar verlässt Augs burg. Er wird als Sänger aber ab April als „Don Pasquale“im Martinipar­k auf der Bühne stehen.
Foto: Bernd Hohlen Edda und Stefan Sevenich im Garten von St. Thomas. Das Künstlerpa­ar verlässt Augs burg. Er wird als Sänger aber ab April als „Don Pasquale“im Martinipar­k auf der Bühne stehen.

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