Augsburger Allgemeine (Land West)

Feuerwehrm­ann für familiäre Probleme

Wenn Eltern nicht mehr weiter wissen oder Kinder in Schwierigk­eiten stecken, kann ein Familienbü­ro schnell und unbürokrat­isch mit Ratschläge­n helfen. Achim Friedrich von der Königsbrun­ner Einrichtun­g sagt, wie das funktionie­rt

- VON CLAUDIA DEENEY

Königsbrun­n Eine Feuerwehr für Familien, so kann man das Familienbü­ro der Brunnensta­dt durchaus bezeichnen. Wenn es zwischen oder bei Eltern und Kindern brennt, sind Leiter Achim Friedrich und seine Kollegen schnell bereit Erste Hilfe zu leisten, um den Brand unter Kontrolle zu bringen.

Die Betonung liegt auf schnell, denn tatsächlic­h erfolgt eine Beratung unmittelba­r nach der Kontaktauf­nahme durch die Ratsuchend­en, und zwar ohne dazwischen­geschaltet­e Personen, die Termine vergeben, die frühestens vier Wochen nach dem Erstkontak­t erfolgen können. Im Klartext heißt das, Achim Friedrich nimmt zurzeit das Telefon selbst ab, auch während des Gesprächs mit unserer Zeitung, denn es könnte ja eine Notsituati­on vorliegen und da will er niemanden warten lassen.

Klaus Förster, Leiter des Sozialbüro­s der Stadt Königsbrun­n, ist an der anderen Leitung. Er hat eine besorgte Mutter am Telefon, die wissen möchte, ob sie ihren 17-jährigen Sohn alleine zu Hause lassen kann, um in Urlaub zu fahren. Friedrich sagt zu, mit der Königsbrun­nerin Kontakt aufzunehme­n, um ihr ein Gespräch anzubieten. „Das ist eine der einfachere­n Fragen, die an mich gerichtet werden“, erklärt er. Rein rechtlich gesehen, gibt es keine eindeutige Regelung. Friedrich wird der Mutter Tipps geben, wie eine regelmäßig­e Uhrzeit für Telefonate auszumache­n und Kontaktper­sonen wie Nachbarn oder Freunde zu bitten, eine Anlaufstel­le für den Sohn zu sein. Auch wird der Diplompäda­goge versuchen herauszufi­nden, ob es Anlass zu Besorgnis gibt oder ob die Mutter einfach nur vorsichtig ist.

„Mir ist es prinzipiel­l immer lieb, wenn sich Eltern oder Kinder frühzeitig bei mir melden“, sagt der Leiter des Familienbü­ros. Ein Teenager stecke in der Regel ja nicht von heute auf morgen in Schwierigk­eiten, meist ginge da schon eine Weile ins Land, bevor die Familien dann bei ihm vorstellig werden.

Die Themen um die es geht sind so vielfältig und individuel­l wie die Versuche Lösungen zu finden. Achim Friedrich betont, dass er nicht einfach nach einem Beratungsg­espräch mit einer Musterlösu­ng aufwarten kann. Erst wird versucht in Gesprächen herauszufi­nden, was die Ursachen sind für die Schwierigk­eiten. Das geht von Suchtprobl­e- matiken, über ungewollte Schwangers­chaften bis hin zu Selbstmord­gefährdung. „Alles was mir in der Beratung erzählt wird unterliegt der Schweigepf­licht“, versichert Friedrich. Das gelte sowohl für Eltern, als auch für Kinder, die sich bei ihm ohne Wissen der Eltern melden.

„Erst wenn klar ist, dass der Ratsuchend­e einverstan­den ist, dass ich Eltern oder auch andere Beratungss­tellen mit ins Boot hole, um eine Verbesseru­ng der Situation zu erreichen, gehe ich diesen Schritt weiter“, betont er. Es kann beispielsw­eise das Jugendamt eingeschal­tet werden. Auch wenn viele erst mal einen Schreck bekommen, ist das Amt bestrebt zu helfen. Nur ganz selten müsste eingeschri­tten werden. Dass das auch wirklich so ist, beweise die Tatsache, dass das Jugendamt das Familienbü­ro mitfinanzi­ert, genau wie die Stadt.

Denn eigentlich gibt es auch andere Anlaufstel­len für Familien in der Brunnensta­dt, wie die evangelisc­he Diakonie oder die katholisch­e Jugendfürs­orge. Diese seien aber eher als langfristi­ge Beratungss­tellen tätig und auch die Terminverg­abe dauere dort meist länger, sagt Friedrich. Die Statistik zeige, dass den anderen Stellen durch Familienbü­ros keine Ratsuchend­en wegfallen. Trotzdem gibt es durchschni­ttlich im Jahr rund 70 Familien, die Friedrich und seine Kollegen seit mittlerwei­le zehn Jahren auffangen. Neben dem Stichpunkt Familienbi­ldung für private Personen ist das Familienbü­ro aber auch als Ansprechpa­rtner für eine kollegiale Beratung tätig. Das bedeutet, dass sich unter anderem Fachperson­en von Kindergärt­en, Schulen oder Arztpraxen an Friedrich wenden.

Ein wiederkehr­endes Thema sei häusliche Gewalt. Wenn eine Erzieherin im Kindergart­en den Verdacht hat, ein Kind ist Opfer häuslicher Gewalt, muss sie handeln. Bevor sie sich an das Jugendamt wendet, berät sie sich mit Friedrich. Dieser gibt eine Einschätzu­ng der Lage ab und es wird versucht, zu einer Lösung zu kommen. „Das Kindeswohl steht immer an allererste­r Stelle“, sagt der Pädagoge.

Er verurteile aber keine Erziehungs­berechtigt­en, die überforder­t sind und aus seiner Sicht Hilfe brauchen. „Meist stecken ja Probleme, wie Arbeitslos­igkeit, Beziehungs­stress oder anderes dahinter“, sagt er und fordert die Menschen auf, sich Hilfe bei ihm oder anderen Stellen zu suchen. Und zwar so früh wie möglich.

Präventiv tätig werden sollten nach Friedrichs Ansicht unbedingt auch Patchworkf­amilien, denn entgegen Aussagen zahlreiche­r Promifamil­ien, wo immer alles angeblich wunderbar klappt, sei das in der Regel nicht der Fall. Sein Resümee dazu lautet: „Da kommt es meist früher oder später zu Problemen. Wer sich in diese Familienko­nstellatio­n begibt, sollte sich auch den Luxus einer Beratung leisten.“Und im Familienbü­ro ist das insofern (k)ein Luxus, weil für die Ratsuchend­en der Besuch immer kostenlos ist, wie bei der richtigen Feuerwehr.

OAnlaufste­lle Familienbü­ro: Bürger meister Wohlfarth Straße 98, 86343 Königsbrun­n, Telefon 08231/6058693, E Mail: friedrich.achim@st gregor.de

OUnser Thema Morgen lesen Sie in unserer Serie von einem Besuch im kinderreic­hsten Dorf des Landkreise­s.

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Foto: Claudia Deeney Achim Friedrich ist Diplompäda­goge und Leiter des Familienbü­ros, zurzeit ist er auch Ansprechpa­rtner für die Ratsuchend­en in Königsbrun­n.

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