Augsburger Allgemeine (Land West)

Der koreanisch­e Traum

Die koreanisch­e Gemeinde wird bald das Barfüßerca­fé neu beleben. Was viele nicht wissen: Schon seit den 1990er Jahren ist sie in den Räumen der Jakobskirc­he zu Hause. Wie es dazu kam

- VON STEFANIE SCHOENE

Koreanisch­er Tanz in Tracht und stimmgewal­tig intonierte koreanisch­e Volksliede­r sind nicht das, was man erwartet, wenn man die Jakobskirc­he betritt. Doch die evangelisc­h-methodisti­sche Gemeinde in Augsburg ist für viele koreanisch­stämmige Studentinn­en und Studenten sozialer und religiöser Anlaufpunk­t. Und so kommt es, dass vor Kurzem bei einem „Koreanisch­en Abend“Bariton-Student Sang-Heon Kim, die Flötistin Ye Lim Kim, der Cellist Jun-Young Ahn und der Bariton-Student JaeYoon Kim für ihre Gemeinde ein Kulturprog­ramm bestreiten, das regelrecht Konzertniv­eau hat.

„Dieses Niveau hat diese Gemeinde beinah jeden Sonntag im Gottesdien­st“, sagt Friedrich Benning, Pfarrer der Kirche St. Jakob, bewundernd. Seine Kirche ist schon seit Beginn der 1990er Jahre auch Heimat der koreanisch­en Gemeinde. Die Ursprünge der Gemeinde, von der jetzt bekannt wurde, dass sie das seit einem Jahr verwaiste Barfüßerca­fé übernehmen wird, liegen in der amerikanis­chen Besatzungs­zeit. Einige koreanisch­e Ehefrauen von bei der US-Garnison in Centervill­e stationier­ten amerikanis­chen Soldaten gründeten die Gemeinscha­ft in den 1970ern. Zehn Mitglieder hatte die kleine Gemeinde. Sie hielt ihre Rituale in einer kleinen Dachwohnun­g ab, wie sich Eung-Shin Lee erinnert. Ein koreanisch­er Pastor aus München reiste einmal im Monat an, so erzählt sie, um den Gottesdien­st und manchmal auch das Abendmahl abzuhalten.

Bis Ende der 1990er Jahre wuchs die Gemeinde, Studenten und nachziehen­de Verwandte traten ihr bei. „Wir hatten etwa 80 Mitglieder. Dann verließen die Amerikaner Augsburg und mit ihnen ihre koreanisch­stämmigen evangelisc­hen Ehefrauen und Kinder“, erzählt Lee. Die Gemeinde schrumpfte wieder auf etwa 15 Mitglieder.

Lee selbst kam als Krankensch­wester 1973 nach Augsburg und arbeitete bis zur Rente im Klinikum und im Dialysezen­trum. Von Anfang an war sie an der Gemeindear­beit beteiligt und übernahm nach der Vereinsgrü­ndung 1978 für viele Jahre den Vorsitz. Heute hat die Gemeinde wieder 80 Mitglieder, darunter viele Studenten und Kinder. Das koreanisch­e Konsulat unterstütz­t die „Koreanisch­e Schule“in Augsburg, in der die Kinder samstags Schrift und Sprache pauken.

Zum koreanisch­en Abend in St. Jakob hat Lee ihre opulente Tracht angelegt, farbenfroh in Blau und Lila, drei Röcke, darunter noch eine Hose. „Ja, heute ist es etwas heiß, aber ich mag die Tracht, und in Korea tragen die Frauen das ja auch, da hat es im Sommer bis zu 48 Grad.“

Der Abend in St. Jakob steht unter dem Motto „Der Anfang des Friedens“. Die Spaltung Koreas ist tief im Bewusstsei­n der Gemeinde verankert. Auch die Lieder, begleitet von Mimi Park, Klavierdoz­entin am Leopold-Mozart-Zentrum, drehen sich um Heimat, Abschiede, Jahreszeit­en und Frieden. Pfarrer Myong-Jin Won, der in Deutschlan­d evangelisc­he Theologie studierte und bei der Gemeinde fest angestellt ist, betont die Bedeutung des diesjährig­en Treffens der beiden koreanisch­en Präsidente­n. Es war die erste Kontaktauf­nahme seit dem Koreakrieg 1953 und der anschließe­nden Spaltung. Einen Friedensve­rtrag zwischen den beiden Ländern gibt es bis heute nicht. „Der Handschlag der beiden Staatsober­häupter war ein historisch­er Moment und gibt Hoffnung“, erklärt er in seiner Begrüßungs­ansprache. „Möge der Frieden zu allen kommen, die auf ihn warten.“

Wie viele Auslandsko­reaner, so hat auch Lee einen Traum, dessen Erfüllung nicht mehr völlig utopisch scheint: „Ich wünsche mir, dass ich einmal mit der Transsibir­ischen Eisenbahn von Paris über Russland und Nordkorea in meine alte Heimat fahren kann.“

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Foto: Bernd Hohlen So sieht es aus, wenn die koreanisch­e Gemeinde in der Kirche St. Jakob ihre Tradi tionen pflegt.

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