Augsburger Allgemeine (Land West)
Der koreanische Traum
Die koreanische Gemeinde wird bald das Barfüßercafé neu beleben. Was viele nicht wissen: Schon seit den 1990er Jahren ist sie in den Räumen der Jakobskirche zu Hause. Wie es dazu kam
Koreanischer Tanz in Tracht und stimmgewaltig intonierte koreanische Volkslieder sind nicht das, was man erwartet, wenn man die Jakobskirche betritt. Doch die evangelisch-methodistische Gemeinde in Augsburg ist für viele koreanischstämmige Studentinnen und Studenten sozialer und religiöser Anlaufpunkt. Und so kommt es, dass vor Kurzem bei einem „Koreanischen Abend“Bariton-Student Sang-Heon Kim, die Flötistin Ye Lim Kim, der Cellist Jun-Young Ahn und der Bariton-Student JaeYoon Kim für ihre Gemeinde ein Kulturprogramm bestreiten, das regelrecht Konzertniveau hat.
„Dieses Niveau hat diese Gemeinde beinah jeden Sonntag im Gottesdienst“, sagt Friedrich Benning, Pfarrer der Kirche St. Jakob, bewundernd. Seine Kirche ist schon seit Beginn der 1990er Jahre auch Heimat der koreanischen Gemeinde. Die Ursprünge der Gemeinde, von der jetzt bekannt wurde, dass sie das seit einem Jahr verwaiste Barfüßercafé übernehmen wird, liegen in der amerikanischen Besatzungszeit. Einige koreanische Ehefrauen von bei der US-Garnison in Centerville stationierten amerikanischen Soldaten gründeten die Gemeinschaft in den 1970ern. Zehn Mitglieder hatte die kleine Gemeinde. Sie hielt ihre Rituale in einer kleinen Dachwohnung ab, wie sich Eung-Shin Lee erinnert. Ein koreanischer Pastor aus München reiste einmal im Monat an, so erzählt sie, um den Gottesdienst und manchmal auch das Abendmahl abzuhalten.
Bis Ende der 1990er Jahre wuchs die Gemeinde, Studenten und nachziehende Verwandte traten ihr bei. „Wir hatten etwa 80 Mitglieder. Dann verließen die Amerikaner Augsburg und mit ihnen ihre koreanischstämmigen evangelischen Ehefrauen und Kinder“, erzählt Lee. Die Gemeinde schrumpfte wieder auf etwa 15 Mitglieder.
Lee selbst kam als Krankenschwester 1973 nach Augsburg und arbeitete bis zur Rente im Klinikum und im Dialysezentrum. Von Anfang an war sie an der Gemeindearbeit beteiligt und übernahm nach der Vereinsgründung 1978 für viele Jahre den Vorsitz. Heute hat die Gemeinde wieder 80 Mitglieder, darunter viele Studenten und Kinder. Das koreanische Konsulat unterstützt die „Koreanische Schule“in Augsburg, in der die Kinder samstags Schrift und Sprache pauken.
Zum koreanischen Abend in St. Jakob hat Lee ihre opulente Tracht angelegt, farbenfroh in Blau und Lila, drei Röcke, darunter noch eine Hose. „Ja, heute ist es etwas heiß, aber ich mag die Tracht, und in Korea tragen die Frauen das ja auch, da hat es im Sommer bis zu 48 Grad.“
Der Abend in St. Jakob steht unter dem Motto „Der Anfang des Friedens“. Die Spaltung Koreas ist tief im Bewusstsein der Gemeinde verankert. Auch die Lieder, begleitet von Mimi Park, Klavierdozentin am Leopold-Mozart-Zentrum, drehen sich um Heimat, Abschiede, Jahreszeiten und Frieden. Pfarrer Myong-Jin Won, der in Deutschland evangelische Theologie studierte und bei der Gemeinde fest angestellt ist, betont die Bedeutung des diesjährigen Treffens der beiden koreanischen Präsidenten. Es war die erste Kontaktaufnahme seit dem Koreakrieg 1953 und der anschließenden Spaltung. Einen Friedensvertrag zwischen den beiden Ländern gibt es bis heute nicht. „Der Handschlag der beiden Staatsoberhäupter war ein historischer Moment und gibt Hoffnung“, erklärt er in seiner Begrüßungsansprache. „Möge der Frieden zu allen kommen, die auf ihn warten.“
Wie viele Auslandskoreaner, so hat auch Lee einen Traum, dessen Erfüllung nicht mehr völlig utopisch scheint: „Ich wünsche mir, dass ich einmal mit der Transsibirischen Eisenbahn von Paris über Russland und Nordkorea in meine alte Heimat fahren kann.“