Augsburger Allgemeine (Land West)
Gemeinsam Essen im Zeichen des Friedens
Hunderte Bürger kommen auch dieses Jahr wieder an der Friedenstafel auf dem Rathausplatz zusammen. Unter freiem Himmel genießen sie das Miteinander. Was das Friedensfest für die Augsburger bedeutet
Für Martin und Annette Dix und ihre Tochter Marlene ist die Teilnahme an der Friedenstafel schon zur Tradition geworden. „Mit dem Fest setzt man ein schönes Zeichen für das Zusammenleben der Kulturen“, sagt der Familienvater. „Außerdem lernt man wildfremde Leute kennen“, ergänzt seine Frau. Maria Spier lacht. Sie sitzt neben der Familie am Tisch und hat sie gerade kennengelernt. Die Sitznachbarn kamen ins Gespräch und tauschen jetzt Köstlichkeiten aus, die sie von zu Hause mitgebracht haben. Maria Spier bietet der Familie etwa Trauben von ihrem eigenen Balkon an. Sie schätzt das Fest und sagt: „Es ist wichtig, dass man Menschen aus verschiedenen Kulturen und Religionen begegnet und das Fremdbild reduziert.“
Die Augsburger feiern am 8. August ihr Friedensfest. Es wurde erstmals im Jahr 1650 begangen. Die Protestanten in Augsburg dankten nach dem Dreißigjährigen Krieg für wiedererlangte Religionsfreiheit und Gleichberechtigung, die auf den Augsburger Religionsfrieden (1555) zurückgeht. Ein Höhepunkt ist jedes Jahr die Friedenstafel auf dem Rathausplatz. Am Mittwoch trafen sich dort hunderte Menschen, um an den vielen Tafeln gemeinsam zu speisen und zu feiern. Ziel der Veranstaltung ist, das friedliche Miteinander aller Menschen, gleich welcher Herkunft und welches Glaubens, zu fördern. Das unterstützt Ihssan Khalili. Er hat eine Zahnarztpraxis in der Innenstadt. Die Praxis ist anlässlich des Feiertages zwar geschlossen, doch seine Mitarbeiter und ihr Chef sind gemeinsam zur Friedenstafel gekommen. „Ich bin in einer Kultur aufgewachsen, in der es üblich ist, dass man zusammen isst“, erklärt Ihssan Khalili, der syrische Wurzeln hat. Deshalb gefalle ihm auch die Idee, die hinter dem gemeinsamen Essen in Augsburg steckt. Mitgebracht hat er ein syri- sches Gericht namens Mojaddara. Es besteht aus Reis mit schwarzen Linsen und gerösteten Zwiebeln. Daneben gibt es Zaziki. Seinen Mitarbeitern und Tischnachbarn scheint es gut zu gehen. Sie lassen es sich schmecken. Reichlich gedeckt ist auch der Tisch von Bianka Wenninger und ihrer Schwester Anita Gehring. Couscous-Salat, Tomaten aus dem eigenen Garten, Gurken und Brot haben die Gersthoferinnen mitgebracht. „Es ist toll, mit Menschen verschiedenster Kulturen und Religionen zusammenzusitzen, gemeinsam den Frieden zu feiern und gut zu essen“, sagt Bianka Wenninger. Neue Freundschaften haben sie schon geschlossen. Für Stefan Krieger, der bei seiner Familie sitzt, ist die Veranstaltung bedeutend: „Es ist eine wunderbare Vorstellung, dass Frieden zwischen allen Religionen herrscht. Das Friedensfest setzt dahingehend ein Zeichen.“Umso mehr freut der Augsburger sich, dass er dieses Jahr Zeit gefunden hat, zur Friedenstafel zu kommen.
Hamdiye Cakmak und Ilmiye Öztürk haben Zaziki mitgebracht. „Einmal auf türkischer Art und einmal mit Kräuterquark zubereitet, damit sicher ist, dass alle Geschmäcker getroffen sind“, sagt Hamdiye Cakmak. Gegenüber von ihnen sitzt Tanja Kämmerle. Sie teilen sich alle das Essen und unterhalten sich gut. „Das Fest gibt Hoffnung darauf, dass das respektvolle Miteinander von Menschen aus unterschiedlichen Religionen und Nationalitäten zur Normalität wird“, betont Tanja Kämmerle.
Der Integrationsbeirat der Stadt hat bei der Friedenstafel am Rathausplatz Weltbürgerpässe an interessierte Bürger ausgegeben. Der Weltbürgerpass ist ein FantasiePass, der von den Mediengestaltern der Berufsschule 2 in Zusammenarbeit mit dem Integrationsbeirat hergestellt wurde. Die Projektleiterin und zweite stellvertretende Vorsitzende des Integrationsbeirats Maria Jehle erklärt das Ziel der Aktion: „Wir bezwecken damit, dass in dieser Stadt nicht mehr zwischen Ausländern und Inländern unterschieden wird und die Menschen sich als Mitbürger begreifen.“
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Fotos von der Friedenstafel finden Sie un ter: www.augsburger allgemeine.de/ augsburg