Augsburger Allgemeine (Land West)
Feuerwehrmann für familiäre Probleme
Wenn Eltern nicht mehr weiter wissen oder Kinder in Schwierigkeiten stecken, kann ein Familienbüro schnell und unbürokratisch mit Ratschlägen helfen. Achim Friedrich von der Königsbrunner Einrichtung sagt, wie das funktioniert
Königsbrunn Eine Feuerwehr für Familien, so kann man das Familienbüro der Brunnenstadt durchaus bezeichnen. Wenn es zwischen oder bei Eltern und Kindern brennt, sind Leiter Achim Friedrich und seine Kollegen schnell bereit Erste Hilfe zu leisten, um den Brand unter Kontrolle zu bringen.
Die Betonung liegt auf schnell, denn tatsächlich erfolgt eine Beratung unmittelbar nach der Kontaktaufnahme durch die Ratsuchenden, und zwar ohne dazwischengeschaltete Personen, die Termine vergeben, die frühestens vier Wochen nach dem Erstkontakt erfolgen können. Im Klartext heißt das, Achim Friedrich nimmt zurzeit das Telefon selbst ab, auch während des Gesprächs mit unserer Zeitung, denn es könnte ja eine Notsituation vorliegen und da will er niemanden warten lassen.
Klaus Förster, Leiter des Sozialbüros der Stadt Königsbrunn, ist an der anderen Leitung. Er hat eine besorgte Mutter am Telefon, die wissen möchte, ob sie ihren 17-jährigen Sohn alleine zu Hause lassen kann, um in Urlaub zu fahren. Friedrich sagt zu, mit der Königsbrunnerin Kontakt aufzunehmen, um ihr ein Gespräch anzubieten. „Das ist eine der einfacheren Fragen, die an mich gerichtet werden“, erklärt er. Rein rechtlich gesehen, gibt es keine eindeutige Regelung. Friedrich wird der Mutter Tipps geben, wie eine regelmäßige Uhrzeit für Telefonate auszumachen und Kontaktpersonen wie Nachbarn oder Freunde zu bitten, eine Anlaufstelle für den Sohn zu sein. Auch wird der Diplompädagoge versuchen herauszufinden, ob es Anlass zu Besorgnis gibt oder ob die Mutter einfach nur vorsichtig ist.
„Mir ist es prinzipiell immer lieb, wenn sich Eltern oder Kinder frühzeitig bei mir melden“, sagt der Leiter des Familienbüros. Ein Teenager stecke in der Regel ja nicht von heute auf morgen in Schwierigkeiten, meist ginge da schon eine Weile ins Land, bevor die Familien dann bei ihm vorstellig werden.
Die Themen um die es geht sind so vielfältig und individuell wie die Versuche Lösungen zu finden. Achim Friedrich betont, dass er nicht einfach nach einem Beratungsgespräch mit einer Musterlösung aufwarten kann. Erst wird versucht in Gesprächen herauszufinden, was die Ursachen sind für die Schwierigkeiten. Das geht von Suchtproble- matiken, über ungewollte Schwangerschaften bis hin zu Selbstmordgefährdung. „Alles was mir in der Beratung erzählt wird unterliegt der Schweigepflicht“, versichert Friedrich. Das gelte sowohl für Eltern, als auch für Kinder, die sich bei ihm ohne Wissen der Eltern melden.
„Erst wenn klar ist, dass der Ratsuchende einverstanden ist, dass ich Eltern oder auch andere Beratungsstellen mit ins Boot hole, um eine Verbesserung der Situation zu erreichen, gehe ich diesen Schritt weiter“, betont er. Es kann beispielsweise das Jugendamt eingeschaltet werden. Auch wenn viele erst mal einen Schreck bekommen, ist das Amt bestrebt zu helfen. Nur ganz selten müsste eingeschritten werden. Dass das auch wirklich so ist, beweise die Tatsache, dass das Jugendamt das Familienbüro mitfinanziert, genau wie die Stadt.
Denn eigentlich gibt es auch andere Anlaufstellen für Familien in der Brunnenstadt, wie die evangelische Diakonie oder die katholische Jugendfürsorge. Diese seien aber eher als langfristige Beratungsstellen tätig und auch die Terminvergabe dauere dort meist länger, sagt Friedrich. Die Statistik zeige, dass den anderen Stellen durch Familienbüros keine Ratsuchenden wegfallen. Trotzdem gibt es durchschnittlich im Jahr rund 70 Familien, die Friedrich und seine Kollegen seit mittlerweile zehn Jahren auffangen. Neben dem Stichpunkt Familienbildung für private Personen ist das Familienbüro aber auch als Ansprechpartner für eine kollegiale Beratung tätig. Das bedeutet, dass sich unter anderem Fachpersonen von Kindergärten, Schulen oder Arztpraxen an Friedrich wenden.
Ein wiederkehrendes Thema sei häusliche Gewalt. Wenn eine Erzieherin im Kindergarten den Verdacht hat, ein Kind ist Opfer häuslicher Gewalt, muss sie handeln. Bevor sie sich an das Jugendamt wendet, berät sie sich mit Friedrich. Dieser gibt eine Einschätzung der Lage ab und es wird versucht, zu einer Lösung zu kommen. „Das Kindeswohl steht immer an allererster Stelle“, sagt der Pädagoge.
Er verurteile aber keine Erziehungsberechtigten, die überfordert sind und aus seiner Sicht Hilfe brauchen. „Meist stecken ja Probleme, wie Arbeitslosigkeit, Beziehungsstress oder anderes dahinter“, sagt er und fordert die Menschen auf, sich Hilfe bei ihm oder anderen Stellen zu suchen. Und zwar so früh wie möglich.
Präventiv tätig werden sollten nach Friedrichs Ansicht unbedingt auch Patchworkfamilien, denn entgegen Aussagen zahlreicher Promifamilien, wo immer alles angeblich wunderbar klappt, sei das in der Regel nicht der Fall. Sein Resümee dazu lautet: „Da kommt es meist früher oder später zu Problemen. Wer sich in diese Familienkonstellation begibt, sollte sich auch den Luxus einer Beratung leisten.“Und im Familienbüro ist das insofern (k)ein Luxus, weil für die Ratsuchenden der Besuch immer kostenlos ist, wie bei der richtigen Feuerwehr.
OAnlaufstelle Familienbüro: Bürger meister Wohlfarth Straße 98, 86343 Königsbrunn, Telefon 08231/6058693, E Mail: friedrich.achim@st gregor.de
OUnser Thema Morgen lesen Sie in unserer Serie von einem Besuch im kinderreichsten Dorf des Landkreises.