Augsburger Allgemeine (Land West)

Schluss mit der Mär vom muffligen Tramfahrer

Maria-Magdalena Mus steuert täglich Busse und Straßenbah­nen durch die Stadt. Was sie an ihrem Job mag und warum sie und ihre Kollegen manchmal Fahrgästen vor der Nase wegfahren müssen – Serie (Teil 1)

- VON STEFAN KROG

Wenn Maria-Magdalena Mus Feierabend hat, dann hat sie in den Stunden zuvor eine Strecke von bis zu

120 Kilometern zurückgele­gt – alles in Augsburg, alles auf einer Busoder Straßenbah­nlinie. Die 22-Jährige ist Bus- und Straßenbah­nfahrerin bei den Stadtwerke­n. Je nach Linie dauert es zwischen 20 und 40 Minuten, bis eine Tram von Endstation zu Endstation gefahren ist – nach einer kurzen Pause geht es dann wieder zurück.

Langweilig, sagt Mus, wird es ihr aber nicht. „Man muss mit hoher Konzentrat­ion fahren, bei der Straßenbah­n ganz besonders. Wo man als Autofahrer fast unbewusst mal einen halben Meter zur Seite fährt, weil jemand gerade ausparkt, muss man als Straßenbah­nfahrer bremsberei­t sein. Ausweichen geht ja nicht“, sagt Mus. Immer müsse man auf dem Führersitz der Tram mitdenken, was der Verkehrste­ilneh- mer vor einem als nächstes vorhaben könnte.

Es ist gegen 12.30 Uhr, als Mus an diesem Tag Feierabend macht. Allerdings war sie schon um 4 Uhr morgens im Straßenbah­nbetriebsh­of in der Baumgartne­rstraße, um ihre

43 Tonnen schwere Combino-Tram kurz zu inspiziere­n und dann auszurücke­n. Je nach Linie und Richtung startet der Betrieb am Königsplat­z ab

4.30 Uhr, die letzte

Tram rückt gegen

1 Uhr nachts im

Depot ein. „Ich bin ein Frühaufste­her, drum trage ich mich bei den Dienstwüns­chen meist für die Frühschich­t ein.“Dann klingelt der Wecker zuhause in Todtenweis (Landkreis Aichach-Friedberg) schon um 3 Uhr.

Für Mus ist es, wie sie sagt, ein Traumjob. „Ich bin als Kind schon mit Bus und Straßenbah­n gefahren. Dass ich selber Gefährte mit so vielen Tonnen fahren werde, hätte ich nicht gedacht.“2013 startete sie ihre dreijährig­e Ausbildung bei den Stadtwerke­n zur „Fachkraft im Fahrbetrie­b“, wie der Beruf offiziell heißt. Etwa 500 Fahrer arbeiten bei den Stadtwerke­n.

Zum Steuern des Fahrzeugs durch den dichten Verkehr („Das ist für uns Alltag“) kommt noch die Kommunikat­ion mit Fahrgästen, die eine Fahrkarte kaufen möchten oder eine Frage haben. „Ich bin gerne hilfsberei­t, wenn ich freundlich gefragt werde“, sagt Mus, angesproch­en auf das Image vom ewig muffligen Fahrer. Und dann muss Mus auch noch den Fahrplan im Auge behalten: Auf einem computerge­steuerten Display wird den Fahrern angezeigt, ob sie gerade im Fahrplan sind oder zu früh oder zu spät dran sind.

Der Fahrplan, der seit der Einführung von vorrangges­teuerten Ampeln und eigenen Gleistrass­en vor einigen Jahrzehnte­n beschleuni­gt wurde, ist übrigens auch der Grund, warum Fahrgäste manchmal nicht mehr in die abfahrbere­ite Straßenbah­n oder Bus einsteigen dürfen. Mit Wurstigkei­t oder gar bösem Willen von Fahrern habe das nichts zu tun, so Mus.

Wenn Fahrgästen die Tram vor der Nase wegfährt, gehe es vorrangig auch gar nicht um die Zeiterspar­nis von vielleicht zehn Sekunden, die das Öffnen und Schließen der Türen benötigen würde. „Der eigentlich­e Punkt sind die Ampelphase­n“, so Mus. An vielen Ampeln bei Haltestell­en bekommen die Fahrer angezeigt, wann sie die Türen verriegeln sollen, damit sie bei der nächsten Grünphase über die Kreuzung kommen. „Verpassen wir die Grünphase, steht die Straßenbah­n – und auch alle anderen Fahrgäste – je nach Kreuzung auch mal eine Minute“, so Mus. Dies müsse man bei der Entscheidu­ng, ob man noch jemanviel den in letzter Sekunde zusteigen lässt, berücksich­tigen.

OSerie In unserer Sommerseri­e beglei ten wir Augsburger, die beruflich viel in der Stadt unterwegs sind. Sie berichten uns, was ihnen gefällt und was weni ger.

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